Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 3. Berlin, 1793.
Die Erklärung dieser Erscheinung ist also kürzlich diese: Dieser Mann, dessen Sprachwerkzeuge zum Theil gelähmt, folglich zum leichten Sprechen ungeschickt gemacht worden, mußte durch Hülfe der Assoziation dazu gebracht werden. Nun ist aber die Vorstellung des gehörten Wortes mit gar nichts assoziirt, und sollte auch die dadurch bezeichnete Sache gegenwärtig seyn, so ist doch die Vorstellung der Sache der Vorstellung des Wortes lange vorhergegangen, folglich der Grad der Assoziation der Vorstellung des Wortes mit der Vorstellung der Sache viel geringer, als zur Hervorbringung dieser Wirkung erforderlich ist. Dahingegen die Vorstellung des geschriebenen Wortes mit der Vorstellung des gesprochenen Wortes im höchsten Grade assoziirt ist, weil diese nie ohne jene (ihr lange vorher gegangene) im Gemüthe anzutreffen war. Daher konnte bloß das gelesene,
Die Erklaͤrung dieser Erscheinung ist also kuͤrzlich diese: Dieser Mann, dessen Sprachwerkzeuge zum Theil gelaͤhmt, folglich zum leichten Sprechen ungeschickt gemacht worden, mußte durch Huͤlfe der Assoziation dazu gebracht werden. Nun ist aber die Vorstellung des gehoͤrten Wortes mit gar nichts assoziirt, und sollte auch die dadurch bezeichnete Sache gegenwaͤrtig seyn, so ist doch die Vorstellung der Sache der Vorstellung des Wortes lange vorhergegangen, folglich der Grad der Assoziation der Vorstellung des Wortes mit der Vorstellung der Sache viel geringer, als zur Hervorbringung dieser Wirkung erforderlich ist. Dahingegen die Vorstellung des geschriebenen Wortes mit der Vorstellung des gesprochenen Wortes im hoͤchsten Grade assoziirt ist, weil diese nie ohne jene (ihr lange vorher gegangene) im Gemuͤthe anzutreffen war. Daher konnte bloß das gelesene, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0120" n="120"/><lb/> selbst verschieden seyn, so daß z.B. der Grad, womit <hi rendition="#aq">a</hi> gegen <hi rendition="#aq">b</hi> groͤßer seyn kann, als der Grad, womit <hi rendition="#aq">b</hi> mit <hi rendition="#aq">a</hi> <choice><corr>assoziirt</corr><sic>assozirt</sic></choice> wird. 5) Es giebt auch eine <hi rendition="#b">Ordnung</hi> in der Assoziation. 6) Die Vorstellung der Objekte geht der Sprache, und diese der Schrift voraus. 7) Aus 4 und 6 laͤßt sich erklaͤren, warum ein Kind mit der Benennung eines Dinges immer die Vorstellung, nicht aber mit der Vorstellung immer die Benennung verknuͤpft. 8) Was sonst schwer zu bewerkstelligen ist, wird durch die Assoziation erleichtert.</p> <p>Die Erklaͤrung dieser Erscheinung ist also kuͤrzlich diese: Dieser Mann, dessen Sprachwerkzeuge zum Theil gelaͤhmt, folglich zum leichten Sprechen ungeschickt gemacht worden, mußte durch Huͤlfe der Assoziation dazu gebracht werden.</p> <p>Nun ist aber die Vorstellung des gehoͤrten Wortes mit gar nichts assoziirt, und sollte auch die dadurch bezeichnete Sache gegenwaͤrtig seyn, so ist doch die Vorstellung der Sache der Vorstellung des Wortes lange vorhergegangen, folglich der Grad der Assoziation der Vorstellung des Wortes mit der Vorstellung der Sache viel geringer, als zur Hervorbringung dieser Wirkung erforderlich ist. Dahingegen die Vorstellung des geschriebenen Wortes mit der Vorstellung des gesprochenen Wortes im hoͤchsten Grade assoziirt ist, weil diese nie ohne jene (ihr lange vorher gegangene) im Gemuͤthe anzutreffen war. Daher konnte bloß das <hi rendition="#b">gelesene,</hi><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [120/0120]
selbst verschieden seyn, so daß z.B. der Grad, womit a gegen b groͤßer seyn kann, als der Grad, womit b mit a assoziirt wird. 5) Es giebt auch eine Ordnung in der Assoziation. 6) Die Vorstellung der Objekte geht der Sprache, und diese der Schrift voraus. 7) Aus 4 und 6 laͤßt sich erklaͤren, warum ein Kind mit der Benennung eines Dinges immer die Vorstellung, nicht aber mit der Vorstellung immer die Benennung verknuͤpft. 8) Was sonst schwer zu bewerkstelligen ist, wird durch die Assoziation erleichtert.
Die Erklaͤrung dieser Erscheinung ist also kuͤrzlich diese: Dieser Mann, dessen Sprachwerkzeuge zum Theil gelaͤhmt, folglich zum leichten Sprechen ungeschickt gemacht worden, mußte durch Huͤlfe der Assoziation dazu gebracht werden.
Nun ist aber die Vorstellung des gehoͤrten Wortes mit gar nichts assoziirt, und sollte auch die dadurch bezeichnete Sache gegenwaͤrtig seyn, so ist doch die Vorstellung der Sache der Vorstellung des Wortes lange vorhergegangen, folglich der Grad der Assoziation der Vorstellung des Wortes mit der Vorstellung der Sache viel geringer, als zur Hervorbringung dieser Wirkung erforderlich ist. Dahingegen die Vorstellung des geschriebenen Wortes mit der Vorstellung des gesprochenen Wortes im hoͤchsten Grade assoziirt ist, weil diese nie ohne jene (ihr lange vorher gegangene) im Gemuͤthe anzutreffen war. Daher konnte bloß das gelesene,
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