Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 2. Berlin, 1793.
Als ich sie und ihre Mutter an den Wagen begleitete, da drehte sie sich noch einmal um und sagte: Adieu, lieber Herr Weiler, leben Sie unterdessen recht wohl! Auf das recht legt sie denn allemal so einen ganz besondern Akzent, auch wenn sie sagt: schlaf recht wohl, -- es liegt in ihrem Ausdruck so eine gewisse biedere Herzlichkeit, die ihr Lebewohl! und ihre Gute Nacht! über die konventionelle Abschiedsformel erhebt, -- daß es ist, als hätte sie einem etwas aus ihren Herzen gegeben, einen Segen worauf man hafften könne. Nun hab' ich weder Ruh noch Rast, und möcht' ihr nach. Mir ist als wenn da nur Leben und Freude seyn könne, wo sie weilt. Ach es ist doch ein herrliches trefliches Mädchen! Warum? warum? -- Ach das ist mir das sicherste Pfand, daß ich keine Glückseligkeit hienieden schmecken soll. Jch wollte ja der Jhrige seyn, unter welcher Bedingung es wäre. Alles wäre mir ja recht, wenn sie nur mein Weib werden wollte, sie möchte ja so frei leben, wie es ihr beliebte. Sie hat Glückseligkeit für viele, und ich wäre ja doch in ihrem Arm immer der seligste Schwelger. Dem Perikles war Aspasia immer
Als ich sie und ihre Mutter an den Wagen begleitete, da drehte sie sich noch einmal um und sagte: Adieu, lieber Herr Weiler, leben Sie unterdessen recht wohl! Auf das recht legt sie denn allemal so einen ganz besondern Akzent, auch wenn sie sagt: schlaf recht wohl, — es liegt in ihrem Ausdruck so eine gewisse biedere Herzlichkeit, die ihr Lebewohl! und ihre Gute Nacht! uͤber die konventionelle Abschiedsformel erhebt, — daß es ist, als haͤtte sie einem etwas aus ihren Herzen gegeben, einen Segen worauf man hafften koͤnne. Nun hab' ich weder Ruh noch Rast, und moͤcht' ihr nach. Mir ist als wenn da nur Leben und Freude seyn koͤnne, wo sie weilt. Ach es ist doch ein herrliches trefliches Maͤdchen! Warum? warum? — Ach das ist mir das sicherste Pfand, daß ich keine Gluͤckseligkeit hienieden schmecken soll. Jch wollte ja der Jhrige seyn, unter welcher Bedingung es waͤre. Alles waͤre mir ja recht, wenn sie nur mein Weib werden wollte, sie moͤchte ja so frei leben, wie es ihr beliebte. Sie hat Gluͤckseligkeit fuͤr viele, und ich waͤre ja doch in ihrem Arm immer der seligste Schwelger. Dem Perikles war Aspasia immer <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0107" n="107"/><lb/> ist eine eigene Sache um die Trennung. Sie macht uns weicher und empfindlicher, und das, was von uns sich trennt, heiliger, werther, und so ist die Trennung freilich der groͤßte Schmerz, — vielleicht der einzige in der Natur.</p> <p>Als ich sie und ihre Mutter an den Wagen begleitete, da drehte sie sich noch einmal um und sagte: Adieu, lieber Herr Weiler, leben Sie unterdessen recht wohl! Auf das recht legt sie denn allemal so einen ganz besondern Akzent, auch wenn sie sagt: schlaf recht wohl, — es liegt in <choice><corr>ihrem</corr><sic>ihren</sic></choice> Ausdruck so eine gewisse biedere Herzlichkeit, die ihr Lebewohl! und ihre Gute Nacht! uͤber die konventionelle Abschiedsformel erhebt, — daß es ist, als haͤtte sie einem etwas aus ihren Herzen gegeben, einen Segen worauf man hafften koͤnne.</p> <p>Nun hab' ich weder Ruh noch Rast, und moͤcht' ihr nach. Mir ist als wenn da nur Leben und Freude seyn koͤnne, wo sie weilt.</p> <p>Ach es ist doch ein herrliches trefliches Maͤdchen! Warum? warum? — Ach das ist mir das sicherste Pfand, daß ich keine Gluͤckseligkeit hienieden schmecken soll. Jch wollte ja der Jhrige seyn, unter welcher Bedingung es waͤre. Alles waͤre mir ja recht, wenn sie nur mein Weib werden wollte, sie moͤchte ja so frei leben, wie es ihr beliebte. Sie hat Gluͤckseligkeit fuͤr viele, und ich waͤre ja doch in ihrem Arm immer der seligste Schwelger. Dem Perikles war Aspasia immer<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [107/0107]
ist eine eigene Sache um die Trennung. Sie macht uns weicher und empfindlicher, und das, was von uns sich trennt, heiliger, werther, und so ist die Trennung freilich der groͤßte Schmerz, — vielleicht der einzige in der Natur.
Als ich sie und ihre Mutter an den Wagen begleitete, da drehte sie sich noch einmal um und sagte: Adieu, lieber Herr Weiler, leben Sie unterdessen recht wohl! Auf das recht legt sie denn allemal so einen ganz besondern Akzent, auch wenn sie sagt: schlaf recht wohl, — es liegt in ihrem Ausdruck so eine gewisse biedere Herzlichkeit, die ihr Lebewohl! und ihre Gute Nacht! uͤber die konventionelle Abschiedsformel erhebt, — daß es ist, als haͤtte sie einem etwas aus ihren Herzen gegeben, einen Segen worauf man hafften koͤnne.
Nun hab' ich weder Ruh noch Rast, und moͤcht' ihr nach. Mir ist als wenn da nur Leben und Freude seyn koͤnne, wo sie weilt.
Ach es ist doch ein herrliches trefliches Maͤdchen! Warum? warum? — Ach das ist mir das sicherste Pfand, daß ich keine Gluͤckseligkeit hienieden schmecken soll. Jch wollte ja der Jhrige seyn, unter welcher Bedingung es waͤre. Alles waͤre mir ja recht, wenn sie nur mein Weib werden wollte, sie moͤchte ja so frei leben, wie es ihr beliebte. Sie hat Gluͤckseligkeit fuͤr viele, und ich waͤre ja doch in ihrem Arm immer der seligste Schwelger. Dem Perikles war Aspasia immer
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 2. Berlin, 1793, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01002_1793/107>, abgerufen am 16.02.2025. |