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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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DIE SULLANISCHE RESTAURATIONSHERRSCHAFT.
licher Gegenwehr in einem entlegenen armenischen Bergschloss,
ein Flüchtling aus seinem Reich und fast ein Gefangener seines
Schwiegersohns. Mochten die Corsarenschaaren noch auf Kreta
sich behaupten und was aus Amisos und Sinope entkommen war,
an die schwer zugängliche Ostküste des schwarzen Meeres zu den
Sanegen und Lazen sich retten: Lucullus geschickte Kriegführung
und seine verständige Mässigung, die es nicht verschmähte den
gerechten Beschwerden der Provinzialen abzuhelfen und die reu-
müthigen Emigranten als Offiziere in seinem Heere anzustellen,
hatte mit mässigen Opfern Kleinasien vom Feinde befreit und
das pontische Reich vernichtet, so dass dasselbe aus einem rö-
mischen Clientelstaat in eine römische Provinz verwandelt wer-
den konnte. Eine Commission des Senats ward erwartet, um in
Gemeinschaft mit dem Oberfeldherrn die neue Provinzialorgani-
sation festzustellen.

Aber noch waren die Verhältnisse mit Armenien nicht ge-
schlichtet. Dass eine Kriegserklärung der Römer gegen Tigranes
an sich gerechtfertigt, ja geboten war, wurde früher gezeigt. Lu-
cullus, der die Verhältnisse aus grösserer Nähe und mit höherem
Sinn betrachtete als das Senatorencollegium in Rom, erkannte
deutlich die Nothwendigkeit Armenien in seine Schranken zu-
rückzuweisen und die verlorene Herrschaft Roms über das Mittel-
meer wieder herzustellen. Er zeigte in der Leitung der asiati-
schen Angelegenheiten sich als keinen unwürdigen Nachfolger
seines Lehrmeisters und Freundes Sulla; Philhellene wie wenige
Römer seiner Zeit, war er nicht unempfänglich für die Verpflich-
tung, die Rom mit der Erbschaft Alexanders übernommen hatte:
Schild und Schwert der Griechen im Osten zu sein. Persönliche
Beweggründe, der Wunsch auch jenseit des Euphrat Lorbeeren
zu ernten, die Empfindlichkeit darüber, dass der Grosskönig in
einem Schreiben an ihn den Imperatorentitel weggelassen, kön-
nen freilich Lucullus mit bestimmt haben: allein es ist ungerecht
kleinliche und egoistische Motive da anzunehmen, wo zur Erklä-
rung der Handlungen die pflichtmässigen vollkommen ausreichen.
Indess von dem ängstlichen, lässigen, schlecht unterrichteten und
vor allen Dingen von ewiger Finanznoth bedrängten römischen
Regierungscollegium liess sich nimmermehr erwarten, dass es zu
einer so weitschichtigen und kostspieligen Expedition, ohne
unmittelbar dazu genöthigt zu sein, die Initiative ergreifen
werde. Veranlasst durch die günstige Wendung des pontischen
Krieges waren die legitimen Repräsentanten der Seleukidendyna-
stie, Antiochos der Asiate genannt und dessen Bruder, um 682

DIE SULLANISCHE RESTAURATIONSHERRSCHAFT.
licher Gegenwehr in einem entlegenen armenischen Bergschloſs,
ein Flüchtling aus seinem Reich und fast ein Gefangener seines
Schwiegersohns. Mochten die Corsarenschaaren noch auf Kreta
sich behaupten und was aus Amisos und Sinope entkommen war,
an die schwer zugängliche Ostküste des schwarzen Meeres zu den
Sanegen und Lazen sich retten: Lucullus geschickte Kriegführung
und seine verständige Mäſsigung, die es nicht verschmähte den
gerechten Beschwerden der Provinzialen abzuhelfen und die reu-
müthigen Emigranten als Offiziere in seinem Heere anzustellen,
hatte mit mäſsigen Opfern Kleinasien vom Feinde befreit und
das pontische Reich vernichtet, so daſs dasselbe aus einem rö-
mischen Clientelstaat in eine römische Provinz verwandelt wer-
den konnte. Eine Commission des Senats ward erwartet, um in
Gemeinschaft mit dem Oberfeldherrn die neue Provinzialorgani-
sation festzustellen.

Aber noch waren die Verhältnisse mit Armenien nicht ge-
schlichtet. Daſs eine Kriegserklärung der Römer gegen Tigranes
an sich gerechtfertigt, ja geboten war, wurde früher gezeigt. Lu-
cullus, der die Verhältnisse aus gröſserer Nähe und mit höherem
Sinn betrachtete als das Senatorencollegium in Rom, erkannte
deutlich die Nothwendigkeit Armenien in seine Schranken zu-
rückzuweisen und die verlorene Herrschaft Roms über das Mittel-
meer wieder herzustellen. Er zeigte in der Leitung der asiati-
schen Angelegenheiten sich als keinen unwürdigen Nachfolger
seines Lehrmeisters und Freundes Sulla; Philhellene wie wenige
Römer seiner Zeit, war er nicht unempfänglich für die Verpflich-
tung, die Rom mit der Erbschaft Alexanders übernommen hatte:
Schild und Schwert der Griechen im Osten zu sein. Persönliche
Beweggründe, der Wunsch auch jenseit des Euphrat Lorbeeren
zu ernten, die Empfindlichkeit darüber, daſs der Groſskönig in
einem Schreiben an ihn den Imperatorentitel weggelassen, kön-
nen freilich Lucullus mit bestimmt haben: allein es ist ungerecht
kleinliche und egoistische Motive da anzunehmen, wo zur Erklä-
rung der Handlungen die pflichtmäſsigen vollkommen ausreichen.
Indeſs von dem ängstlichen, lässigen, schlecht unterrichteten und
vor allen Dingen von ewiger Finanznoth bedrängten römischen
Regierungscollegium lieſs sich nimmermehr erwarten, daſs es zu
einer so weitschichtigen und kostspieligen Expedition, ohne
unmittelbar dazu genöthigt zu sein, die Initiative ergreifen
werde. Veranlaſst durch die günstige Wendung des pontischen
Krieges waren die legitimen Repräsentanten der Seleukidendyna-
stie, Antiochos der Asiate genannt und dessen Bruder, um 682

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[57/0067] DIE SULLANISCHE RESTAURATIONSHERRSCHAFT. licher Gegenwehr in einem entlegenen armenischen Bergschloſs, ein Flüchtling aus seinem Reich und fast ein Gefangener seines Schwiegersohns. Mochten die Corsarenschaaren noch auf Kreta sich behaupten und was aus Amisos und Sinope entkommen war, an die schwer zugängliche Ostküste des schwarzen Meeres zu den Sanegen und Lazen sich retten: Lucullus geschickte Kriegführung und seine verständige Mäſsigung, die es nicht verschmähte den gerechten Beschwerden der Provinzialen abzuhelfen und die reu- müthigen Emigranten als Offiziere in seinem Heere anzustellen, hatte mit mäſsigen Opfern Kleinasien vom Feinde befreit und das pontische Reich vernichtet, so daſs dasselbe aus einem rö- mischen Clientelstaat in eine römische Provinz verwandelt wer- den konnte. Eine Commission des Senats ward erwartet, um in Gemeinschaft mit dem Oberfeldherrn die neue Provinzialorgani- sation festzustellen. Aber noch waren die Verhältnisse mit Armenien nicht ge- schlichtet. Daſs eine Kriegserklärung der Römer gegen Tigranes an sich gerechtfertigt, ja geboten war, wurde früher gezeigt. Lu- cullus, der die Verhältnisse aus gröſserer Nähe und mit höherem Sinn betrachtete als das Senatorencollegium in Rom, erkannte deutlich die Nothwendigkeit Armenien in seine Schranken zu- rückzuweisen und die verlorene Herrschaft Roms über das Mittel- meer wieder herzustellen. Er zeigte in der Leitung der asiati- schen Angelegenheiten sich als keinen unwürdigen Nachfolger seines Lehrmeisters und Freundes Sulla; Philhellene wie wenige Römer seiner Zeit, war er nicht unempfänglich für die Verpflich- tung, die Rom mit der Erbschaft Alexanders übernommen hatte: Schild und Schwert der Griechen im Osten zu sein. Persönliche Beweggründe, der Wunsch auch jenseit des Euphrat Lorbeeren zu ernten, die Empfindlichkeit darüber, daſs der Groſskönig in einem Schreiben an ihn den Imperatorentitel weggelassen, kön- nen freilich Lucullus mit bestimmt haben: allein es ist ungerecht kleinliche und egoistische Motive da anzunehmen, wo zur Erklä- rung der Handlungen die pflichtmäſsigen vollkommen ausreichen. Indeſs von dem ängstlichen, lässigen, schlecht unterrichteten und vor allen Dingen von ewiger Finanznoth bedrängten römischen Regierungscollegium lieſs sich nimmermehr erwarten, daſs es zu einer so weitschichtigen und kostspieligen Expedition, ohne unmittelbar dazu genöthigt zu sein, die Initiative ergreifen werde. Veranlaſst durch die günstige Wendung des pontischen Krieges waren die legitimen Repräsentanten der Seleukidendyna- stie, Antiochos der Asiate genannt und dessen Bruder, um 682

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/67>, abgerufen am 24.11.2024.