Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 1. Berlin, 1793.

Bild:
<< vorherige Seite


Nein! Nein! -- Sie in den Arm nehmen möcht' ich, und mich aufschwingen -- ewig hoch! und dann -- o meine Wünsche können nicht sagen, was all ich möchte. Evan! Evoe! -- Ha ich hör' ihn daher schallen durch den Forst den mächtigen Jubel! Kraft und Wollust und Rausch! -- Sie taumeln daher, sie stürmen daher! Allüberschwenglich reißts mich hin! Jch muß, ich muß unter sie! Jch muß hier sterben, von ihren Thyrsusstäben hingemartert -- Ha süß, süß! --


Nein, es ist nicht wahr! Nichts ist wahrhaftig geschehen. Mich hatte der Wein umnebelt, und meine Fantasie schwamm in seeligem Rosenlichte. Sie -- mein? -- Das hat sie nicht gesagt, aber fühl' ich ihre Küsse nicht noch? durft' ich sie nicht fest an meine Brust drücken? Nannte sie mich nicht Du, und reichte mir den Becher auf Du und Du? -- Hätte mir denn Ein Tag alles alles wiedergegeben? Sie! -- O ihr himmlischen Mächte! wenn es nicht wahr wäre, wenn ich sie wieder verlöre, dann, ihr, die ihr so unbegreifliches Spiel mit mir treibt, mich bald hinab stoßt in die Hölle der Verzweiflung, bald wieder mit himmlischem Aether meine Schläfe kühlt, dann ist es Wink von euch nicht zum Drittenmale das Leben anzufangen, dann muß ich fort! Sie! o wäre es möglich? wollt ihr


Nein! Nein! — Sie in den Arm nehmen moͤcht' ich, und mich aufschwingen — ewig hoch! und dann — o meine Wuͤnsche koͤnnen nicht sagen, was all ich moͤchte. Evan! Evoe! — Ha ich hoͤr' ihn daher schallen durch den Forst den maͤchtigen Jubel! Kraft und Wollust und Rausch! — Sie taumeln daher, sie stuͤrmen daher! Alluͤberschwenglich reißts mich hin! Jch muß, ich muß unter sie! Jch muß hier sterben, von ihren Thyrsusstaͤben hingemartert — Ha suͤß, suͤß! —


Nein, es ist nicht wahr! Nichts ist wahrhaftig geschehen. Mich hatte der Wein umnebelt, und meine Fantasie schwamm in seeligem Rosenlichte. Sie — mein? — Das hat sie nicht gesagt, aber fuͤhl' ich ihre Kuͤsse nicht noch? durft' ich sie nicht fest an meine Brust druͤcken? Nannte sie mich nicht Du, und reichte mir den Becher auf Du und Du? — Haͤtte mir denn Ein Tag alles alles wiedergegeben? Sie! — O ihr himmlischen Maͤchte! wenn es nicht wahr waͤre, wenn ich sie wieder verloͤre, dann, ihr, die ihr so unbegreifliches Spiel mit mir treibt, mich bald hinab stoßt in die Hoͤlle der Verzweiflung, bald wieder mit himmlischem Aether meine Schlaͤfe kuͤhlt, dann ist es Wink von euch nicht zum Drittenmale das Leben anzufangen, dann muß ich fort! Sie! o waͤre es moͤglich? wollt ihr

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0098" n="96"/><lb/>
Nein! Nein! &#x2014; Sie in den Arm                         nehmen mo&#x0364;cht' ich, und mich aufschwingen &#x2014; ewig hoch! und dann &#x2014; o meine                         Wu&#x0364;nsche ko&#x0364;nnen nicht sagen, was all ich mo&#x0364;chte. <hi rendition="#b">Evan!                             Evoe!</hi> &#x2014; Ha ich ho&#x0364;r' ihn daher schallen durch den Forst den                         ma&#x0364;chtigen Jubel! Kraft und Wollust und Rausch! &#x2014; Sie taumeln daher, sie                         stu&#x0364;rmen daher! Allu&#x0364;berschwenglich reißts mich hin! Jch muß, ich muß unter                         sie! Jch muß hier sterben, von ihren Thyrsussta&#x0364;ben hingemartert &#x2014; Ha su&#x0364;ß,                         su&#x0364;ß! &#x2014; </p>
          </div>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <div n="3">
            <opener>
              <dateline> <hi rendition="#right">am 16ten May.</hi> </dateline>
            </opener>
            <p>Nein, es ist nicht wahr! Nichts ist wahrhaftig geschehen.                         Mich hatte der Wein umnebelt, und meine Fantasie schwamm in seeligem                         Rosenlichte. Sie &#x2014; mein? &#x2014; Das hat sie nicht gesagt, aber fu&#x0364;hl' ich ihre                         Ku&#x0364;sse nicht noch? durft' ich sie nicht fest an meine Brust dru&#x0364;cken? Nannte                         sie mich nicht Du, und reichte mir den Becher auf Du und Du? &#x2014; Ha&#x0364;tte mir                         denn Ein Tag alles alles wiedergegeben? Sie! &#x2014; O ihr himmlischen Ma&#x0364;chte!                         wenn es nicht wahr wa&#x0364;re, wenn ich sie wieder verlo&#x0364;re, dann, ihr, die ihr so                         unbegreifliches Spiel mit mir treibt, mich bald hinab stoßt in die Ho&#x0364;lle der                         Verzweiflung, bald wieder mit himmlischem Aether meine Schla&#x0364;fe ku&#x0364;hlt, dann                         ist es Wink von euch nicht zum Drittenmale das Leben anzufangen, dann muß                         ich fort! Sie! o wa&#x0364;re es mo&#x0364;glich? wollt ihr<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[96/0098] Nein! Nein! — Sie in den Arm nehmen moͤcht' ich, und mich aufschwingen — ewig hoch! und dann — o meine Wuͤnsche koͤnnen nicht sagen, was all ich moͤchte. Evan! Evoe! — Ha ich hoͤr' ihn daher schallen durch den Forst den maͤchtigen Jubel! Kraft und Wollust und Rausch! — Sie taumeln daher, sie stuͤrmen daher! Alluͤberschwenglich reißts mich hin! Jch muß, ich muß unter sie! Jch muß hier sterben, von ihren Thyrsusstaͤben hingemartert — Ha suͤß, suͤß! — am 16ten May. Nein, es ist nicht wahr! Nichts ist wahrhaftig geschehen. Mich hatte der Wein umnebelt, und meine Fantasie schwamm in seeligem Rosenlichte. Sie — mein? — Das hat sie nicht gesagt, aber fuͤhl' ich ihre Kuͤsse nicht noch? durft' ich sie nicht fest an meine Brust druͤcken? Nannte sie mich nicht Du, und reichte mir den Becher auf Du und Du? — Haͤtte mir denn Ein Tag alles alles wiedergegeben? Sie! — O ihr himmlischen Maͤchte! wenn es nicht wahr waͤre, wenn ich sie wieder verloͤre, dann, ihr, die ihr so unbegreifliches Spiel mit mir treibt, mich bald hinab stoßt in die Hoͤlle der Verzweiflung, bald wieder mit himmlischem Aether meine Schlaͤfe kuͤhlt, dann ist es Wink von euch nicht zum Drittenmale das Leben anzufangen, dann muß ich fort! Sie! o waͤre es moͤglich? wollt ihr

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, University of Glasgow, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01001_1793
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01001_1793/98
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 1. Berlin, 1793, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01001_1793/98>, abgerufen am 22.11.2024.