Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 1. Berlin, 1793.
"Nach dem Aufwachen urtheilt man dieser Erklärung zufolge, durch Erinnerung der Ununterbrechung der Jdeenreihe, daß sie blos subjektiv, nicht wirklich ist." Wo habe ich dieses gesagt? "Aber wo ist hier Täuschung? Hat man sie denn im Traume für objektiv gehalten? Das kann nicht seyn, da man in ihr (soll vermuthlich heißen in ihm) keine Unterbrechung, die nach dem Verfasser Merkmal der Objektivität ist, wahrgenommen hatte." Warum? Da das Bewußtseyn im Traum von unsrem Jdeengange sehr unvollkommen ist, so hat man diesen Jdeengang für unterbrochen gehalten, und daher geglaubt eine äußre Wirklichkeit wahrzunehmen. "Meiner Erklärung zufolge (im 9ten Bandes 1ten Stück S. 2.) beruht das Urtheil von der Ob-
»Nach dem Aufwachen urtheilt man dieser Erklaͤrung zufolge, durch Erinnerung der Ununterbrechung der Jdeenreihe, daß sie blos subjektiv, nicht wirklich ist.« Wo habe ich dieses gesagt? »Aber wo ist hier Taͤuschung? Hat man sie denn im Traume fuͤr objektiv gehalten? Das kann nicht seyn, da man in ihr (soll vermuthlich heißen in ihm) keine Unterbrechung, die nach dem Verfasser Merkmal der Objektivitaͤt ist, wahrgenommen hatte.« Warum? Da das Bewußtseyn im Traum von unsrem Jdeengange sehr unvollkommen ist, so hat man diesen Jdeengang fuͤr unterbrochen gehalten, und daher geglaubt eine aͤußre Wirklichkeit wahrzunehmen. »Meiner Erklaͤrung zufolge (im 9ten Bandes 1ten Stuͤck S. 2.) beruht das Urtheil von der Ob- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0115" n="113"/><lb/> kraft im Traume als blos uͤberspringend voraus, und es ist wahr, daß sie es manchmahl darinn ist, und daß wir alsdann uͤber die Wirklichkeit der Gegenstaͤnde gar nicht urtheilen; die Seele geraͤth, wie <persName ref="#ref0003"><note type="editorial">Maimon, Salomon</note>H. M.</persName> <hi rendition="#b">unter dieser Bedingung</hi> richtig sagt, gaͤnzlich außer sich, und erkennt, wie ich noch hinzusetze nicht einmal einen Gegenstand; allein die Einbildungskraft ist zuweilen auch uͤberspringend und weilend, wie im Zorne, und zuweilen blos weilend, wie in der Traurigkeit. Jm Traume finden auch diese Zustaͤnde der Einbildungskraft oft statt; und nur alsdann erkennen wir im Traume einen Gegenstand; ja nur alsdann ist darin eine Taͤuschung moͤglich.</p> <p>»Nach dem Aufwachen urtheilt man dieser Erklaͤrung zufolge, durch Erinnerung der Ununterbrechung der Jdeenreihe, daß sie blos subjektiv, nicht wirklich ist.« Wo habe ich dieses gesagt?</p> <p>»Aber wo ist hier Taͤuschung? Hat man sie denn im Traume fuͤr objektiv gehalten? Das kann nicht seyn, da man in ihr (soll vermuthlich heißen in ihm) keine Unterbrechung, die nach dem Verfasser Merkmal der Objektivitaͤt ist, wahrgenommen hatte.«</p> <p>Warum? Da das Bewußtseyn im Traum von unsrem Jdeengange sehr unvollkommen ist, so hat man diesen Jdeengang fuͤr unterbrochen gehalten, und daher geglaubt eine aͤußre Wirklichkeit wahrzunehmen.</p> <p>»Meiner Erklaͤrung zufolge (im 9ten Bandes 1ten Stuͤck S. 2.) beruht das Urtheil von der Ob-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [113/0115]
kraft im Traume als blos uͤberspringend voraus, und es ist wahr, daß sie es manchmahl darinn ist, und daß wir alsdann uͤber die Wirklichkeit der Gegenstaͤnde gar nicht urtheilen; die Seele geraͤth, wie H. M. unter dieser Bedingung richtig sagt, gaͤnzlich außer sich, und erkennt, wie ich noch hinzusetze nicht einmal einen Gegenstand; allein die Einbildungskraft ist zuweilen auch uͤberspringend und weilend, wie im Zorne, und zuweilen blos weilend, wie in der Traurigkeit. Jm Traume finden auch diese Zustaͤnde der Einbildungskraft oft statt; und nur alsdann erkennen wir im Traume einen Gegenstand; ja nur alsdann ist darin eine Taͤuschung moͤglich.
»Nach dem Aufwachen urtheilt man dieser Erklaͤrung zufolge, durch Erinnerung der Ununterbrechung der Jdeenreihe, daß sie blos subjektiv, nicht wirklich ist.« Wo habe ich dieses gesagt?
»Aber wo ist hier Taͤuschung? Hat man sie denn im Traume fuͤr objektiv gehalten? Das kann nicht seyn, da man in ihr (soll vermuthlich heißen in ihm) keine Unterbrechung, die nach dem Verfasser Merkmal der Objektivitaͤt ist, wahrgenommen hatte.«
Warum? Da das Bewußtseyn im Traum von unsrem Jdeengange sehr unvollkommen ist, so hat man diesen Jdeengang fuͤr unterbrochen gehalten, und daher geglaubt eine aͤußre Wirklichkeit wahrzunehmen.
»Meiner Erklaͤrung zufolge (im 9ten Bandes 1ten Stuͤck S. 2.) beruht das Urtheil von der Ob-
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 1. Berlin, 1793, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01001_1793/115>, abgerufen am 16.02.2025. |