Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 1. Berlin, 1793.Jch füge hier noch einen von ihm während seines Arrests geschriebenen Aufsatz und einige Stellen aus einem weitläuftigen Gedicht bey, das er, seiner Angabe nach, während seines Herumschwärmens verfertigt hat. Man wird darinn die düstre mitternächtliche Seelenstimmung bemerken, die diesen Unglücklichen, der nicht ganz ohne Kopf zu seyn scheint, peinigte: Dem prosaischen Aufsatze, betitelt: Die letzten Tage meines Erdenlebens Nicht ein einem Lebenslaufe ähnlicher Aufsatz, sondern beschriebenes Ende meines Schicksals hat er das Motto vorgesetzt: für die Wahrheit ist vieler Edlen Blut geflossen. "Den 17. Oktober 1789. reißte ich ziemlich bewegt von Nordhausen nach Jlefeld, dem Harz, als bestimmtem Orte meiner lezten Tage entgegen. Hoffnung nach Elbingerode gerufen zu werden, äußerte sich in meinem Herzen so wenig, als ichs selbst wünschte. Mit einem verderbten Körper war mir mein Leben auch in Leipzig, wo (ich gesteh es) die Liebe zum Leben sehr geweckt wird, lästig. Vielmehr war mir der Ort, wo ich so viel gelitten, wenn nicht verhaßt doch gleichgültig. Bei Jlefeld dacht' ich an jene reitzvollen seelig verlebten Tage meiner unschuldigen Jugend zurück, und Jch fuͤge hier noch einen von ihm waͤhrend seines Arrests geschriebenen Aufsatz und einige Stellen aus einem weitlaͤuftigen Gedicht bey, das er, seiner Angabe nach, waͤhrend seines Herumschwaͤrmens verfertigt hat. Man wird darinn die duͤstre mitternaͤchtliche Seelenstimmung bemerken, die diesen Ungluͤcklichen, der nicht ganz ohne Kopf zu seyn scheint, peinigte: Dem prosaischen Aufsatze, betitelt: Die letzten Tage meines Erdenlebens Nicht ein einem Lebenslaufe aͤhnlicher Aufsatz, sondern beschriebenes Ende meines Schicksals hat er das Motto vorgesetzt: fuͤr die Wahrheit ist vieler Edlen Blut geflossen. »Den 17. Oktober 1789. reißte ich ziemlich bewegt von Nordhausen nach Jlefeld, dem Harz, als bestimmtem Orte meiner lezten Tage entgegen. Hoffnung nach Elbingerode gerufen zu werden, aͤußerte sich in meinem Herzen so wenig, als ichs selbst wuͤnschte. Mit einem verderbten Koͤrper war mir mein Leben auch in Leipzig, wo (ich gesteh es) die Liebe zum Leben sehr geweckt wird, laͤstig. Vielmehr war mir der Ort, wo ich so viel gelitten, wenn nicht verhaßt doch gleichguͤltig. Bei Jlefeld dacht' ich an jene reitzvollen seelig verlebten Tage meiner unschuldigen Jugend zuruͤck, und <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0061" n="59"/><lb/> <p>Jch fuͤge hier noch einen von ihm waͤhrend seines Arrests geschriebenen Aufsatz und einige Stellen aus einem weitlaͤuftigen Gedicht bey, das er, seiner Angabe nach, waͤhrend seines Herumschwaͤrmens verfertigt hat. Man wird darinn die duͤstre mitternaͤchtliche Seelenstimmung bemerken, die diesen Ungluͤcklichen, der nicht ganz ohne Kopf zu seyn scheint, peinigte:</p> <p>Dem prosaischen Aufsatze, betitelt:</p> <div n="3"> <head><hi rendition="#b">Die letzten Tage meines Erdenlebens</hi> Nicht ein einem Lebenslaufe aͤhnlicher Aufsatz, sondern beschriebenes Ende meines Schicksals</head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <p>hat er das Motto vorgesetzt: <hi rendition="#b">fuͤr die Wahrheit ist vieler Edlen Blut geflossen.</hi> </p> <p>»Den 17. Oktober 1789. reißte ich ziemlich bewegt von Nordhausen nach Jlefeld, dem Harz, als bestimmtem Orte meiner lezten Tage entgegen. Hoffnung nach Elbingerode gerufen zu werden, aͤußerte sich in meinem Herzen so wenig, als ichs selbst wuͤnschte. Mit einem verderbten Koͤrper war mir mein Leben auch in Leipzig, wo (ich gesteh es) die Liebe zum Leben sehr geweckt wird, laͤstig. Vielmehr war mir der Ort, wo ich so viel gelitten, wenn nicht verhaßt doch gleichguͤltig. Bei Jlefeld dacht' ich an jene reitzvollen seelig verlebten Tage meiner unschuldigen Jugend zuruͤck, und<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [59/0061]
Jch fuͤge hier noch einen von ihm waͤhrend seines Arrests geschriebenen Aufsatz und einige Stellen aus einem weitlaͤuftigen Gedicht bey, das er, seiner Angabe nach, waͤhrend seines Herumschwaͤrmens verfertigt hat. Man wird darinn die duͤstre mitternaͤchtliche Seelenstimmung bemerken, die diesen Ungluͤcklichen, der nicht ganz ohne Kopf zu seyn scheint, peinigte:
Dem prosaischen Aufsatze, betitelt:
Die letzten Tage meines Erdenlebens Nicht ein einem Lebenslaufe aͤhnlicher Aufsatz, sondern beschriebenes Ende meines Schicksals
hat er das Motto vorgesetzt: fuͤr die Wahrheit ist vieler Edlen Blut geflossen.
»Den 17. Oktober 1789. reißte ich ziemlich bewegt von Nordhausen nach Jlefeld, dem Harz, als bestimmtem Orte meiner lezten Tage entgegen. Hoffnung nach Elbingerode gerufen zu werden, aͤußerte sich in meinem Herzen so wenig, als ichs selbst wuͤnschte. Mit einem verderbten Koͤrper war mir mein Leben auch in Leipzig, wo (ich gesteh es) die Liebe zum Leben sehr geweckt wird, laͤstig. Vielmehr war mir der Ort, wo ich so viel gelitten, wenn nicht verhaßt doch gleichguͤltig. Bei Jlefeld dacht' ich an jene reitzvollen seelig verlebten Tage meiner unschuldigen Jugend zuruͤck, und
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 1. Berlin, 1793, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01001_1793/61>, abgerufen am 17.07.2024. |