Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 1. Berlin, 1793.
Man sieht hieraus, wie die Einbildung die Empfindungen zu modifiziren im Stande ist. Seite 23. Ein ähnliches Beispiel, wo der Eine Mensch träumt, von dem, was zur selben Zeit mit einem andern vorgeht, weiß ich aus meiner eignen Erfahrung. Jm Jahre .... war ich Hofmeister bei einem Pächter in P. bei dem ich sowohl wegen der damaligen Hungersnoth in P. als besonders wegen des armseeligen Zustandes dieses Mannes und der Ungelehrigkeit meiner Schüler, viel auszustehn hatte. Dazu kam noch einst, daß ich einige Tage nach einander ausserordentliche Zahnschmerzen leiden mußte. Jn diesem Zustand der Betrübniß und *)Schechina ist nach dem kabbalistischen Antropomorfismo, die weibliche Gottheit, die die Seelen der Frommen gebiert, und nach ihrer Trennung von ihren Körpern wieder aufnimmt, welches dieser Meinung zufolge auch bei lebendigem Leibe im Schlafe zu geschehn pflegt.
Man sieht hieraus, wie die Einbildung die Empfindungen zu modifiziren im Stande ist. Seite 23. Ein aͤhnliches Beispiel, wo der Eine Mensch traͤumt, von dem, was zur selben Zeit mit einem andern vorgeht, weiß ich aus meiner eignen Erfahrung. Jm Jahre .... war ich Hofmeister bei einem Paͤchter in P. bei dem ich sowohl wegen der damaligen Hungersnoth in P. als besonders wegen des armseeligen Zustandes dieses Mannes und der Ungelehrigkeit meiner Schuͤler, viel auszustehn hatte. Dazu kam noch einst, daß ich einige Tage nach einander ausserordentliche Zahnschmerzen leiden mußte. Jn diesem Zustand der Betruͤbniß und *)Schechina ist nach dem kabbalistischen Antropomorfismo, die weibliche Gottheit, die die Seelen der Frommen gebiert, und nach ihrer Trennung von ihren Koͤrpern wieder aufnimmt, welches dieser Meinung zufolge auch bei lebendigem Leibe im Schlafe zu geschehn pflegt.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0009" n="7"/><lb/> kuͤhrlich in eben diese Lage gerieth, worauf ich im Traume sahe, die <hi rendition="#b">Schechina*)</hi><note place="foot"><p>*)<hi rendition="#b">Schechina</hi> ist nach dem kabbalistischen Antropomorfismo, die weibliche Gottheit, die die Seelen der Frommen gebiert, und nach ihrer Trennung von ihren Koͤrpern <choice><corr>wieder</corr><sic>weder</sic></choice> aufnimmt, welches dieser Meinung zufolge auch bei lebendigem Leibe im Schlafe zu geschehn pflegt.</p></note> als eine sanfte liebreiche Frauensperson sich mir naͤhern und mich auf eine Art die Liebe und Ehrfurcht einfloͤßt, holdseelig umarmen, so daß, nachdem ich den Unterschied zwischen der Vorerwaͤhnten und dieser Umarmung eingesehn, ich mir dieselbe ohne alles Dawiderstraͤuben gefallen ließ.</p> <p>Man sieht hieraus, wie die Einbildung <hi rendition="#b">die Empfindungen zu modifiziren</hi> im Stande ist.</p> <p>Seite 23. Ein aͤhnliches Beispiel, wo der Eine Mensch <choice><corr>traͤumt,</corr><sic>traumt,</sic></choice> von dem, was zur selben Zeit mit einem andern vorgeht, weiß ich aus meiner eignen Erfahrung.</p> <p>Jm Jahre .... war ich Hofmeister bei einem Paͤchter in <hi rendition="#b">P.</hi> bei dem ich sowohl wegen der damaligen Hungersnoth in <hi rendition="#b">P.</hi> als besonders wegen des armseeligen Zustandes dieses Mannes und der Ungelehrigkeit meiner Schuͤler, viel auszustehn hatte. Dazu kam noch einst, daß ich einige Tage nach einander ausserordentliche Zahnschmerzen leiden mußte. Jn diesem Zustand der Betruͤbniß und<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [7/0009]
kuͤhrlich in eben diese Lage gerieth, worauf ich im Traume sahe, die Schechina*) als eine sanfte liebreiche Frauensperson sich mir naͤhern und mich auf eine Art die Liebe und Ehrfurcht einfloͤßt, holdseelig umarmen, so daß, nachdem ich den Unterschied zwischen der Vorerwaͤhnten und dieser Umarmung eingesehn, ich mir dieselbe ohne alles Dawiderstraͤuben gefallen ließ.
Man sieht hieraus, wie die Einbildung die Empfindungen zu modifiziren im Stande ist.
Seite 23. Ein aͤhnliches Beispiel, wo der Eine Mensch traͤumt, von dem, was zur selben Zeit mit einem andern vorgeht, weiß ich aus meiner eignen Erfahrung.
Jm Jahre .... war ich Hofmeister bei einem Paͤchter in P. bei dem ich sowohl wegen der damaligen Hungersnoth in P. als besonders wegen des armseeligen Zustandes dieses Mannes und der Ungelehrigkeit meiner Schuͤler, viel auszustehn hatte. Dazu kam noch einst, daß ich einige Tage nach einander ausserordentliche Zahnschmerzen leiden mußte. Jn diesem Zustand der Betruͤbniß und
*)Schechina ist nach dem kabbalistischen Antropomorfismo, die weibliche Gottheit, die die Seelen der Frommen gebiert, und nach ihrer Trennung von ihren Koͤrpern wieder aufnimmt, welches dieser Meinung zufolge auch bei lebendigem Leibe im Schlafe zu geschehn pflegt.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01001_1793 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01001_1793/9 |
Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 1. Berlin, 1793, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01001_1793/9>, abgerufen am 16.02.2025. |