Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.DIE SULLANISCHE RESTAURATIONSHERRSCHAFT. ten und ungerechten Beschwerden über den tollkühnen, denhabsüchtigen, den unrömischen, den hochverrätherischen Feld- herrn. Schon gab der Senat den Klagen über die Vereinigung einer so grenzenlosen Macht, zweier ordentlicher Statthalterschaf- ten und eines wichtigen ausserordentlichen Commandos, in sol- cher Hand in so weit nach, dass er die Provinz Asia einem der Prätoren, die Provinz Kilikien nebst drei neu ausgehobenen Legio- nen dem Consul Quintus Marcius Rex bestimmte und den Feld- herrn auf das Commando gegen Mithradates und Tigranes be- schränkte. -- Gefährlicher noch als die in Rom gegen den Feld- herrn sich erhebenden Anklagen selbst war der Wiederhall, den sie in den Quartieren am Iris und am Tigris fanden, wo mehrere der Offiziere, darunter der eigene Schwager des Feldherrn Pu- blius Clodius in dem gleichen Sinne die Soldaten bearbeiteten. Das ohne Zweifel absichtlich ausgesprengte Gerücht, dass Lucullus jetzt mit dem pontisch-armenischen Krieg noch eine Expedition gegen die Parther zu verbinden gedenke, nährte die Erbitterung der Truppen. Der siegreiche Feldherr selbst fuhr fort, während ihn also die schwierige Stimmung der Regierung wie der Soldaten mit Abberufung und Meuterei bedrohte, dem verzweifelten Spieler gleich seinen Einsatz und sein Wagen zu steigern. Zwar gegen die Parther zog er nicht; aber als Tigranes sich weder bereit zeigte Frieden zu machen noch dem Wunsche der Römer zu schlagen abermals entgegenkam, entschloss sich Lucullus von Tigranokerta durch die schwierige Berglandschaft am östlichen Ufer des Wansees in das Thal des östlichen Euphrat (oder des Arsanias, jetzt Murad Tschai) und aus diesem in das des Araxes vorzudringen, wo, am nördlichen Abhang des Ararat, die Haupt- stadt des eigentlichen Armeniens Artaxata mit dem Erbschloss und dem Harem des Königs lag. Er hoffte den König durch die Bedrohung seiner angestammten Residenz zu bestimmen ihm unterwegs oder vor Artaxata eine zweite Schlacht zu liefern. Unumgänglich nothwendig war es freilich bei Tigranokerta eine Abtheilung zurückzulassen, während doch das Marschheer un- möglich noch weiter vermindert werden konnte: es blieb nichts übrig als die Stellung im Pontos zu schwächen und von dort Truppen nach Tigranokerta zu berufen Die Hauptschwierig- keit aber war die für militärische Unternehmungen so unbe- queme Kürze des armenischen Sommers. Auf der armenischen Hochebene, die 5000 Fuss und mehr über der Meeresfläche liegt, sprosst bei Erzerum das Korn erst Anfang Juni und mit der Ernte im September stellt auch schon der Winter sich ein; in Röm. Gesch. III. 5
DIE SULLANISCHE RESTAURATIONSHERRSCHAFT. ten und ungerechten Beschwerden über den tollkühnen, denhabsüchtigen, den unrömischen, den hochverrätherischen Feld- herrn. Schon gab der Senat den Klagen über die Vereinigung einer so grenzenlosen Macht, zweier ordentlicher Statthalterschaf- ten und eines wichtigen auſserordentlichen Commandos, in sol- cher Hand in so weit nach, daſs er die Provinz Asia einem der Prätoren, die Provinz Kilikien nebst drei neu ausgehobenen Legio- nen dem Consul Quintus Marcius Rex bestimmte und den Feld- herrn auf das Commando gegen Mithradates und Tigranes be- schränkte. — Gefährlicher noch als die in Rom gegen den Feld- herrn sich erhebenden Anklagen selbst war der Wiederhall, den sie in den Quartieren am Iris und am Tigris fanden, wo mehrere der Offiziere, darunter der eigene Schwager des Feldherrn Pu- blius Clodius in dem gleichen Sinne die Soldaten bearbeiteten. Das ohne Zweifel absichtlich ausgesprengte Gerücht, daſs Lucullus jetzt mit dem pontisch-armenischen Krieg noch eine Expedition gegen die Parther zu verbinden gedenke, nährte die Erbitterung der Truppen. Der siegreiche Feldherr selbst fuhr fort, während ihn also die schwierige Stimmung der Regierung wie der Soldaten mit Abberufung und Meuterei bedrohte, dem verzweifelten Spieler gleich seinen Einsatz und sein Wagen zu steigern. Zwar gegen die Parther zog er nicht; aber als Tigranes sich weder bereit zeigte Frieden zu machen noch dem Wunsche der Römer zu schlagen abermals entgegenkam, entschloſs sich Lucullus von Tigranokerta durch die schwierige Berglandschaft am östlichen Ufer des Wansees in das Thal des östlichen Euphrat (oder des Arsanias, jetzt Murad Tschai) und aus diesem in das des Araxes vorzudringen, wo, am nördlichen Abhang des Ararat, die Haupt- stadt des eigentlichen Armeniens Artaxata mit dem Erbschloſs und dem Harem des Königs lag. Er hoffte den König durch die Bedrohung seiner angestammten Residenz zu bestimmen ihm unterwegs oder vor Artaxata eine zweite Schlacht zu liefern. Unumgänglich nothwendig war es freilich bei Tigranokerta eine Abtheilung zurückzulassen, während doch das Marschheer un- möglich noch weiter vermindert werden konnte: es blieb nichts übrig als die Stellung im Pontos zu schwächen und von dort Truppen nach Tigranokerta zu berufen Die Hauptschwierig- keit aber war die für militärische Unternehmungen so unbe- queme Kürze des armenischen Sommers. Auf der armenischen Hochebene, die 5000 Fuſs und mehr über der Meeresfläche liegt, sproſst bei Erzerum das Korn erst Anfang Juni und mit der Ernte im September stellt auch schon der Winter sich ein; in Röm. Gesch. III. 5
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DIE SULLANISCHE RESTAURATIONSHERRSCHAFT.
ten und ungerechten Beschwerden über den tollkühnen, den
habsüchtigen, den unrömischen, den hochverrätherischen Feld-
herrn. Schon gab der Senat den Klagen über die Vereinigung
einer so grenzenlosen Macht, zweier ordentlicher Statthalterschaf-
ten und eines wichtigen auſserordentlichen Commandos, in sol-
cher Hand in so weit nach, daſs er die Provinz Asia einem der
Prätoren, die Provinz Kilikien nebst drei neu ausgehobenen Legio-
nen dem Consul Quintus Marcius Rex bestimmte und den Feld-
herrn auf das Commando gegen Mithradates und Tigranes be-
schränkte. — Gefährlicher noch als die in Rom gegen den Feld-
herrn sich erhebenden Anklagen selbst war der Wiederhall, den
sie in den Quartieren am Iris und am Tigris fanden, wo mehrere
der Offiziere, darunter der eigene Schwager des Feldherrn Pu-
blius Clodius in dem gleichen Sinne die Soldaten bearbeiteten.
Das ohne Zweifel absichtlich ausgesprengte Gerücht, daſs Lucullus
jetzt mit dem pontisch-armenischen Krieg noch eine Expedition
gegen die Parther zu verbinden gedenke, nährte die Erbitterung
der Truppen. Der siegreiche Feldherr selbst fuhr fort, während
ihn also die schwierige Stimmung der Regierung wie der Soldaten
mit Abberufung und Meuterei bedrohte, dem verzweifelten Spieler
gleich seinen Einsatz und sein Wagen zu steigern. Zwar gegen
die Parther zog er nicht; aber als Tigranes sich weder bereit
zeigte Frieden zu machen noch dem Wunsche der Römer zu
schlagen abermals entgegenkam, entschloſs sich Lucullus von
Tigranokerta durch die schwierige Berglandschaft am östlichen
Ufer des Wansees in das Thal des östlichen Euphrat (oder des
Arsanias, jetzt Murad Tschai) und aus diesem in das des Araxes
vorzudringen, wo, am nördlichen Abhang des Ararat, die Haupt-
stadt des eigentlichen Armeniens Artaxata mit dem Erbschloſs
und dem Harem des Königs lag. Er hoffte den König durch die
Bedrohung seiner angestammten Residenz zu bestimmen ihm
unterwegs oder vor Artaxata eine zweite Schlacht zu liefern.
Unumgänglich nothwendig war es freilich bei Tigranokerta eine
Abtheilung zurückzulassen, während doch das Marschheer un-
möglich noch weiter vermindert werden konnte: es blieb nichts
übrig als die Stellung im Pontos zu schwächen und von dort
Truppen nach Tigranokerta zu berufen Die Hauptschwierig-
keit aber war die für militärische Unternehmungen so unbe-
queme Kürze des armenischen Sommers. Auf der armenischen
Hochebene, die 5000 Fuſs und mehr über der Meeresfläche liegt,
sproſst bei Erzerum das Korn erst Anfang Juni und mit der
Ernte im September stellt auch schon der Winter sich ein; in
Röm. Gesch. III. 5
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