Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 1. Berlin, 1793.
"So sagen wir auch nicht ohne Grund: es schläfert mich, aber nicht es schläft mich, sondern ich schlafe." Ganz richtig! Schläfern bedeutet die Wirkung einer äussern (von unsrer Willkühr unabhängigen) Ursache, die, wenn man sich ihr nicht widersetzt, das Schlafen hervorbringen wird; man kann sich aber bloß in Ansehung ihres Erfolgs (des Schlafens) durch eine Entgegenwirkung, nicht in Ansehung ihrer selbst widersetzen. Das Schlafen also, nicht aber das Schläfern hängt von unserm Willen ab. Genauer zu reden, so ist das Schläfern die Wirkung (operatio) einer äußern Ursache, wovon das Gewirkte (opus) nicht das Schlafen, sondern das Einschlafen ist. Das Schlafen ist bloß ein auf diese Wirkung erfolgter Zustand, man sagt daher mit Grund es schläfert mich, d.h., etwas wirkt auf mich das Einschlafen und ich schlafe, welches so viel ist als ich bin schlafend, d.h., die hervorgebrachte Modifikazion des Schla-
»So sagen wir auch nicht ohne Grund: es schlaͤfert mich, aber nicht es schlaͤft mich, sondern ich schlafe.« Ganz richtig! Schlaͤfern bedeutet die Wirkung einer aͤussern (von unsrer Willkuͤhr unabhaͤngigen) Ursache, die, wenn man sich ihr nicht widersetzt, das Schlafen hervorbringen wird; man kann sich aber bloß in Ansehung ihres Erfolgs (des Schlafens) durch eine Entgegenwirkung, nicht in Ansehung ihrer selbst widersetzen. Das Schlafen also, nicht aber das Schlaͤfern haͤngt von unserm Willen ab. Genauer zu reden, so ist das Schlaͤfern die Wirkung (operatio) einer aͤußern Ursache, wovon das Gewirkte (opus) nicht das Schlafen, sondern das Einschlafen ist. Das Schlafen ist bloß ein auf diese Wirkung erfolgter Zustand, man sagt daher mit Grund es schlaͤfert mich, d.h., etwas wirkt auf mich das Einschlafen und ich schlafe, welches so viel ist als ich bin schlafend, d.h., die hervorgebrachte Modifikazion des Schla- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0017" n="15"/><lb/> heit in Ansehung des Gegenstandes selbst ist. Er kann aber nicht sagen: es scheint mir, daß ein unendlich vollkommenes Wesen die Welt regiere, sondern ich glaube u.s.w. Weil, weder der Begriff eines unendlich vollkommenen Wesens <hi rendition="#b">an sich,</hi> noch der Weltregierung <hi rendition="#b">an sich</hi> eine Ungewißheit zulaͤßt, sondern bloß <hi rendition="#b">ihr Verhaͤltniß zu einander.</hi> </p> <p>»So sagen wir auch nicht ohne Grund: <hi rendition="#b">es schlaͤfert mich,</hi> aber nicht <hi rendition="#b">es schlaͤft mich,</hi> sondern <hi rendition="#b">ich schlafe.«</hi> </p> <p>Ganz richtig! Schlaͤfern bedeutet die Wirkung einer aͤussern (von unsrer Willkuͤhr unabhaͤngigen) Ursache, die, wenn man sich ihr nicht widersetzt, das Schlafen hervorbringen wird; man kann sich aber bloß in Ansehung ihres Erfolgs (des Schlafens) durch eine Entgegenwirkung, nicht in Ansehung ihrer selbst widersetzen.</p> <p>Das <hi rendition="#b">Schlafen</hi> also, nicht aber das <hi rendition="#b">Schlaͤfern</hi> haͤngt von unserm Willen ab.</p> <p>Genauer zu reden, so ist das Schlaͤfern die Wirkung <hi rendition="#b">(operatio)</hi> einer aͤußern Ursache, wovon das Gewirkte <hi rendition="#b">(opus)</hi> nicht das <hi rendition="#b">Schlafen,</hi> sondern das <hi rendition="#b">Einschlafen</hi> ist. Das Schlafen ist bloß ein auf diese Wirkung erfolgter <hi rendition="#b">Zustand,</hi> man sagt daher mit Grund <hi rendition="#b">es schlaͤfert mich,</hi> d.h., etwas wirkt auf mich das <hi rendition="#b">Einschlafen</hi> und <hi rendition="#b">ich schlafe,</hi> welches so viel ist als <hi rendition="#b">ich bin schlafend,</hi> d.h., die hervorgebrachte Modifikazion des Schla-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [15/0017]
heit in Ansehung des Gegenstandes selbst ist. Er kann aber nicht sagen: es scheint mir, daß ein unendlich vollkommenes Wesen die Welt regiere, sondern ich glaube u.s.w. Weil, weder der Begriff eines unendlich vollkommenen Wesens an sich, noch der Weltregierung an sich eine Ungewißheit zulaͤßt, sondern bloß ihr Verhaͤltniß zu einander.
»So sagen wir auch nicht ohne Grund: es schlaͤfert mich, aber nicht es schlaͤft mich, sondern ich schlafe.«
Ganz richtig! Schlaͤfern bedeutet die Wirkung einer aͤussern (von unsrer Willkuͤhr unabhaͤngigen) Ursache, die, wenn man sich ihr nicht widersetzt, das Schlafen hervorbringen wird; man kann sich aber bloß in Ansehung ihres Erfolgs (des Schlafens) durch eine Entgegenwirkung, nicht in Ansehung ihrer selbst widersetzen.
Das Schlafen also, nicht aber das Schlaͤfern haͤngt von unserm Willen ab.
Genauer zu reden, so ist das Schlaͤfern die Wirkung (operatio) einer aͤußern Ursache, wovon das Gewirkte (opus) nicht das Schlafen, sondern das Einschlafen ist. Das Schlafen ist bloß ein auf diese Wirkung erfolgter Zustand, man sagt daher mit Grund es schlaͤfert mich, d.h., etwas wirkt auf mich das Einschlafen und ich schlafe, welches so viel ist als ich bin schlafend, d.h., die hervorgebrachte Modifikazion des Schla-
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 1. Berlin, 1793, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01001_1793/17>, abgerufen am 27.07.2024. |