Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 2. Berlin, 1783.7. ![]() ![]() Folgende beide Briefe sind mir von einem verehrungswürdigen Manne, der den Verfasser derselben persönlich kannte, im Original mitgetheilt. Bei alle dem Unsinn, welcher darinn herrscht, werden sie demohngeachtet dem Kenner und Beobachter der menschlichen Seele nicht ganz unwichtig seyn. Sie sind beide, wie man siehet, über einerlei Gegenstand, der erste im Anfange der Verrückung, und der andere einige Zeit nachher, geschrieben, da nur noch wenige Spuren von Zusammenhang in den Gedanken zu bemerken sind. Jn dem ersten Briefe ist der Ausdruck gleichsam schon gelähmt; ein paar Perioden lang bleibt noch Sinn in den Worten, am Ende derselben aber verliert er sich plötzlich, indem oft ein ganz fremdes Wort die Stelle des dahin gehörigen ersetzen muß. Der zweite Brief, welcher nicht gar lange nach dem ersten geschrieben ist, zeigt, wie sehr die Verrückung in dieser kurzen Zeit zugenommen habe. Der Faden der Gedanken, die sich immer um einen Gegenstand zu drehen scheinen, reißt alle Augenblick, und hält keinen einzigen Perioden mehr aus. Wer weiß, ob bei dieser Lähmung des Ausdrucks nicht auch völliges Bewußtseyn dieses Zustandes statt fand? 7. ![]() ![]() Folgende beide Briefe sind mir von einem verehrungswuͤrdigen Manne, der den Verfasser derselben persoͤnlich kannte, im Original mitgetheilt. Bei alle dem Unsinn, welcher darinn herrscht, werden sie demohngeachtet dem Kenner und Beobachter der menschlichen Seele nicht ganz unwichtig seyn. Sie sind beide, wie man siehet, uͤber einerlei Gegenstand, der erste im Anfange der Verruͤckung, und der andere einige Zeit nachher, geschrieben, da nur noch wenige Spuren von Zusammenhang in den Gedanken zu bemerken sind. Jn dem ersten Briefe ist der Ausdruck gleichsam schon gelaͤhmt; ein paar Perioden lang bleibt noch Sinn in den Worten, am Ende derselben aber verliert er sich ploͤtzlich, indem oft ein ganz fremdes Wort die Stelle des dahin gehoͤrigen ersetzen muß. Der zweite Brief, welcher nicht gar lange nach dem ersten geschrieben ist, zeigt, wie sehr die Verruͤckung in dieser kurzen Zeit zugenommen habe. Der Faden der Gedanken, die sich immer um einen Gegenstand zu drehen scheinen, reißt alle Augenblick, und haͤlt keinen einzigen Perioden mehr aus. Wer weiß, ob bei dieser Laͤhmung des Ausdrucks nicht auch voͤlliges Bewußtseyn dieses Zustandes statt fand? <TEI> <text> <body> <div> <div> <pb facs="#f0100" n="96"/><lb/><lb/> </div> <div> <head>7.</head><lb/> <note type="editorial"><Zwei Briefe></note> <note type="editorial"> <bibl> <persName ref="#ref111"><note type="editorial"/>Anonym</persName> </bibl> </note> <p>Folgende beide Briefe sind mir von einem verehrungswuͤrdigen Manne, der den Verfasser derselben persoͤnlich kannte, im Original mitgetheilt. Bei alle dem Unsinn, welcher darinn herrscht, werden sie demohngeachtet dem Kenner und Beobachter der menschlichen Seele nicht ganz unwichtig seyn. Sie sind beide, wie man siehet, uͤber einerlei Gegenstand, der erste im Anfange der Verruͤckung, und der andere einige Zeit nachher, geschrieben, da nur noch wenige Spuren von Zusammenhang in den Gedanken zu bemerken sind. Jn dem ersten Briefe ist der Ausdruck gleichsam schon gelaͤhmt; ein paar Perioden lang bleibt noch Sinn in den Worten, am Ende derselben aber verliert er sich ploͤtzlich, indem oft ein ganz fremdes Wort die Stelle des dahin gehoͤrigen ersetzen muß. </p> <p>Der zweite Brief, welcher nicht gar lange nach dem ersten geschrieben ist, zeigt, wie sehr die Verruͤckung in dieser kurzen Zeit zugenommen habe. Der Faden der Gedanken, die sich immer um einen Gegenstand zu drehen scheinen, reißt alle Augenblick, und haͤlt keinen einzigen Perioden mehr aus. Wer weiß, ob bei dieser Laͤhmung des Ausdrucks nicht auch voͤlliges Bewußtseyn dieses Zustandes statt fand? </p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [96/0100]
7.
Folgende beide Briefe sind mir von einem verehrungswuͤrdigen Manne, der den Verfasser derselben persoͤnlich kannte, im Original mitgetheilt. Bei alle dem Unsinn, welcher darinn herrscht, werden sie demohngeachtet dem Kenner und Beobachter der menschlichen Seele nicht ganz unwichtig seyn. Sie sind beide, wie man siehet, uͤber einerlei Gegenstand, der erste im Anfange der Verruͤckung, und der andere einige Zeit nachher, geschrieben, da nur noch wenige Spuren von Zusammenhang in den Gedanken zu bemerken sind. Jn dem ersten Briefe ist der Ausdruck gleichsam schon gelaͤhmt; ein paar Perioden lang bleibt noch Sinn in den Worten, am Ende derselben aber verliert er sich ploͤtzlich, indem oft ein ganz fremdes Wort die Stelle des dahin gehoͤrigen ersetzen muß.
Der zweite Brief, welcher nicht gar lange nach dem ersten geschrieben ist, zeigt, wie sehr die Verruͤckung in dieser kurzen Zeit zugenommen habe. Der Faden der Gedanken, die sich immer um einen Gegenstand zu drehen scheinen, reißt alle Augenblick, und haͤlt keinen einzigen Perioden mehr aus. Wer weiß, ob bei dieser Laͤhmung des Ausdrucks nicht auch voͤlliges Bewußtseyn dieses Zustandes statt fand?
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 2. Berlin, 1783, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0102_1783/100>, abgerufen am 27.07.2024. |