Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 3. Berlin, 1793.

Bild:
<< vorherige Seite


eines (nicht leicht wahrzunehmenden) Verhältnisses zwischen den Objekten an sich bedeutet. Ein musikalisches Gehör setzt nicht nur Wahrnehmung eines (feinen) Verhältnisses zwischen den Objekten, (den Tönen) sondern auch Wahrnehmung der Beziehung dieses Verhältnisses aufs Subjekt, als Ursache eines angenehmen oder unangenehmen Gefühls, voraus.

Wer ohne Hülfe eines Winkelmaaßes die Größe eines Winkels immer richtig zu bestimmen im Stande ist, hat ein richtiges Augenmaaß. Die Größe dieses Winkels kann zu irgend einem Zweck gut seyn, ist aber nicht unmittelbar angenehm oder unangenehm. Das musikalische Gehör hingegen, oder vielmehr die damit begabte Person nimmt nicht bloß das richtige Verhältniß zwischen den Tönen an sich, sondern auch das damit verknüpfte angenehme Gefühl wahr, wodurch jenes Verhältniß als richtig bestimmt wird. Das feine Gehör ist bloß Ausleger, das musikalische Gehör aber Gesetzgeber dieses richtigen Verhältnisses.

S. M.

Um sich nun von der Richtigkeit eines Verhältnisses zu überzeugen, hat man für die Größe Maaße, und für die Schwere Gewichte gefunden, und sie dadurch mehr zu Gegenständen des Verstandes gemacht. Dieses findet aber in Ansehung der Farbe, des Gefühls von hart und weich, und der Töne, nicht statt.


eines (nicht leicht wahrzunehmenden) Verhaͤltnisses zwischen den Objekten an sich bedeutet. Ein musikalisches Gehoͤr setzt nicht nur Wahrnehmung eines (feinen) Verhaͤltnisses zwischen den Objekten, (den Toͤnen) sondern auch Wahrnehmung der Beziehung dieses Verhaͤltnisses aufs Subjekt, als Ursache eines angenehmen oder unangenehmen Gefuͤhls, voraus.

Wer ohne Huͤlfe eines Winkelmaaßes die Groͤße eines Winkels immer richtig zu bestimmen im Stande ist, hat ein richtiges Augenmaaß. Die Groͤße dieses Winkels kann zu irgend einem Zweck gut seyn, ist aber nicht unmittelbar angenehm oder unangenehm. Das musikalische Gehoͤr hingegen, oder vielmehr die damit begabte Person nimmt nicht bloß das richtige Verhaͤltniß zwischen den Toͤnen an sich, sondern auch das damit verknuͤpfte angenehme Gefuͤhl wahr, wodurch jenes Verhaͤltniß als richtig bestimmt wird. Das feine Gehoͤr ist bloß Ausleger, das musikalische Gehoͤr aber Gesetzgeber dieses richtigen Verhaͤltnisses.

S. M.

Um sich nun von der Richtigkeit eines Verhaͤltnisses zu uͤberzeugen, hat man fuͤr die Groͤße Maaße, und fuͤr die Schwere Gewichte gefunden, und sie dadurch mehr zu Gegenstaͤnden des Verstandes gemacht. Dieses findet aber in Ansehung der Farbe, des Gefuͤhls von hart und weich, und der Toͤne, nicht statt.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0112" n="112"/><lb/>
eines (nicht leicht wahrzunehmenden)                         Verha&#x0364;ltnisses zwischen den Objekten an sich bedeutet. Ein <hi rendition="#b">musikalisches Geho&#x0364;r</hi> setzt nicht nur Wahrnehmung eines (feinen)                         Verha&#x0364;ltnisses zwischen den Objekten, (den To&#x0364;nen) sondern auch Wahrnehmung                         der Beziehung dieses Verha&#x0364;ltnisses aufs Subjekt, als Ursache eines                         angenehmen oder unangenehmen Gefu&#x0364;hls, voraus.</p>
              <p>Wer ohne Hu&#x0364;lfe eines                         Winkelmaaßes die Gro&#x0364;ße eines Winkels immer richtig zu bestimmen im Stande                         ist, hat ein richtiges Augenmaaß. Die Gro&#x0364;ße dieses Winkels kann zu irgend                         einem Zweck <hi rendition="#b">gut</hi> seyn, ist aber nicht unmittelbar                         angenehm oder unangenehm. Das musikalische Geho&#x0364;r hingegen, oder vielmehr die                         damit begabte Person nimmt nicht bloß das richtige Verha&#x0364;ltniß zwischen den                         To&#x0364;nen an sich, sondern auch das damit verknu&#x0364;pfte angenehme Gefu&#x0364;hl wahr,                         wodurch jenes Verha&#x0364;ltniß als richtig bestimmt wird. Das <hi rendition="#b">feine Geho&#x0364;r</hi> ist bloß Ausleger, das <hi rendition="#b">musikalische Geho&#x0364;r</hi> aber <hi rendition="#b">Gesetzgeber</hi> dieses richtigen Verha&#x0364;ltnisses.</p>
              <p rendition="#right"> <hi rendition="#b">S.                             M.</hi> </p>
              <p>Um sich nun von der Richtigkeit eines Verha&#x0364;ltnisses zu                         u&#x0364;berzeugen, hat man fu&#x0364;r die Gro&#x0364;ße Maaße, und fu&#x0364;r die Schwere Gewichte                         gefunden, und sie dadurch mehr zu Gegensta&#x0364;nden des Verstandes gemacht.                         Dieses findet aber in Ansehung der Farbe, des Gefu&#x0364;hls von hart und weich,                         und der To&#x0364;ne, nicht statt.</p><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[112/0112] eines (nicht leicht wahrzunehmenden) Verhaͤltnisses zwischen den Objekten an sich bedeutet. Ein musikalisches Gehoͤr setzt nicht nur Wahrnehmung eines (feinen) Verhaͤltnisses zwischen den Objekten, (den Toͤnen) sondern auch Wahrnehmung der Beziehung dieses Verhaͤltnisses aufs Subjekt, als Ursache eines angenehmen oder unangenehmen Gefuͤhls, voraus. Wer ohne Huͤlfe eines Winkelmaaßes die Groͤße eines Winkels immer richtig zu bestimmen im Stande ist, hat ein richtiges Augenmaaß. Die Groͤße dieses Winkels kann zu irgend einem Zweck gut seyn, ist aber nicht unmittelbar angenehm oder unangenehm. Das musikalische Gehoͤr hingegen, oder vielmehr die damit begabte Person nimmt nicht bloß das richtige Verhaͤltniß zwischen den Toͤnen an sich, sondern auch das damit verknuͤpfte angenehme Gefuͤhl wahr, wodurch jenes Verhaͤltniß als richtig bestimmt wird. Das feine Gehoͤr ist bloß Ausleger, das musikalische Gehoͤr aber Gesetzgeber dieses richtigen Verhaͤltnisses. S. M. Um sich nun von der Richtigkeit eines Verhaͤltnisses zu uͤberzeugen, hat man fuͤr die Groͤße Maaße, und fuͤr die Schwere Gewichte gefunden, und sie dadurch mehr zu Gegenstaͤnden des Verstandes gemacht. Dieses findet aber in Ansehung der Farbe, des Gefuͤhls von hart und weich, und der Toͤne, nicht statt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, University of Glasgow, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01003_1793
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01003_1793/112
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 3. Berlin, 1793, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01003_1793/112>, abgerufen am 26.11.2024.