Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 2. Berlin, 1783.
Dabei werden seine Freunde in ihm einen edeldenkenden Freund; seine Mitbrüder einen offnen, gefälligen, bescheidnen Gesellschafter, einen frohen Theilnehmer ihres Glücks und bereitwilligen und thätigen Freund im Unglück finden. Viel solche Jünglinge, und dann Männer, wie sie werden könnten: -- wahrlich ein entzückender Gedanke für Menschenfreunde und für Beobachter der Menschen! *** Ungefähr acht bis neun Jahr alt, gehört zu den Kindern, denen man beim ersten Anblick gut seyn muß. Völlig unschuldig, genießt er die Vorrechte der ersten Jugend: froh zu seyn. Seine Miene verkündigt durchgehends diese herrschende Neigung zur Freude, die aber nicht ausgelassen ist; und er scheint sich darauf nicht wenig zu gute zu thun. Zuweilen will ein kluger Ernst unter der kindischen Zufriedenheit hervorkommen, und dann möchte sich vielleicht auch die mürrische Miene des verdrießlichen Alten über sein Lächeln aufheitern.
Dabei werden seine Freunde in ihm einen edeldenkenden Freund; seine Mitbruͤder einen offnen, gefaͤlligen, bescheidnen Gesellschafter, einen frohen Theilnehmer ihres Gluͤcks und bereitwilligen und thaͤtigen Freund im Ungluͤck finden. Viel solche Juͤnglinge, und dann Maͤnner, wie sie werden koͤnnten: — wahrlich ein entzuͤckender Gedanke fuͤr Menschenfreunde und fuͤr Beobachter der Menschen! *** Ungefaͤhr acht bis neun Jahr alt, gehoͤrt zu den Kindern, denen man beim ersten Anblick gut seyn muß. Voͤllig unschuldig, genießt er die Vorrechte der ersten Jugend: froh zu seyn. Seine Miene verkuͤndigt durchgehends diese herrschende Neigung zur Freude, die aber nicht ausgelassen ist; und er scheint sich darauf nicht wenig zu gute zu thun. Zuweilen will ein kluger Ernst unter der kindischen Zufriedenheit hervorkommen, und dann moͤchte sich vielleicht auch die muͤrrische Miene des verdrießlichen Alten uͤber sein Laͤcheln aufheitern. <TEI> <text> <body> <div> <div> <p><pb facs="#f0119" n="112"/><lb/> denen ein junger Mensch freilich so haͤufig ausgesetzt ist, gluͤcklich vermeidet: so verspricht sein Kopf und sein Herz uͤberaus viel. Er kann es in den Wissenschaften und in dem Gebiete der Wahrheit bis zu einer ansehnlichen Hoͤhe bringen. </p> <p>Dabei werden seine Freunde in ihm einen edeldenkenden Freund; seine Mitbruͤder einen offnen, gefaͤlligen, bescheidnen Gesellschafter, einen frohen Theilnehmer ihres Gluͤcks und bereitwilligen und thaͤtigen Freund im Ungluͤck finden. Viel solche Juͤnglinge, und dann Maͤnner, wie sie werden koͤnnten: — wahrlich ein entzuͤckender Gedanke fuͤr Menschenfreunde und fuͤr Beobachter der Menschen! </p> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <p>*** Ungefaͤhr acht bis neun Jahr alt, gehoͤrt zu den Kindern, denen man beim ersten Anblick gut seyn muß. Voͤllig unschuldig, genießt er die Vorrechte der ersten Jugend: froh zu seyn. </p> <p>Seine Miene verkuͤndigt durchgehends diese herrschende Neigung zur Freude, die aber nicht ausgelassen ist; und er scheint sich darauf nicht wenig zu gute zu thun. </p> <p>Zuweilen will ein kluger Ernst unter der kindischen Zufriedenheit hervorkommen, und dann moͤchte sich vielleicht auch die muͤrrische Miene des verdrießlichen Alten uͤber sein Laͤcheln aufheitern.<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [112/0119]
denen ein junger Mensch freilich so haͤufig ausgesetzt ist, gluͤcklich vermeidet: so verspricht sein Kopf und sein Herz uͤberaus viel. Er kann es in den Wissenschaften und in dem Gebiete der Wahrheit bis zu einer ansehnlichen Hoͤhe bringen.
Dabei werden seine Freunde in ihm einen edeldenkenden Freund; seine Mitbruͤder einen offnen, gefaͤlligen, bescheidnen Gesellschafter, einen frohen Theilnehmer ihres Gluͤcks und bereitwilligen und thaͤtigen Freund im Ungluͤck finden. Viel solche Juͤnglinge, und dann Maͤnner, wie sie werden koͤnnten: — wahrlich ein entzuͤckender Gedanke fuͤr Menschenfreunde und fuͤr Beobachter der Menschen!
*** Ungefaͤhr acht bis neun Jahr alt, gehoͤrt zu den Kindern, denen man beim ersten Anblick gut seyn muß. Voͤllig unschuldig, genießt er die Vorrechte der ersten Jugend: froh zu seyn.
Seine Miene verkuͤndigt durchgehends diese herrschende Neigung zur Freude, die aber nicht ausgelassen ist; und er scheint sich darauf nicht wenig zu gute zu thun.
Zuweilen will ein kluger Ernst unter der kindischen Zufriedenheit hervorkommen, und dann moͤchte sich vielleicht auch die muͤrrische Miene des verdrießlichen Alten uͤber sein Laͤcheln aufheitern.
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 2. Berlin, 1783, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0102_1783/119>, abgerufen am 27.07.2024. |