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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 2. Berlin, 1793.

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antwortete Sie, er hält Dich für die Anne, die zuweilen noch spät dasitzt und neht. Neulich erzählt' er zwar bei Tisch, es wäre ein Dieb in der Stube gewesen, und hätte die Ludwine wollen todt machen, und da meint' er Dich, Du Küßdieb, man lachte aber über seine Träume, und nun mag er erzählen, was er will, sag' ich: er hat geträumt.

Aber wenn Deine Mutter denn doch einmal aufmerksam würde?

Meinst Du Sie höre die Kinder an? Mit Jhr darf keins ohne besondere Erlaubniß sprechen.

Aber, gesetzt nun, Sie belauschte uns einmal, Himmel! überraschte uns?

Hm! Vorm Ueberraschen sind wir sicher, die Thür ist verriegelt, und kömmt Sie herein -- nun so wirst Du Dir ja wohl ein Viertelstündchen einen unbequemen Aufenthalt gefallen lassen? für das übrige sorg' ich denn. --

Jch saß da, und sah lange gerade vor mich hinaus, bis Sie mich erinnerte, weiter zu lesen. Himmel! wenn Sie all das um meinetwillen wäre, mit alle dem Mein, nur mein! Jch zittere die Worte auszusprechen: wer darf das erwarten? Und doch -- Ach Himmel hilf mir!

Jch lebe und denke und bin nur in ihr, aber glücklich ist darum meine Existenz immer nicht. O


antwortete Sie, er haͤlt Dich fuͤr die Anne, die zuweilen noch spaͤt dasitzt und neht. Neulich erzaͤhlt' er zwar bei Tisch, es waͤre ein Dieb in der Stube gewesen, und haͤtte die Ludwine wollen todt machen, und da meint' er Dich, Du Kuͤßdieb, man lachte aber uͤber seine Traͤume, und nun mag er erzaͤhlen, was er will, sag' ich: er hat getraͤumt.

Aber wenn Deine Mutter denn doch einmal aufmerksam wuͤrde?

Meinst Du Sie hoͤre die Kinder an? Mit Jhr darf keins ohne besondere Erlaubniß sprechen.

Aber, gesetzt nun, Sie belauschte uns einmal, Himmel! uͤberraschte uns?

Hm! Vorm Ueberraschen sind wir sicher, die Thuͤr ist verriegelt, und koͤmmt Sie herein — nun so wirst Du Dir ja wohl ein Viertelstuͤndchen einen unbequemen Aufenthalt gefallen lassen? fuͤr das uͤbrige sorg' ich denn. —

Jch saß da, und sah lange gerade vor mich hinaus, bis Sie mich erinnerte, weiter zu lesen. Himmel! wenn Sie all das um meinetwillen waͤre, mit alle dem Mein, nur mein! Jch zittere die Worte auszusprechen: wer darf das erwarten? Und doch — Ach Himmel hilf mir!

Jch lebe und denke und bin nur in ihr, aber gluͤcklich ist darum meine Existenz immer nicht. O

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[88/0088] antwortete Sie, er haͤlt Dich fuͤr die Anne, die zuweilen noch spaͤt dasitzt und neht. Neulich erzaͤhlt' er zwar bei Tisch, es waͤre ein Dieb in der Stube gewesen, und haͤtte die Ludwine wollen todt machen, und da meint' er Dich, Du Kuͤßdieb, man lachte aber uͤber seine Traͤume, und nun mag er erzaͤhlen, was er will, sag' ich: er hat getraͤumt. Aber wenn Deine Mutter denn doch einmal aufmerksam wuͤrde? Meinst Du Sie hoͤre die Kinder an? Mit Jhr darf keins ohne besondere Erlaubniß sprechen. Aber, gesetzt nun, Sie belauschte uns einmal, Himmel! uͤberraschte uns? Hm! Vorm Ueberraschen sind wir sicher, die Thuͤr ist verriegelt, und koͤmmt Sie herein — nun so wirst Du Dir ja wohl ein Viertelstuͤndchen einen unbequemen Aufenthalt gefallen lassen? fuͤr das uͤbrige sorg' ich denn. — Jch saß da, und sah lange gerade vor mich hinaus, bis Sie mich erinnerte, weiter zu lesen. Himmel! wenn Sie all das um meinetwillen waͤre, mit alle dem Mein, nur mein! Jch zittere die Worte auszusprechen: wer darf das erwarten? Und doch — Ach Himmel hilf mir! am 3. Junius. Jch lebe und denke und bin nur in ihr, aber gluͤcklich ist darum meine Existenz immer nicht. O

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 2. Berlin, 1793, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01002_1793/88>, abgerufen am 25.11.2024.