Morhof, Daniel Georg: Unterricht Von Der Teutschen Sprache und Poesie. Kiel, 1682.Helden-Getichten. die Erfindung nicht so sehr in dem argu-mento, als in der Außtheilung/ und Auß- führung des Wercks/ oder vielmehr in Imitatione, da dieselbe in allen Stücken zu spühren/ und am allermeisten in die Augen leuchtet. Wer wolte deßhalben einen Baumeister geringer halten/ daß er ein altes unförmliches Gebanude über einen Hauffen wirfft/ und auß denselben materialien einen neuen viel herrlichern Pallast auffführet? Die Italiäner kön- nen sich ihres Torquati Tassi rühmen/ der gleichfalls eine bekante Helden Histo- rie zu seinem Getichte genommen/ und so herrlich außgeführet/ daß es billig für ein Meisterstücke zu halten. Es kan hier- über Francisc. Patrit. della Poetica part. 3. lib. 8. nachgelesen werden/ wo er die Fra- ge erörtert; ob man aus einer Historia ein Poema machen könne. Bey den Frantzosen/ ob zwar viele dergleichen vorgehabt/ auch dessen Proben gethan/ so ist man doch noch nicht zu einer Vol- lenkommenheit gekommen/ da doch vor- neh-
Helden-Getichten. die Erfindung nicht ſo ſehr in dem argu-mento, als in der Außtheilung/ und Auß- fuͤhrung des Wercks/ oder vielmehr in Imitatione, da dieſelbe in allen Stuͤcken zu ſpuͤhren/ und am allermeiſten in die Augen leuchtet. Wer wolte deßhalben einen Baumeiſter geringer halten/ daß er ein altes unfoͤrmliches Gebāude uͤber einen Hauffen wirfft/ und auß denſelben materialien einen neuen viel herrlichern Pallaſt aufffuͤhret? Die Italiaͤner koͤn- nen ſich ihres Torquati Taſſi ruͤhmen/ der gleichfalls eine bekante Helden Hiſto- rie zu ſeinem Getichte genommen/ und ſo herrlich außgefuͤhret/ daß es billig fuͤr ein Meiſterſtuͤcke zu halten. Es kan hier- uͤber Franciſc. Patrit. della Poëtica part. 3. lib. 8. nachgeleſen werden/ wo er die Fra- ge eroͤrtert; ob man aus einer Hiſtoria ein Poema machen koͤnne. Bey den Frantzoſen/ ob zwar viele dergleichen vorgehabt/ auch deſſen Proben gethan/ ſo iſt man doch noch nicht zu einer Vol- lenkommenheit gekommen/ da doch vor- neh-
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0697" n="685"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Helden-Getichten.</hi></fw><lb/> die Erfindung nicht ſo ſehr in dem <hi rendition="#aq">argu-<lb/> mento,</hi> als in der Außtheilung/ und Auß-<lb/> fuͤhrung des Wercks/ oder vielmehr in<lb/><hi rendition="#aq">Imitatione,</hi> da dieſelbe in allen Stuͤcken<lb/> zu ſpuͤhren/ und am allermeiſten in die<lb/> Augen leuchtet. Wer wolte deßhalben<lb/> einen Baumeiſter geringer halten/ daß<lb/> er ein altes unfoͤrmliches Gebāude uͤber<lb/> einen Hauffen wirfft/ und auß denſelben<lb/><hi rendition="#aq">materialien</hi> einen neuen viel herrlichern<lb/> Pallaſt aufffuͤhret? Die Italiaͤner koͤn-<lb/> nen ſich ihres <hi rendition="#aq">Torquati Taſſi</hi> ruͤhmen/<lb/> der gleichfalls eine bekante Helden <hi rendition="#aq">Hiſto-<lb/> rie</hi> zu ſeinem Getichte genommen/ und<lb/> ſo herrlich außgefuͤhret/ daß es billig fuͤr<lb/> ein Meiſterſtuͤcke zu halten. Es kan hier-<lb/> uͤber <hi rendition="#aq">Franciſc. Patrit. della Poëtica part. 3.<lb/> lib.</hi> 8. nachgeleſen werden/ wo er die Fra-<lb/> ge eroͤrtert; ob man aus einer <hi rendition="#aq">Hiſtoria</hi><lb/> ein <hi rendition="#aq">Poema</hi> machen koͤnne. Bey den<lb/> Frantzoſen/ ob zwar viele dergleichen<lb/> vorgehabt/ auch deſſen Proben gethan/<lb/> ſo iſt man doch noch nicht zu einer Vol-<lb/> lenkommenheit gekommen/ da doch vor-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">neh-</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [685/0697]
Helden-Getichten.
die Erfindung nicht ſo ſehr in dem argu-
mento, als in der Außtheilung/ und Auß-
fuͤhrung des Wercks/ oder vielmehr in
Imitatione, da dieſelbe in allen Stuͤcken
zu ſpuͤhren/ und am allermeiſten in die
Augen leuchtet. Wer wolte deßhalben
einen Baumeiſter geringer halten/ daß
er ein altes unfoͤrmliches Gebāude uͤber
einen Hauffen wirfft/ und auß denſelben
materialien einen neuen viel herrlichern
Pallaſt aufffuͤhret? Die Italiaͤner koͤn-
nen ſich ihres Torquati Taſſi ruͤhmen/
der gleichfalls eine bekante Helden Hiſto-
rie zu ſeinem Getichte genommen/ und
ſo herrlich außgefuͤhret/ daß es billig fuͤr
ein Meiſterſtuͤcke zu halten. Es kan hier-
uͤber Franciſc. Patrit. della Poëtica part. 3.
lib. 8. nachgeleſen werden/ wo er die Fra-
ge eroͤrtert; ob man aus einer Hiſtoria
ein Poema machen koͤnne. Bey den
Frantzoſen/ ob zwar viele dergleichen
vorgehabt/ auch deſſen Proben gethan/
ſo iſt man doch noch nicht zu einer Vol-
lenkommenheit gekommen/ da doch vor-
neh-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/morhof_unterricht_1682 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/morhof_unterricht_1682/697 |
Zitationshilfe: | Morhof, Daniel Georg: Unterricht Von Der Teutschen Sprache und Poesie. Kiel, 1682, S. 685. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/morhof_unterricht_1682/697>, abgerufen am 23.07.2024. |