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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 2. Berlin, 1783.

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IV. Zur Seelenzeichenkunde.
Nebeneinanderstellung einzelner jugendlicher Charaktere.

*** Jst ein Knabe von ungefähr zwölf Jahren, und meinem Urtheile nach einer der liebenswürdigsten Schüler. Er hat bei einem gehörigen Maaß von Munterkeit viel Gesetztes; aber gerade wie es sich für sein Alter schickt: er ist nicht flatterhaft, nicht zu ernsthaft. Eigentlicher Unarten scheint er kaum fähig zu sein.

Er hat ungemein viel Sanftes, viel Freundliches in seinem Aeußern, und sein Herz scheint ganz gut, ganz unverstimmt zu seyn. Lob ist ihm angenehm; aber es macht ihn so wenig stolz, daß er vielmehr die Augen dabei voll Bescheidenheit niederschlägt.

Wenn ein guter Karakter geschildert wird, so werden seine Augen lebhafter, sein ganzer Körper geräth in einige Bewegung, und er kann seine Freude darüber nicht zurückhalten. "Das ist


IV. Zur Seelenzeichenkunde.
Nebeneinanderstellung einzelner jugendlicher Charaktere.

*** Jst ein Knabe von ungefaͤhr zwoͤlf Jahren, und meinem Urtheile nach einer der liebenswuͤrdigsten Schuͤler. Er hat bei einem gehoͤrigen Maaß von Munterkeit viel Gesetztes; aber gerade wie es sich fuͤr sein Alter schickt: er ist nicht flatterhaft, nicht zu ernsthaft. Eigentlicher Unarten scheint er kaum faͤhig zu sein.

Er hat ungemein viel Sanftes, viel Freundliches in seinem Aeußern, und sein Herz scheint ganz gut, ganz unverstimmt zu seyn. Lob ist ihm angenehm; aber es macht ihn so wenig stolz, daß er vielmehr die Augen dabei voll Bescheidenheit niederschlaͤgt.

Wenn ein guter Karakter geschildert wird, so werden seine Augen lebhafter, sein ganzer Koͤrper geraͤth in einige Bewegung, und er kann seine Freude daruͤber nicht zuruͤckhalten. »Das ist

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[110/0117] IV. Zur Seelenzeichenkunde. Nebeneinanderstellung einzelner jugendlicher Charaktere. *** Jst ein Knabe von ungefaͤhr zwoͤlf Jahren, und meinem Urtheile nach einer der liebenswuͤrdigsten Schuͤler. Er hat bei einem gehoͤrigen Maaß von Munterkeit viel Gesetztes; aber gerade wie es sich fuͤr sein Alter schickt: er ist nicht flatterhaft, nicht zu ernsthaft. Eigentlicher Unarten scheint er kaum faͤhig zu sein. Er hat ungemein viel Sanftes, viel Freundliches in seinem Aeußern, und sein Herz scheint ganz gut, ganz unverstimmt zu seyn. Lob ist ihm angenehm; aber es macht ihn so wenig stolz, daß er vielmehr die Augen dabei voll Bescheidenheit niederschlaͤgt. Wenn ein guter Karakter geschildert wird, so werden seine Augen lebhafter, sein ganzer Koͤrper geraͤth in einige Bewegung, und er kann seine Freude daruͤber nicht zuruͤckhalten. »Das ist

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 2. Berlin, 1783, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0102_1783/117>, abgerufen am 27.11.2024.