Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

Bild:
<< vorherige Seite

DIE SULLANISCHE RESTAURATIONSHERRSCHAFT.
auch geschah. Mithradates besetzte nicht bloss abermals fast
sein ganzes Königreich, sondern seine Reiter streiften durch
ganz Kappadokien und bis nach Bithynien; gleich vergeblich hat
König Ariobarzanes bei Quintus Marcius, bei Lucullus und bei
Glabrio um Hülfe. Es war ein seltsamer, fast unglaublicher
Ausgang des in so glorreicher Weise geführten Krieges. Wenn
man bloss auf die militärischen Leistungen sieht, so hat kaum
ein anderer römischer General mit so geringen Mitteln so viel
gethan wie Lucullus; das Talent und das Glück Sullas schienen
auf diesen seinen Schüler sich vererbt zu haben. Dass unter den
obwaltenden Verhältnissen das römische Heer aus Armenien in-
tact nach Kleinasien zurückkam, ist ein militärisches Wunder-
werk, das, soweit wir urtheilen können, den xenophontischen
Rückzug weit übertrifft und wohl zunächst aus der Solidität des
römischen und der Untüchtigkeit des orientalischen Kriegswesens
sich erklärt, aber doch unter allen Umständen dem Leiter dieses
Zuges einen ehrenvollen Namen unter den militärischen Capaci-
täten ersten Ranges sichert. Wenn Lucullus Name gewöhnlich
nicht unter diesen genannt wird, so liegt die Ursache allem An-
schein nach nur darin, dass theils kein militärisch auch nur leid-
licher Bericht über seine Feldzüge auf uns gekommen ist, theils
überall und vor allem im Kriege, zunächst nichts gilt als das
schliessliche Resultat, und dies freilich kam einer vollständigen
Niederlage gleich. Durch die letzte unglückliche Wendung der
Dinge, hauptsächlich durch die Meuterei der Soldaten waren alle
Erfolge eines achtjährigen Krieges wieder verloren worden; man
stand im Winter 687/8 genau wieder an demselben Fleck wie im
Winter 679/80.

Nicht bessere Resultate als der Continentalkrieg lieferte der
Seekrieg gegen die Piraten, der mit demselben zugleich begann
und beständig in der engsten Verbindung stand. Es ward bereits
erzählt (S. 49), dass der Senat im J. 680 den verständigen Be-
schluss fasste die Säuberung der Meere von den Corsaren einem
einzigen höchstcommandirenden Admiral, dem Prätor Marcus An-
tonius zu übertragen. Allein gleich von vorn herein hatte man
sich in der Wahl des Führers durchaus vergriffen, oder vielmehr
diejenigen, welche diese an sich zweckmässige Massregel durch-
gesetzt hatten, berechneten nicht, dass im Senat alle Personen-
fragen durch Cethegus Einfluss (S. 7) und ähnliche Coterierück-
sichten entschieden wurden. Man hatte ferner versäumt den ge-
wählten Admiral in einer seiner umfassenden Aufgabe angemes-
senen Weise mit Geld und Waffen auszustatten, so dass er durch

DIE SULLANISCHE RESTAURATIONSHERRSCHAFT.
auch geschah. Mithradates besetzte nicht bloſs abermals fast
sein ganzes Königreich, sondern seine Reiter streiften durch
ganz Kappadokien und bis nach Bithynien; gleich vergeblich hat
König Ariobarzanes bei Quintus Marcius, bei Lucullus und bei
Glabrio um Hülfe. Es war ein seltsamer, fast unglaublicher
Ausgang des in so glorreicher Weise geführten Krieges. Wenn
man bloſs auf die militärischen Leistungen sieht, so hat kaum
ein anderer römischer General mit so geringen Mitteln so viel
gethan wie Lucullus; das Talent und das Glück Sullas schienen
auf diesen seinen Schüler sich vererbt zu haben. Daſs unter den
obwaltenden Verhältnissen das römische Heer aus Armenien in-
tact nach Kleinasien zurückkam, ist ein militärisches Wunder-
werk, das, soweit wir urtheilen können, den xenophontischen
Rückzug weit übertrifft und wohl zunächst aus der Solidität des
römischen und der Untüchtigkeit des orientalischen Kriegswesens
sich erklärt, aber doch unter allen Umständen dem Leiter dieses
Zuges einen ehrenvollen Namen unter den militärischen Capaci-
täten ersten Ranges sichert. Wenn Lucullus Name gewöhnlich
nicht unter diesen genannt wird, so liegt die Ursache allem An-
schein nach nur darin, daſs theils kein militärisch auch nur leid-
licher Bericht über seine Feldzüge auf uns gekommen ist, theils
überall und vor allem im Kriege, zunächst nichts gilt als das
schlieſsliche Resultat, und dies freilich kam einer vollständigen
Niederlage gleich. Durch die letzte unglückliche Wendung der
Dinge, hauptsächlich durch die Meuterei der Soldaten waren alle
Erfolge eines achtjährigen Krieges wieder verloren worden; man
stand im Winter 687/8 genau wieder an demselben Fleck wie im
Winter 679/80.

Nicht bessere Resultate als der Continentalkrieg lieferte der
Seekrieg gegen die Piraten, der mit demselben zugleich begann
und beständig in der engsten Verbindung stand. Es ward bereits
erzählt (S. 49), daſs der Senat im J. 680 den verständigen Be-
schluſs faſste die Säuberung der Meere von den Corsaren einem
einzigen höchstcommandirenden Admiral, dem Prätor Marcus An-
tonius zu übertragen. Allein gleich von vorn herein hatte man
sich in der Wahl des Führers durchaus vergriffen, oder vielmehr
diejenigen, welche diese an sich zweckmäſsige Maſsregel durch-
gesetzt hatten, berechneten nicht, daſs im Senat alle Personen-
fragen durch Cethegus Einfluſs (S. 7) und ähnliche Coterierück-
sichten entschieden wurden. Man hatte ferner versäumt den ge-
wählten Admiral in einer seiner umfassenden Aufgabe angemes-
senen Weise mit Geld und Waffen auszustatten, so daſs er durch

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0079" n="69"/><fw place="top" type="header">DIE SULLANISCHE RESTAURATIONSHERRSCHAFT.</fw><lb/>
auch geschah. Mithradates besetzte nicht blo&#x017F;s abermals fast<lb/>
sein ganzes Königreich, sondern seine Reiter streiften durch<lb/>
ganz Kappadokien und bis nach Bithynien; gleich vergeblich hat<lb/>
König Ariobarzanes bei Quintus Marcius, bei Lucullus und bei<lb/>
Glabrio um Hülfe. Es war ein seltsamer, fast unglaublicher<lb/>
Ausgang des in so glorreicher Weise geführten Krieges. Wenn<lb/>
man blo&#x017F;s auf die militärischen Leistungen sieht, so hat kaum<lb/>
ein anderer römischer General mit so geringen Mitteln so viel<lb/>
gethan wie Lucullus; das Talent und das Glück Sullas schienen<lb/>
auf diesen seinen Schüler sich vererbt zu haben. Da&#x017F;s unter den<lb/>
obwaltenden Verhältnissen das römische Heer aus Armenien in-<lb/>
tact nach Kleinasien zurückkam, ist ein militärisches Wunder-<lb/>
werk, das, soweit wir urtheilen können, den xenophontischen<lb/>
Rückzug weit übertrifft und wohl zunächst aus der Solidität des<lb/>
römischen und der Untüchtigkeit des orientalischen Kriegswesens<lb/>
sich erklärt, aber doch unter allen Umständen dem Leiter dieses<lb/>
Zuges einen ehrenvollen Namen unter den militärischen Capaci-<lb/>
täten ersten Ranges sichert. Wenn Lucullus Name gewöhnlich<lb/>
nicht unter diesen genannt wird, so liegt die Ursache allem An-<lb/>
schein nach nur darin, da&#x017F;s theils kein militärisch auch nur leid-<lb/>
licher Bericht über seine Feldzüge auf uns gekommen ist, theils<lb/>
überall und vor allem im Kriege, zunächst nichts gilt als das<lb/>
schlie&#x017F;sliche Resultat, und dies freilich kam einer vollständigen<lb/>
Niederlage gleich. Durch die letzte unglückliche Wendung der<lb/>
Dinge, hauptsächlich durch die Meuterei der Soldaten waren alle<lb/>
Erfolge eines achtjährigen Krieges wieder verloren worden; man<lb/>
stand im Winter 687/8 genau wieder an demselben Fleck wie im<lb/>
Winter 679/80.</p><lb/>
          <p>Nicht bessere Resultate als der Continentalkrieg lieferte der<lb/>
Seekrieg gegen die Piraten, der mit demselben zugleich begann<lb/>
und beständig in der engsten Verbindung stand. Es ward bereits<lb/>
erzählt (S. 49), da&#x017F;s der Senat im J. 680 den verständigen Be-<lb/>
schlu&#x017F;s fa&#x017F;ste die Säuberung der Meere von den Corsaren einem<lb/>
einzigen höchstcommandirenden Admiral, dem Prätor Marcus An-<lb/>
tonius zu übertragen. Allein gleich von vorn herein hatte man<lb/>
sich in der Wahl des Führers durchaus vergriffen, oder vielmehr<lb/>
diejenigen, welche diese an sich zweckmä&#x017F;sige Ma&#x017F;sregel durch-<lb/>
gesetzt hatten, berechneten nicht, da&#x017F;s im Senat alle Personen-<lb/>
fragen durch Cethegus Einflu&#x017F;s (S. 7) und ähnliche Coterierück-<lb/>
sichten entschieden wurden. Man hatte ferner versäumt den ge-<lb/>
wählten Admiral in einer seiner umfassenden Aufgabe angemes-<lb/>
senen Weise mit Geld und Waffen auszustatten, so da&#x017F;s er durch<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[69/0079] DIE SULLANISCHE RESTAURATIONSHERRSCHAFT. auch geschah. Mithradates besetzte nicht bloſs abermals fast sein ganzes Königreich, sondern seine Reiter streiften durch ganz Kappadokien und bis nach Bithynien; gleich vergeblich hat König Ariobarzanes bei Quintus Marcius, bei Lucullus und bei Glabrio um Hülfe. Es war ein seltsamer, fast unglaublicher Ausgang des in so glorreicher Weise geführten Krieges. Wenn man bloſs auf die militärischen Leistungen sieht, so hat kaum ein anderer römischer General mit so geringen Mitteln so viel gethan wie Lucullus; das Talent und das Glück Sullas schienen auf diesen seinen Schüler sich vererbt zu haben. Daſs unter den obwaltenden Verhältnissen das römische Heer aus Armenien in- tact nach Kleinasien zurückkam, ist ein militärisches Wunder- werk, das, soweit wir urtheilen können, den xenophontischen Rückzug weit übertrifft und wohl zunächst aus der Solidität des römischen und der Untüchtigkeit des orientalischen Kriegswesens sich erklärt, aber doch unter allen Umständen dem Leiter dieses Zuges einen ehrenvollen Namen unter den militärischen Capaci- täten ersten Ranges sichert. Wenn Lucullus Name gewöhnlich nicht unter diesen genannt wird, so liegt die Ursache allem An- schein nach nur darin, daſs theils kein militärisch auch nur leid- licher Bericht über seine Feldzüge auf uns gekommen ist, theils überall und vor allem im Kriege, zunächst nichts gilt als das schlieſsliche Resultat, und dies freilich kam einer vollständigen Niederlage gleich. Durch die letzte unglückliche Wendung der Dinge, hauptsächlich durch die Meuterei der Soldaten waren alle Erfolge eines achtjährigen Krieges wieder verloren worden; man stand im Winter 687/8 genau wieder an demselben Fleck wie im Winter 679/80. Nicht bessere Resultate als der Continentalkrieg lieferte der Seekrieg gegen die Piraten, der mit demselben zugleich begann und beständig in der engsten Verbindung stand. Es ward bereits erzählt (S. 49), daſs der Senat im J. 680 den verständigen Be- schluſs faſste die Säuberung der Meere von den Corsaren einem einzigen höchstcommandirenden Admiral, dem Prätor Marcus An- tonius zu übertragen. Allein gleich von vorn herein hatte man sich in der Wahl des Führers durchaus vergriffen, oder vielmehr diejenigen, welche diese an sich zweckmäſsige Maſsregel durch- gesetzt hatten, berechneten nicht, daſs im Senat alle Personen- fragen durch Cethegus Einfluſs (S. 7) und ähnliche Coterierück- sichten entschieden wurden. Man hatte ferner versäumt den ge- wählten Admiral in einer seiner umfassenden Aufgabe angemes- senen Weise mit Geld und Waffen auszustatten, so daſs er durch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/79
Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/79>, abgerufen am 25.11.2024.