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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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DIE SULLANISCHE RESTAURATIONSHERRSCHAFT.
ten Ufer des Euphrat zu führen. Schon dies war bedenklich;
indess die Geringfügigkeit der Zahl mochte durch die erprobte
Tapferkeit der durchaus aus Veteranen bestehenden Armee eini-
germassen ersetzt werden. Weit schlimmer war die Stimmung
der Soldaten, auf die Lucullus in seiner hochadlichen Art viel zu
wenig Rücksicht nahm. Lucullus war ein tüchtiger General und
-- nach aristokratischem Massstab -- ein rechtschaffener und
wohlwollender Mann, aber nichts weniger als beliebt bei seinen
Soldaten. Er war unpopulär als entschiedener Anhänger der Oli-
garchie, unpopulär, weil er in Kleinasien der gräulichen Wucherei
der römischen Capitalisten nachdrücklich gesteuert hatte, unpo-
pulär wegen der Arbeiten und Strapazen, die er dem Soldaten
zumuthete, unpopulär, weil er von seinen Soldaten strenge Manns-
zucht forderte und die Plünderung der griechischen Städte durch
seine Leute möglichst verhinderte, daneben aber doch für sich sel-
ber manchen Wagen und manches Kameel mit den Schätzen des
Ostens beladen liess, unpopulär wegen seiner feinen, vornehmen,
hellenisirenden, durchaus nicht kameradschaftlichen und, wo
immer möglich, zu bequemem Wohlleben sich hinneigenden
Weise. Nicht eine Spur des Zaubers war in ihm, der zwischen
dem Feldherrn und dem Soldaten ein persönliches Band schlingt.
Hiezu kam endlich, dass ein grosser Theil seiner besten Soldaten
alle Ursache hatte sich über die masslose Verlängerung ihrer
Dienstzeit zu beschweren. Seine beiden besten Legionen waren
eben diejenigen, die Flaccus und Fimbria 668 nach dem Osten
geführt hatten (II, 282); ungeachtet ihnen nach dreizehnjährigem
Dienst vor kurzem nach der Schlacht von Kabeira der Abschied
zugesichert worden war, führte sie nichts desto weniger Lucul-
lus jetzt über den Euphrat, einem neuen unabsehbaren Krieg ent-
gegen -- es schien, als wolle man die Sieger von Kabeira schlim-
mer behandeln als die Geschlagenen von Cannae (I, 429. 472).
Es war in der That mehr als verwegen, wenn mit so schwachen
und so gestimmten Truppen ein Feldherr auf eigene Faust und
streng genommen verfassungswidrig eine Expedition begann ge-
gen ein fernes und unbekanntes Land voll reissender Ströme und
schneebedeckter Berge, das schon durch seine gewaltige Ausdeh-
nung jeden leichtsinnig unternommenen Angriff gefährlich machte.
Vielfach und nicht ohne Grund wurde desshalb Lucullus Verfah-
ren in Rom getadelt; nur hätte man dabei nicht verschweigen
sollen, dass zunächst die Verkehrtheit der Regierung dieses ver-
wegene Vorgehen des Feldherrn veranlasste und dasselbe wo
nicht rechtfertigte, doch entschuldbar machte.


DIE SULLANISCHE RESTAURATIONSHERRSCHAFT.
ten Ufer des Euphrat zu führen. Schon dies war bedenklich;
indeſs die Geringfügigkeit der Zahl mochte durch die erprobte
Tapferkeit der durchaus aus Veteranen bestehenden Armee eini-
germaſsen ersetzt werden. Weit schlimmer war die Stimmung
der Soldaten, auf die Lucullus in seiner hochadlichen Art viel zu
wenig Rücksicht nahm. Lucullus war ein tüchtiger General und
— nach aristokratischem Maſsstab — ein rechtschaffener und
wohlwollender Mann, aber nichts weniger als beliebt bei seinen
Soldaten. Er war unpopulär als entschiedener Anhänger der Oli-
garchie, unpopulär, weil er in Kleinasien der gräulichen Wucherei
der römischen Capitalisten nachdrücklich gesteuert hatte, unpo-
pulär wegen der Arbeiten und Strapazen, die er dem Soldaten
zumuthete, unpopulär, weil er von seinen Soldaten strenge Manns-
zucht forderte und die Plünderung der griechischen Städte durch
seine Leute möglichst verhinderte, daneben aber doch für sich sel-
ber manchen Wagen und manches Kameel mit den Schätzen des
Ostens beladen lieſs, unpopulär wegen seiner feinen, vornehmen,
hellenisirenden, durchaus nicht kameradschaftlichen und, wo
immer möglich, zu bequemem Wohlleben sich hinneigenden
Weise. Nicht eine Spur des Zaubers war in ihm, der zwischen
dem Feldherrn und dem Soldaten ein persönliches Band schlingt.
Hiezu kam endlich, daſs ein groſser Theil seiner besten Soldaten
alle Ursache hatte sich über die maſslose Verlängerung ihrer
Dienstzeit zu beschweren. Seine beiden besten Legionen waren
eben diejenigen, die Flaccus und Fimbria 668 nach dem Osten
geführt hatten (II, 282); ungeachtet ihnen nach dreizehnjährigem
Dienst vor kurzem nach der Schlacht von Kabeira der Abschied
zugesichert worden war, führte sie nichts desto weniger Lucul-
lus jetzt über den Euphrat, einem neuen unabsehbaren Krieg ent-
gegen — es schien, als wolle man die Sieger von Kabeira schlim-
mer behandeln als die Geschlagenen von Cannae (I, 429. 472).
Es war in der That mehr als verwegen, wenn mit so schwachen
und so gestimmten Truppen ein Feldherr auf eigene Faust und
streng genommen verfassungswidrig eine Expedition begann ge-
gen ein fernes und unbekanntes Land voll reiſsender Ströme und
schneebedeckter Berge, das schon durch seine gewaltige Ausdeh-
nung jeden leichtsinnig unternommenen Angriff gefährlich machte.
Vielfach und nicht ohne Grund wurde deſshalb Lucullus Verfah-
ren in Rom getadelt; nur hätte man dabei nicht verschweigen
sollen, daſs zunächst die Verkehrtheit der Regierung dieses ver-
wegene Vorgehen des Feldherrn veranlaſste und dasselbe wo
nicht rechtfertigte, doch entschuldbar machte.


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[59/0069] DIE SULLANISCHE RESTAURATIONSHERRSCHAFT. ten Ufer des Euphrat zu führen. Schon dies war bedenklich; indeſs die Geringfügigkeit der Zahl mochte durch die erprobte Tapferkeit der durchaus aus Veteranen bestehenden Armee eini- germaſsen ersetzt werden. Weit schlimmer war die Stimmung der Soldaten, auf die Lucullus in seiner hochadlichen Art viel zu wenig Rücksicht nahm. Lucullus war ein tüchtiger General und — nach aristokratischem Maſsstab — ein rechtschaffener und wohlwollender Mann, aber nichts weniger als beliebt bei seinen Soldaten. Er war unpopulär als entschiedener Anhänger der Oli- garchie, unpopulär, weil er in Kleinasien der gräulichen Wucherei der römischen Capitalisten nachdrücklich gesteuert hatte, unpo- pulär wegen der Arbeiten und Strapazen, die er dem Soldaten zumuthete, unpopulär, weil er von seinen Soldaten strenge Manns- zucht forderte und die Plünderung der griechischen Städte durch seine Leute möglichst verhinderte, daneben aber doch für sich sel- ber manchen Wagen und manches Kameel mit den Schätzen des Ostens beladen lieſs, unpopulär wegen seiner feinen, vornehmen, hellenisirenden, durchaus nicht kameradschaftlichen und, wo immer möglich, zu bequemem Wohlleben sich hinneigenden Weise. Nicht eine Spur des Zaubers war in ihm, der zwischen dem Feldherrn und dem Soldaten ein persönliches Band schlingt. Hiezu kam endlich, daſs ein groſser Theil seiner besten Soldaten alle Ursache hatte sich über die maſslose Verlängerung ihrer Dienstzeit zu beschweren. Seine beiden besten Legionen waren eben diejenigen, die Flaccus und Fimbria 668 nach dem Osten geführt hatten (II, 282); ungeachtet ihnen nach dreizehnjährigem Dienst vor kurzem nach der Schlacht von Kabeira der Abschied zugesichert worden war, führte sie nichts desto weniger Lucul- lus jetzt über den Euphrat, einem neuen unabsehbaren Krieg ent- gegen — es schien, als wolle man die Sieger von Kabeira schlim- mer behandeln als die Geschlagenen von Cannae (I, 429. 472). Es war in der That mehr als verwegen, wenn mit so schwachen und so gestimmten Truppen ein Feldherr auf eigene Faust und streng genommen verfassungswidrig eine Expedition begann ge- gen ein fernes und unbekanntes Land voll reiſsender Ströme und schneebedeckter Berge, das schon durch seine gewaltige Ausdeh- nung jeden leichtsinnig unternommenen Angriff gefährlich machte. Vielfach und nicht ohne Grund wurde deſshalb Lucullus Verfah- ren in Rom getadelt; nur hätte man dabei nicht verschweigen sollen, daſs zunächst die Verkehrtheit der Regierung dieses ver- wegene Vorgehen des Feldherrn veranlaſste und dasselbe wo nicht rechtfertigte, doch entschuldbar machte.

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/69>, abgerufen am 28.11.2024.