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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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DIE SULLANISCHE RESTAURATIONSHERRSCHAFT.
die zerstreuten römischen Soldaten wurden überall aufgehoben
und getödtet; als der römische Commandant in Pontos Hadrianus
(S. 54) seine Truppen gegen ihn führte, machten die ehemaligen
Söldner des Königs und die zahlreichen als Sclaven dem Heere
folgenden Pontiker gemeinschaftliche Sache mit dem Feind. Zwei
Tage nach einander währte der ungleiche Kampf; nur dass der Kö-
nig nach zwei empfangenen Wunden vom Schlachtfeld weggetra-
gen werden musste, machte es dem römischen Befehlshaber mög-
lich die Schlacht abzubrechen und mit dem kleinen Rest seiner
Leute sich nach Kabeira zu werfen. Ein anderer von Lucullus Un-
terbefehlshabern, der zufällig in diese Gegend kam, der entschlos-
sene Triarius sammelte indess ein neues Heer und lieferte dem
König ein glückliches Gefecht; allein er war viel zu schwach um
ihn wieder vom pontischen Boden zu vertreiben und musste es ge-
schehen lassen, dass der König Winterquartiere in Komana nahm.

So kam das Frühjahr 687 heran. Die Vereinigung der Armee
in Nisibis, die Musse der Winterquartiere, die häufige Abwesenheit
des Feldherrn hatten die Unbotmässigkeit der Truppen inzwischen
noch gesteigert; sie verlangten nicht bloss ungestüm zurückge-
führt zu werden, sondern es war bereits ziemlich offenbar, dass
sie, wenn der Feldherr sich weigerte sie heimzuführen, von selbst
aufbrechen würden. Die Vorräthe waren knapp; Fannius und
Triarius sandten in ihrer bedrängten Lage die dringendsten Bit-
ten um Hülfeleistung an den Oberfeldherrn. Schweren Herzens
entschloss sich Lucullus der Nothwendigkeit zu weichen, Nisibis
und Tigranokerta aufzugeben und, auf all die glänzenden Hoff-
nungen seiner armenischen Expedition verzichtend, zurückzu-
kehren auf das rechte Ufer des Euphrat. Fannius wurde befreit;
im Pontos aber war es schon zu spät. Tirarius, nicht stark ge-
nug um mit Mithradates zu schlagen, hatte bei Gaziura (Turksal
am Iris westlich von Tokat) eine feste Stellung genommen, wäh-
rend das Gepäck bei Dadasa zurückblieb. Als indess Mithradates
den letzteren Ort belagerte, zwangen die römischen Soldaten, um
ihre Habseligkeiten besorgt, den Führer seine gesicherte Stellung
zu verlassen und zwischen Gaziura und Ziela (Zilleh) auf den
skotischen Anhöhen dem König eine Schlacht zu liefern. Was
Triarius vorhergesehen hatte, trat ein: trotz der tapfersten Ge-
genwehr durchbrach der Flügel, den der König persönlich führte,
die römische Linie und drängte das Fussvolk in eine lehmige
Schlucht zusammen, in der es weder vor- noch seitwärts rücken
konnte und erbarmungslos niedergehauen ward. Zwar ward durch
einen römischen Centurio, der dafür sein Leben opferte, der

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DIE SULLANISCHE RESTAURATIONSHERRSCHAFT.
die zerstreuten römischen Soldaten wurden überall aufgehoben
und getödtet; als der römische Commandant in Pontos Hadrianus
(S. 54) seine Truppen gegen ihn führte, machten die ehemaligen
Söldner des Königs und die zahlreichen als Sclaven dem Heere
folgenden Pontiker gemeinschaftliche Sache mit dem Feind. Zwei
Tage nach einander währte der ungleiche Kampf; nur daſs der Kö-
nig nach zwei empfangenen Wunden vom Schlachtfeld weggetra-
gen werden muſste, machte es dem römischen Befehlshaber mög-
lich die Schlacht abzubrechen und mit dem kleinen Rest seiner
Leute sich nach Kabeira zu werfen. Ein anderer von Lucullus Un-
terbefehlshabern, der zufällig in diese Gegend kam, der entschlos-
sene Triarius sammelte indeſs ein neues Heer und lieferte dem
König ein glückliches Gefecht; allein er war viel zu schwach um
ihn wieder vom pontischen Boden zu vertreiben und muſste es ge-
schehen lassen, daſs der König Winterquartiere in Komana nahm.

So kam das Frühjahr 687 heran. Die Vereinigung der Armee
in Nisibis, die Muſse der Winterquartiere, die häufige Abwesenheit
des Feldherrn hatten die Unbotmäſsigkeit der Truppen inzwischen
noch gesteigert; sie verlangten nicht bloſs ungestüm zurückge-
führt zu werden, sondern es war bereits ziemlich offenbar, daſs
sie, wenn der Feldherr sich weigerte sie heimzuführen, von selbst
aufbrechen würden. Die Vorräthe waren knapp; Fannius und
Triarius sandten in ihrer bedrängten Lage die dringendsten Bit-
ten um Hülfeleistung an den Oberfeldherrn. Schweren Herzens
entschloſs sich Lucullus der Nothwendigkeit zu weichen, Nisibis
und Tigranokerta aufzugeben und, auf all die glänzenden Hoff-
nungen seiner armenischen Expedition verzichtend, zurückzu-
kehren auf das rechte Ufer des Euphrat. Fannius wurde befreit;
im Pontos aber war es schon zu spät. Tirarius, nicht stark ge-
nug um mit Mithradates zu schlagen, hatte bei Gaziura (Turksal
am Iris westlich von Tokat) eine feste Stellung genommen, wäh-
rend das Gepäck bei Dadasa zurückblieb. Als indeſs Mithradates
den letzteren Ort belagerte, zwangen die römischen Soldaten, um
ihre Habseligkeiten besorgt, den Führer seine gesicherte Stellung
zu verlassen und zwischen Gaziura und Ziela (Zilleh) auf den
skotischen Anhöhen dem König eine Schlacht zu liefern. Was
Triarius vorhergesehen hatte, trat ein: trotz der tapfersten Ge-
genwehr durchbrach der Flügel, den der König persönlich führte,
die römische Linie und drängte das Fuſsvolk in eine lehmige
Schlucht zusammen, in der es weder vor- noch seitwärts rücken
konnte und erbarmungslos niedergehauen ward. Zwar ward durch
einen römischen Centurio, der dafür sein Leben opferte, der

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[67/0077] DIE SULLANISCHE RESTAURATIONSHERRSCHAFT. die zerstreuten römischen Soldaten wurden überall aufgehoben und getödtet; als der römische Commandant in Pontos Hadrianus (S. 54) seine Truppen gegen ihn führte, machten die ehemaligen Söldner des Königs und die zahlreichen als Sclaven dem Heere folgenden Pontiker gemeinschaftliche Sache mit dem Feind. Zwei Tage nach einander währte der ungleiche Kampf; nur daſs der Kö- nig nach zwei empfangenen Wunden vom Schlachtfeld weggetra- gen werden muſste, machte es dem römischen Befehlshaber mög- lich die Schlacht abzubrechen und mit dem kleinen Rest seiner Leute sich nach Kabeira zu werfen. Ein anderer von Lucullus Un- terbefehlshabern, der zufällig in diese Gegend kam, der entschlos- sene Triarius sammelte indeſs ein neues Heer und lieferte dem König ein glückliches Gefecht; allein er war viel zu schwach um ihn wieder vom pontischen Boden zu vertreiben und muſste es ge- schehen lassen, daſs der König Winterquartiere in Komana nahm. So kam das Frühjahr 687 heran. Die Vereinigung der Armee in Nisibis, die Muſse der Winterquartiere, die häufige Abwesenheit des Feldherrn hatten die Unbotmäſsigkeit der Truppen inzwischen noch gesteigert; sie verlangten nicht bloſs ungestüm zurückge- führt zu werden, sondern es war bereits ziemlich offenbar, daſs sie, wenn der Feldherr sich weigerte sie heimzuführen, von selbst aufbrechen würden. Die Vorräthe waren knapp; Fannius und Triarius sandten in ihrer bedrängten Lage die dringendsten Bit- ten um Hülfeleistung an den Oberfeldherrn. Schweren Herzens entschloſs sich Lucullus der Nothwendigkeit zu weichen, Nisibis und Tigranokerta aufzugeben und, auf all die glänzenden Hoff- nungen seiner armenischen Expedition verzichtend, zurückzu- kehren auf das rechte Ufer des Euphrat. Fannius wurde befreit; im Pontos aber war es schon zu spät. Tirarius, nicht stark ge- nug um mit Mithradates zu schlagen, hatte bei Gaziura (Turksal am Iris westlich von Tokat) eine feste Stellung genommen, wäh- rend das Gepäck bei Dadasa zurückblieb. Als indeſs Mithradates den letzteren Ort belagerte, zwangen die römischen Soldaten, um ihre Habseligkeiten besorgt, den Führer seine gesicherte Stellung zu verlassen und zwischen Gaziura und Ziela (Zilleh) auf den skotischen Anhöhen dem König eine Schlacht zu liefern. Was Triarius vorhergesehen hatte, trat ein: trotz der tapfersten Ge- genwehr durchbrach der Flügel, den der König persönlich führte, die römische Linie und drängte das Fuſsvolk in eine lehmige Schlucht zusammen, in der es weder vor- noch seitwärts rücken konnte und erbarmungslos niedergehauen ward. Zwar ward durch einen römischen Centurio, der dafür sein Leben opferte, der 5 *

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/77>, abgerufen am 25.11.2024.