Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.STURZ DER OLIGARCHIE. aufs Spiel gesetzt zu haben. Nun kam er zurück als Sieger überdie offenen wie über die heimlichen Feinde, an der Spitze eines krieggewohnten und ihm ganz ergebenen Heeres, für seine Sol- daten Landanweisungen begehrend, für sich Triumph und Con- sulat. Die letzteren Forderungen verstiessen gegen das Gesetz. Pompeius, obwohl mehrmals schon ausserordentlicher Weise mit der höchsten Amtsgewalt bekleidet, hatte noch kein ordentliches Amt, nicht einmal die Quästur verwaltet und war noch immer nicht Mitglied des Raths; und Consul durfte nur werden, wer die Staffel der geringeren ordentlichen Aemter durchmessen, triumphiren nur, wer die ordentliche höchste Gewalt bekleidet hatte. Der Senat war gesetzlich befugt ihn, wenn er um das Con- sulat sich bewarb, auf die Bewerbung um die Quästur zu ver- weisen, wenn er den Triumph erbat, ihn an den grossen Scipio zu erinnern, der unter ganz gleichen Verhältnissen auf den Tri- umph über das eroberte Spanien verzichtet hatte. Nicht min- der hing Pompeius hinsichtlich der seinen Soldaten versproche- nen Domänen ab von dem guten Willen des Senats. Indess wenn auch der Senat, wie es bei seiner Schwächlichkeit auch im Grol- len wohl denkbar war, hierin nachgab und dem siegreichen Feld- herrn für den gegen die Demokratenchefs geleisteten Schergen- dienst den Triumph, das Consulat, die Landanweisungen zuge- stand, so war doch eine ehrenvolle Annullirung in rathsherrli- cher Indolenz unter der langen Reihe der friedlichen senatori- schen Imperatoren das günstigste Loos, das die Oligarchie dem sechsunddreissigjährigen Feldherrn darzubieten über sich ge- winnen konnte. Das, wonach sein Herz eigentlich verlangte, das Commando im mithradatischen Krieg freiwillig vom Senat be- willigt zu erhalten, konnte er nimmer erwarten; die im Osten reichlich und bequem zu pflückenden Lorbeeren blieben auf jeden Fall der reinen Aristokratie reservirt. Sah sich also der gefeierte General gedrängt von der herrschenden Oligarchie abzufallen, so blieb ihm nur die Wahl entweder auf eigene Hand als Gewalt- haber aufzutreten oder mit der demokratischen Partei gemein- schaftliche Sache zu machen. Es kann hier unerörtert bleiben, ob er im Stande war die Prätendentenrolle auf eigene Hand durchzuführen oder ob er in diesem Fall geendet haben würde, wie so eben Lepidus und Sertorius geendet hatten; sein ganzes Naturell machte einen solchen kecken und entschiedenen Ent- schluss ihm ein- für allemal unmöglich. Dagegen der Demokra- tie sich in die Arme zu werfen hinderte ihn nichts; ein eigenes Interesse an dem Fortbestand der sullanischen Verfassung hatte STURZ DER OLIGARCHIE. aufs Spiel gesetzt zu haben. Nun kam er zurück als Sieger überdie offenen wie über die heimlichen Feinde, an der Spitze eines krieggewohnten und ihm ganz ergebenen Heeres, für seine Sol- daten Landanweisungen begehrend, für sich Triumph und Con- sulat. Die letzteren Forderungen verstieſsen gegen das Gesetz. Pompeius, obwohl mehrmals schon auſserordentlicher Weise mit der höchsten Amtsgewalt bekleidet, hatte noch kein ordentliches Amt, nicht einmal die Quästur verwaltet und war noch immer nicht Mitglied des Raths; und Consul durfte nur werden, wer die Staffel der geringeren ordentlichen Aemter durchmessen, triumphiren nur, wer die ordentliche höchste Gewalt bekleidet hatte. Der Senat war gesetzlich befugt ihn, wenn er um das Con- sulat sich bewarb, auf die Bewerbung um die Quästur zu ver- weisen, wenn er den Triumph erbat, ihn an den groſsen Scipio zu erinnern, der unter ganz gleichen Verhältnissen auf den Tri- umph über das eroberte Spanien verzichtet hatte. Nicht min- der hing Pompeius hinsichtlich der seinen Soldaten versproche- nen Domänen ab von dem guten Willen des Senats. Indeſs wenn auch der Senat, wie es bei seiner Schwächlichkeit auch im Grol- len wohl denkbar war, hierin nachgab und dem siegreichen Feld- herrn für den gegen die Demokratenchefs geleisteten Schergen- dienst den Triumph, das Consulat, die Landanweisungen zuge- stand, so war doch eine ehrenvolle Annullirung in rathsherrli- cher Indolenz unter der langen Reihe der friedlichen senatori- schen Imperatoren das günstigste Loos, das die Oligarchie dem sechsunddreiſsigjährigen Feldherrn darzubieten über sich ge- winnen konnte. Das, wonach sein Herz eigentlich verlangte, das Commando im mithradatischen Krieg freiwillig vom Senat be- willigt zu erhalten, konnte er nimmer erwarten; die im Osten reichlich und bequem zu pflückenden Lorbeeren blieben auf jeden Fall der reinen Aristokratie reservirt. Sah sich also der gefeierte General gedrängt von der herrschenden Oligarchie abzufallen, so blieb ihm nur die Wahl entweder auf eigene Hand als Gewalt- haber aufzutreten oder mit der demokratischen Partei gemein- schaftliche Sache zu machen. Es kann hier unerörtert bleiben, ob er im Stande war die Prätendentenrolle auf eigene Hand durchzuführen oder ob er in diesem Fall geendet haben würde, wie so eben Lepidus und Sertorius geendet hatten; sein ganzes Naturell machte einen solchen kecken und entschiedenen Ent- schluſs ihm ein- für allemal unmöglich. Dagegen der Demokra- tie sich in die Arme zu werfen hinderte ihn nichts; ein eigenes Interesse an dem Fortbestand der sullanischen Verfassung hatte <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0099" n="89"/><fw place="top" type="header">STURZ DER OLIGARCHIE.</fw><lb/> aufs Spiel gesetzt zu haben. Nun kam er zurück als Sieger über<lb/> die offenen wie über die heimlichen Feinde, an der Spitze eines<lb/> krieggewohnten und ihm ganz ergebenen Heeres, für seine Sol-<lb/> daten Landanweisungen begehrend, für sich Triumph und Con-<lb/> sulat. Die letzteren Forderungen verstieſsen gegen das Gesetz.<lb/> Pompeius, obwohl mehrmals schon auſserordentlicher Weise mit<lb/> der höchsten Amtsgewalt bekleidet, hatte noch kein ordentliches<lb/> Amt, nicht einmal die Quästur verwaltet und war noch immer<lb/> nicht Mitglied des Raths; und Consul durfte nur werden, wer<lb/> die Staffel der geringeren ordentlichen Aemter durchmessen,<lb/> triumphiren nur, wer die ordentliche höchste Gewalt bekleidet<lb/> hatte. Der Senat war gesetzlich befugt ihn, wenn er um das Con-<lb/> sulat sich bewarb, auf die Bewerbung um die Quästur zu ver-<lb/> weisen, wenn er den Triumph erbat, ihn an den groſsen Scipio<lb/> zu erinnern, der unter ganz gleichen Verhältnissen auf den Tri-<lb/> umph über das eroberte Spanien verzichtet hatte. Nicht min-<lb/> der hing Pompeius hinsichtlich der seinen Soldaten versproche-<lb/> nen Domänen ab von dem guten Willen des Senats. Indeſs wenn<lb/> auch der Senat, wie es bei seiner Schwächlichkeit auch im Grol-<lb/> len wohl denkbar war, hierin nachgab und dem siegreichen Feld-<lb/> herrn für den gegen die Demokratenchefs geleisteten Schergen-<lb/> dienst den Triumph, das Consulat, die Landanweisungen zuge-<lb/> stand, so war doch eine ehrenvolle Annullirung in rathsherrli-<lb/> cher Indolenz unter der langen Reihe der friedlichen senatori-<lb/> schen Imperatoren das günstigste Loos, das die Oligarchie dem<lb/> sechsunddreiſsigjährigen Feldherrn darzubieten über sich ge-<lb/> winnen konnte. Das, wonach sein Herz eigentlich verlangte, das<lb/> Commando im mithradatischen Krieg freiwillig vom Senat be-<lb/> willigt zu erhalten, konnte er nimmer erwarten; die im Osten<lb/> reichlich und bequem zu pflückenden Lorbeeren blieben auf jeden<lb/> Fall der reinen Aristokratie reservirt. Sah sich also der gefeierte<lb/> General gedrängt von der herrschenden Oligarchie abzufallen, so<lb/> blieb ihm nur die Wahl entweder auf eigene Hand als Gewalt-<lb/> haber aufzutreten oder mit der demokratischen Partei gemein-<lb/> schaftliche Sache zu machen. Es kann hier unerörtert bleiben,<lb/> ob er im Stande war die Prätendentenrolle auf eigene Hand<lb/> durchzuführen oder ob er in diesem Fall geendet haben würde,<lb/> wie so eben Lepidus und Sertorius geendet hatten; sein ganzes<lb/> Naturell machte einen solchen kecken und entschiedenen Ent-<lb/> schluſs ihm ein- für allemal unmöglich. Dagegen der Demokra-<lb/> tie sich in die Arme zu werfen hinderte ihn nichts; ein eigenes<lb/> Interesse an dem Fortbestand der sullanischen Verfassung hatte<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [89/0099]
STURZ DER OLIGARCHIE.
aufs Spiel gesetzt zu haben. Nun kam er zurück als Sieger über
die offenen wie über die heimlichen Feinde, an der Spitze eines
krieggewohnten und ihm ganz ergebenen Heeres, für seine Sol-
daten Landanweisungen begehrend, für sich Triumph und Con-
sulat. Die letzteren Forderungen verstieſsen gegen das Gesetz.
Pompeius, obwohl mehrmals schon auſserordentlicher Weise mit
der höchsten Amtsgewalt bekleidet, hatte noch kein ordentliches
Amt, nicht einmal die Quästur verwaltet und war noch immer
nicht Mitglied des Raths; und Consul durfte nur werden, wer
die Staffel der geringeren ordentlichen Aemter durchmessen,
triumphiren nur, wer die ordentliche höchste Gewalt bekleidet
hatte. Der Senat war gesetzlich befugt ihn, wenn er um das Con-
sulat sich bewarb, auf die Bewerbung um die Quästur zu ver-
weisen, wenn er den Triumph erbat, ihn an den groſsen Scipio
zu erinnern, der unter ganz gleichen Verhältnissen auf den Tri-
umph über das eroberte Spanien verzichtet hatte. Nicht min-
der hing Pompeius hinsichtlich der seinen Soldaten versproche-
nen Domänen ab von dem guten Willen des Senats. Indeſs wenn
auch der Senat, wie es bei seiner Schwächlichkeit auch im Grol-
len wohl denkbar war, hierin nachgab und dem siegreichen Feld-
herrn für den gegen die Demokratenchefs geleisteten Schergen-
dienst den Triumph, das Consulat, die Landanweisungen zuge-
stand, so war doch eine ehrenvolle Annullirung in rathsherrli-
cher Indolenz unter der langen Reihe der friedlichen senatori-
schen Imperatoren das günstigste Loos, das die Oligarchie dem
sechsunddreiſsigjährigen Feldherrn darzubieten über sich ge-
winnen konnte. Das, wonach sein Herz eigentlich verlangte, das
Commando im mithradatischen Krieg freiwillig vom Senat be-
willigt zu erhalten, konnte er nimmer erwarten; die im Osten
reichlich und bequem zu pflückenden Lorbeeren blieben auf jeden
Fall der reinen Aristokratie reservirt. Sah sich also der gefeierte
General gedrängt von der herrschenden Oligarchie abzufallen, so
blieb ihm nur die Wahl entweder auf eigene Hand als Gewalt-
haber aufzutreten oder mit der demokratischen Partei gemein-
schaftliche Sache zu machen. Es kann hier unerörtert bleiben,
ob er im Stande war die Prätendentenrolle auf eigene Hand
durchzuführen oder ob er in diesem Fall geendet haben würde,
wie so eben Lepidus und Sertorius geendet hatten; sein ganzes
Naturell machte einen solchen kecken und entschiedenen Ent-
schluſs ihm ein- für allemal unmöglich. Dagegen der Demokra-
tie sich in die Arme zu werfen hinderte ihn nichts; ein eigenes
Interesse an dem Fortbestand der sullanischen Verfassung hatte
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |