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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 1. Berlin, 1793.

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Aber wie kam mir vorhin das Wort Trauern? Jch glaubte, das stünde längst nicht mehr in meinem Wörterbuche. Und doch was war das, wie ich so allein wieder zurückgieng, an dem Fluß her? Die Nacht war in der That schön, das hab' ich -- empfunden? Nein! Schönheit empfinden soll ja eben Wonne seyn, und wie käm Wonne in meine Brust? Aber ich weiß es doch, daß sie schön war. Wie der Mond über dem stillen Wald schwebte, und in die Ebene und auf den Fluß Silber goß und alles so still war, und ich denn in die dunkele Allee kam -- ich allein nur mich hörte in meinem dunkeln Leben dahin tappen! -- Ja einst hätt' ich hier getrauert, als ich noch so hängen konnte an Bildern des Leidens, sie geistig umarmen und meine Brüder nennen, und mir so Lieben und Freunde machen unter den Geistern meiner Fantasie, und mit ihnen, sanften Stolzes, aus feuchtem Auge lächeln der Menschen Mühe und des Menschen Standes. Aber jetzt -- hab' ich meine gute Engel alle von mir gescheucht, bin nun ganz allein -- verlassen! -- Ja! das ist das Wort! So ist mirs wie verlassen.

Mein Gott, warum hast du mich verlassen? -- Wort des bittersten Schmerzes, nicht der Trauer! Wort der Pein! Wenn gräßliche Kälte, Leere, ewiges endloses Nichts dies arme Jch quälen, das wahrlich etwas bedarf, um sich ertragen zu können. Ja! ich bin verlassen! Kein Engel gesellt sich mehr zu mir und gießt aus seinem himmlischen Füllhorn,


Aber wie kam mir vorhin das Wort Trauern? Jch glaubte, das stuͤnde laͤngst nicht mehr in meinem Woͤrterbuche. Und doch was war das, wie ich so allein wieder zuruͤckgieng, an dem Fluß her? Die Nacht war in der That schoͤn, das hab' ich — empfunden? Nein! Schoͤnheit empfinden soll ja eben Wonne seyn, und wie kaͤm Wonne in meine Brust? Aber ich weiß es doch, daß sie schoͤn war. Wie der Mond uͤber dem stillen Wald schwebte, und in die Ebene und auf den Fluß Silber goß und alles so still war, und ich denn in die dunkele Allee kam — ich allein nur mich hoͤrte in meinem dunkeln Leben dahin tappen! — Ja einst haͤtt' ich hier getrauert, als ich noch so haͤngen konnte an Bildern des Leidens, sie geistig umarmen und meine Bruͤder nennen, und mir so Lieben und Freunde machen unter den Geistern meiner Fantasie, und mit ihnen, sanften Stolzes, aus feuchtem Auge laͤcheln der Menschen Muͤhe und des Menschen Standes. Aber jetzt — hab' ich meine gute Engel alle von mir gescheucht, bin nun ganz allein — verlassen! — Ja! das ist das Wort! So ist mirs wie verlassen.

Mein Gott, warum hast du mich verlassen? — Wort des bittersten Schmerzes, nicht der Trauer! Wort der Pein! Wenn graͤßliche Kaͤlte, Leere, ewiges endloses Nichts dies arme Jch quaͤlen, das wahrlich etwas bedarf, um sich ertragen zu koͤnnen. Ja! ich bin verlassen! Kein Engel gesellt sich mehr zu mir und gießt aus seinem himmlischen Fuͤllhorn,

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[74/0076] Aber wie kam mir vorhin das Wort Trauern? Jch glaubte, das stuͤnde laͤngst nicht mehr in meinem Woͤrterbuche. Und doch was war das, wie ich so allein wieder zuruͤckgieng, an dem Fluß her? Die Nacht war in der That schoͤn, das hab' ich — empfunden? Nein! Schoͤnheit empfinden soll ja eben Wonne seyn, und wie kaͤm Wonne in meine Brust? Aber ich weiß es doch, daß sie schoͤn war. Wie der Mond uͤber dem stillen Wald schwebte, und in die Ebene und auf den Fluß Silber goß und alles so still war, und ich denn in die dunkele Allee kam — ich allein nur mich hoͤrte in meinem dunkeln Leben dahin tappen! — Ja einst haͤtt' ich hier getrauert, als ich noch so haͤngen konnte an Bildern des Leidens, sie geistig umarmen und meine Bruͤder nennen, und mir so Lieben und Freunde machen unter den Geistern meiner Fantasie, und mit ihnen, sanften Stolzes, aus feuchtem Auge laͤcheln der Menschen Muͤhe und des Menschen Standes. Aber jetzt — hab' ich meine gute Engel alle von mir gescheucht, bin nun ganz allein — verlassen! — Ja! das ist das Wort! So ist mirs wie verlassen. Mein Gott, warum hast du mich verlassen? — Wort des bittersten Schmerzes, nicht der Trauer! Wort der Pein! Wenn graͤßliche Kaͤlte, Leere, ewiges endloses Nichts dies arme Jch quaͤlen, das wahrlich etwas bedarf, um sich ertragen zu koͤnnen. Ja! ich bin verlassen! Kein Engel gesellt sich mehr zu mir und gießt aus seinem himmlischen Fuͤllhorn,

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Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 1. Berlin, 1793, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01001_1793/76>, abgerufen am 24.11.2024.