Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 2. Berlin, 1783.
Den Tag darauf verhörte man ihn, nebst seinen Officiers, und um ihn gewesenen Soldaten. Erstere sagten aus, er sei sehr leicht mit Worten zu ziehen gewesen, und letztere behaupteten einstimmig, daß sie niemals äussere Zeichen von Tiefsinn oder Schwermuth bei ihm bemerkt, er sey zwar nicht sehr lustig, und ausschweifend, aber doch auch nicht gänzlich ein Kopfhänger gewesen. Er selbst antwortete bei der Untersuchung vernünftig und mit vieler Präcision und bezeigte gegen seine Vorgesetzten sowohl in Worten als Gebehrden viele Ehrfurcht. Er erzählte auf Befragen seinen Lebenslauf, gestand sein Verbrechen mit allen Nebenumständen, und setzte hinzu: er habe wohl gewußt, was eine solche That für Folgen habe, und daß er sie mit seinem Blute würde büßen müssen, indessen wäre ihm dieser Gedanke, zu der Zeit, da ihm sein Leben zur Last war, gar nicht schreckend gewesen, jetzt wünsche er, daß es nicht geschehen wäre. Jnsbesondere merkwürdig sind folgende Aeusserungen von ihm, welche nur zu deutlich zeigen, wie viel, durch Vorstellung einer höhern Glückseeligkeit erzeugter Lebensüberdruß, und falsche religiöse Vorstellungen von einer nach vollbrachter Mordthat noch anzustellenden Bekehrung, zu der Ausführung seines Entschlusses mögen beigetragen haben:
Den Tag darauf verhoͤrte man ihn, nebst seinen Officiers, und um ihn gewesenen Soldaten. Erstere sagten aus, er sei sehr leicht mit Worten zu ziehen gewesen, und letztere behaupteten einstimmig, daß sie niemals aͤussere Zeichen von Tiefsinn oder Schwermuth bei ihm bemerkt, er sey zwar nicht sehr lustig, und ausschweifend, aber doch auch nicht gaͤnzlich ein Kopfhaͤnger gewesen. Er selbst antwortete bei der Untersuchung vernuͤnftig und mit vieler Praͤcision und bezeigte gegen seine Vorgesetzten sowohl in Worten als Gebehrden viele Ehrfurcht. Er erzaͤhlte auf Befragen seinen Lebenslauf, gestand sein Verbrechen mit allen Nebenumstaͤnden, und setzte hinzu: er habe wohl gewußt, was eine solche That fuͤr Folgen habe, und daß er sie mit seinem Blute wuͤrde buͤßen muͤssen, indessen waͤre ihm dieser Gedanke, zu der Zeit, da ihm sein Leben zur Last war, gar nicht schreckend gewesen, jetzt wuͤnsche er, daß es nicht geschehen waͤre. Jnsbesondere merkwuͤrdig sind folgende Aeusserungen von ihm, welche nur zu deutlich zeigen, wie viel, durch Vorstellung einer hoͤhern Gluͤckseeligkeit erzeugter Lebensuͤberdruß, und falsche religioͤse Vorstellungen von einer nach vollbrachter Mordthat noch anzustellenden Bekehrung, zu der Ausfuͤhrung seines Entschlusses moͤgen beigetragen haben: <TEI> <text> <body> <div> <div> <p><pb n="16" facs="#f0020"/><lb/> keit, welche er seit drei Wochen empfunden, sogleich nach vollbrachter That verloren. </p> <p>Den Tag darauf verhoͤrte man ihn, nebst seinen Officiers, und um ihn gewesenen Soldaten. Erstere sagten aus, er sei sehr leicht mit Worten zu ziehen gewesen, und letztere behaupteten einstimmig, daß sie niemals aͤussere Zeichen von Tiefsinn oder Schwermuth bei ihm bemerkt, er sey zwar nicht sehr lustig, und ausschweifend, aber doch auch nicht gaͤnzlich ein Kopfhaͤnger gewesen. </p> <p>Er selbst antwortete bei der Untersuchung vernuͤnftig und mit vieler Praͤcision und bezeigte gegen seine Vorgesetzten sowohl in Worten als Gebehrden viele Ehrfurcht. Er erzaͤhlte auf Befragen seinen Lebenslauf, gestand sein Verbrechen mit allen Nebenumstaͤnden, und setzte hinzu: er habe wohl gewußt, was eine solche That fuͤr Folgen habe, und daß er sie mit seinem Blute wuͤrde buͤßen muͤssen, <hi rendition="#b">indessen waͤre ihm dieser Gedanke, zu der Zeit, da ihm sein Leben zur Last war, gar nicht schreckend gewesen,</hi> jetzt wuͤnsche er, daß es nicht geschehen waͤre. Jnsbesondere merkwuͤrdig sind folgende Aeusserungen von ihm, welche nur zu deutlich zeigen, wie viel, durch Vorstellung einer hoͤhern Gluͤckseeligkeit erzeugter Lebensuͤberdruß, und falsche religioͤse Vorstellungen von einer nach vollbrachter Mordthat noch anzustellenden Bekehrung, zu der Ausfuͤhrung seines Entschlusses moͤgen beigetragen haben: </p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [16/0020]
keit, welche er seit drei Wochen empfunden, sogleich nach vollbrachter That verloren.
Den Tag darauf verhoͤrte man ihn, nebst seinen Officiers, und um ihn gewesenen Soldaten. Erstere sagten aus, er sei sehr leicht mit Worten zu ziehen gewesen, und letztere behaupteten einstimmig, daß sie niemals aͤussere Zeichen von Tiefsinn oder Schwermuth bei ihm bemerkt, er sey zwar nicht sehr lustig, und ausschweifend, aber doch auch nicht gaͤnzlich ein Kopfhaͤnger gewesen.
Er selbst antwortete bei der Untersuchung vernuͤnftig und mit vieler Praͤcision und bezeigte gegen seine Vorgesetzten sowohl in Worten als Gebehrden viele Ehrfurcht. Er erzaͤhlte auf Befragen seinen Lebenslauf, gestand sein Verbrechen mit allen Nebenumstaͤnden, und setzte hinzu: er habe wohl gewußt, was eine solche That fuͤr Folgen habe, und daß er sie mit seinem Blute wuͤrde buͤßen muͤssen, indessen waͤre ihm dieser Gedanke, zu der Zeit, da ihm sein Leben zur Last war, gar nicht schreckend gewesen, jetzt wuͤnsche er, daß es nicht geschehen waͤre. Jnsbesondere merkwuͤrdig sind folgende Aeusserungen von ihm, welche nur zu deutlich zeigen, wie viel, durch Vorstellung einer hoͤhern Gluͤckseeligkeit erzeugter Lebensuͤberdruß, und falsche religioͤse Vorstellungen von einer nach vollbrachter Mordthat noch anzustellenden Bekehrung, zu der Ausfuͤhrung seines Entschlusses moͤgen beigetragen haben:
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 2. Berlin, 1783, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0102_1783/20>, abgerufen am 02.03.2025. |