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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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gen dennoch sich schlecht; Varinius ward völlig besiegt, sein
Pferd und die Insignien seiner Amtswürde geriethen mit dem
römischen Lager selbst in Feindeshand. Massenweise strömten
die süditalischen Sclaven, namentlich die tapferen halbwilden
Hirten, unter die Fahne der so unverhofft erschienenen Erlöser;
nach den mässigsten Angaben schwoll die Zahl der bewaffne-
ten Insurgenten auf 40000 Mann. Campanien, so eben geräumt,
ward rasch wieder eingenommen, das daselbst unter dem Quä-
stor des Varinius Gaius Thoranius zurückgebliebene römische
Corps zersprengt und aufgerieben. Im ganzen Süden und Süd-
westen Italiens war das offene Land in den Händen der siegrei-
reichen Räuberhauptleute; selbst ansehnliche Städte, wie Con-
sentia im bruttischen Land, Thurii und Metapont in Lucanien,
Nola und Nuceria in Campanien, wurden von ihnen erstürmt und
erlitten alle Gräuel, die siegreiche Barbaren über wehrlose Civi-
lisirte, entfesselte Sclaven über ihre gewesenen Herren zu brin-
gen vermögen. Dass ein Kampf wie dieser überhaupt rechtlos
und mehr eine Metzelei als ein Krieg war, versteht sich leider von
selbst: die Herren schlugen den gefangenen Sclaven von Rechts-
wegen ans Kreuz; diese machten natürlich gleichfalls ihre Gefan-
genen nieder oder zwangen gar in noch höhnischerer Vergeltung
die kriegsgefangenen Römer im Fechtspiel einander selber zu
morden; wie dies später mit dreihundert derselben bei der Lei-
chenfeier eines im Kampfe gefallenen Räuberhauptmannes ge-
schah. In Rom war man mit Recht in Besorgniss über den im-
mer weiter um sich greifenden verheerenden Brand. Es ward
beschlossen das nächste Jahr (682) beide Consuln gegen die
furchtbaren Bandenchefs auszusenden. In der That gelang es
dem Prätor Quintus Arrius, einem Unterfeldherrn des Consuls
Lucius Gellius, den keltischen Haufen, der unter Krixos von der
Masse des Räuberheers sich gesondert hatte und auf eigene Hand
brandschatzte, in Apulien am Garganus zu fassen und zu ver-
nichten. Aber um so glänzendere Siege erfocht Spartacus im
Apennin und im nördlichen Italien, wo der Consul Gnaeus Len-
tulus, während er die Räuber zu umzingeln und aufzuheben ver-
meinte, sodann sein College Gellius und der so eben noch sieg-
reiche Prätor Arrius, endlich bei Mutina der Statthalter des dies-
seitigen Gallien Gaius Cassius (Consul 681) und der Prätor
Gnaeus Manlius einer nach dem andern seinen Streichen erlagen.
Die kaum bewaffneten Sclavenrotten waren das Schrecken der
Legionen; die Kette der Niederlagen erinnerte an die ersten Jahre
des hannibalischen Krieges. Was hätte kommen mögen, wenn

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gen dennoch sich schlecht; Varinius ward völlig besiegt, sein
Pferd und die Insignien seiner Amtswürde geriethen mit dem
römischen Lager selbst in Feindeshand. Massenweise strömten
die süditalischen Sclaven, namentlich die tapferen halbwilden
Hirten, unter die Fahne der so unverhofft erschienenen Erlöser;
nach den mäſsigsten Angaben schwoll die Zahl der bewaffne-
ten Insurgenten auf 40000 Mann. Campanien, so eben geräumt,
ward rasch wieder eingenommen, das daselbst unter dem Quä-
stor des Varinius Gaius Thoranius zurückgebliebene römische
Corps zersprengt und aufgerieben. Im ganzen Süden und Süd-
westen Italiens war das offene Land in den Händen der siegrei-
reichen Räuberhauptleute; selbst ansehnliche Städte, wie Con-
sentia im bruttischen Land, Thurii und Metapont in Lucanien,
Nola und Nuceria in Campanien, wurden von ihnen erstürmt und
erlitten alle Gräuel, die siegreiche Barbaren über wehrlose Civi-
lisirte, entfesselte Sclaven über ihre gewesenen Herren zu brin-
gen vermögen. Daſs ein Kampf wie dieser überhaupt rechtlos
und mehr eine Metzelei als ein Krieg war, versteht sich leider von
selbst: die Herren schlugen den gefangenen Sclaven von Rechts-
wegen ans Kreuz; diese machten natürlich gleichfalls ihre Gefan-
genen nieder oder zwangen gar in noch höhnischerer Vergeltung
die kriegsgefangenen Römer im Fechtspiel einander selber zu
morden; wie dies später mit dreihundert derselben bei der Lei-
chenfeier eines im Kampfe gefallenen Räuberhauptmannes ge-
schah. In Rom war man mit Recht in Besorgniſs über den im-
mer weiter um sich greifenden verheerenden Brand. Es ward
beschlossen das nächste Jahr (682) beide Consuln gegen die
furchtbaren Bandenchefs auszusenden. In der That gelang es
dem Prätor Quintus Arrius, einem Unterfeldherrn des Consuls
Lucius Gellius, den keltischen Haufen, der unter Krixos von der
Masse des Räuberheers sich gesondert hatte und auf eigene Hand
brandschatzte, in Apulien am Garganus zu fassen und zu ver-
nichten. Aber um so glänzendere Siege erfocht Spartacus im
Apennin und im nördlichen Italien, wo der Consul Gnaeus Len-
tulus, während er die Räuber zu umzingeln und aufzuheben ver-
meinte, sodann sein College Gellius und der so eben noch sieg-
reiche Prätor Arrius, endlich bei Mutina der Statthalter des dies-
seitigen Gallien Gaius Cassius (Consul 681) und der Prätor
Gnaeus Manlius einer nach dem andern seinen Streichen erlagen.
Die kaum bewaffneten Sclavenrotten waren das Schrecken der
Legionen; die Kette der Niederlagen erinnerte an die ersten Jahre
des hannibalischen Krieges. Was hätte kommen mögen, wenn

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[76/0086] FÜNFTES BUCH. KAPITEL II. gen dennoch sich schlecht; Varinius ward völlig besiegt, sein Pferd und die Insignien seiner Amtswürde geriethen mit dem römischen Lager selbst in Feindeshand. Massenweise strömten die süditalischen Sclaven, namentlich die tapferen halbwilden Hirten, unter die Fahne der so unverhofft erschienenen Erlöser; nach den mäſsigsten Angaben schwoll die Zahl der bewaffne- ten Insurgenten auf 40000 Mann. Campanien, so eben geräumt, ward rasch wieder eingenommen, das daselbst unter dem Quä- stor des Varinius Gaius Thoranius zurückgebliebene römische Corps zersprengt und aufgerieben. Im ganzen Süden und Süd- westen Italiens war das offene Land in den Händen der siegrei- reichen Räuberhauptleute; selbst ansehnliche Städte, wie Con- sentia im bruttischen Land, Thurii und Metapont in Lucanien, Nola und Nuceria in Campanien, wurden von ihnen erstürmt und erlitten alle Gräuel, die siegreiche Barbaren über wehrlose Civi- lisirte, entfesselte Sclaven über ihre gewesenen Herren zu brin- gen vermögen. Daſs ein Kampf wie dieser überhaupt rechtlos und mehr eine Metzelei als ein Krieg war, versteht sich leider von selbst: die Herren schlugen den gefangenen Sclaven von Rechts- wegen ans Kreuz; diese machten natürlich gleichfalls ihre Gefan- genen nieder oder zwangen gar in noch höhnischerer Vergeltung die kriegsgefangenen Römer im Fechtspiel einander selber zu morden; wie dies später mit dreihundert derselben bei der Lei- chenfeier eines im Kampfe gefallenen Räuberhauptmannes ge- schah. In Rom war man mit Recht in Besorgniſs über den im- mer weiter um sich greifenden verheerenden Brand. Es ward beschlossen das nächste Jahr (682) beide Consuln gegen die furchtbaren Bandenchefs auszusenden. In der That gelang es dem Prätor Quintus Arrius, einem Unterfeldherrn des Consuls Lucius Gellius, den keltischen Haufen, der unter Krixos von der Masse des Räuberheers sich gesondert hatte und auf eigene Hand brandschatzte, in Apulien am Garganus zu fassen und zu ver- nichten. Aber um so glänzendere Siege erfocht Spartacus im Apennin und im nördlichen Italien, wo der Consul Gnaeus Len- tulus, während er die Räuber zu umzingeln und aufzuheben ver- meinte, sodann sein College Gellius und der so eben noch sieg- reiche Prätor Arrius, endlich bei Mutina der Statthalter des dies- seitigen Gallien Gaius Cassius (Consul 681) und der Prätor Gnaeus Manlius einer nach dem andern seinen Streichen erlagen. Die kaum bewaffneten Sclavenrotten waren das Schrecken der Legionen; die Kette der Niederlagen erinnerte an die ersten Jahre des hannibalischen Krieges. Was hätte kommen mögen, wenn

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/86>, abgerufen am 25.11.2024.