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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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DIE SULLANISCHE RESTAURATIONSHERRSCHAFT.
den Flüchtlinge -- bezeichnend genug die geschlagenen Generale
selbst -- die Hiobspost, früher noch als Lucullus die Nachricht
von dem Sieg, erhalten hatte, beschloss er sofortigen weiteren
Rückzug. Aber der gefasste Entschluss des Königs verbreitete
sich mit Blitzesschnelle unter seiner nächsten Umgebung; und
wie die Soldaten die Vertrauten des Königs eiligst einpacken sahen,
wurden auch sie von panischen Schreck ergriffen. Niemand
wollte bei dem Aufbruch der letzte sein; Vornehme und Geringe
liefen durch einander wie gescheuchtes Wild; keine Autorität,
nicht einmal die des Königs ward noch beachtet und der König
selbst fortgerissen in dem wilden Getümmel. Die Verwirrung ge-
wahrend griff Lucullus an und fast ohne Widerstand zu leisten
liessen die pontischen Schaaren sich niedermetzeln. Hätten die
Legionen Mannszucht zu halten und ihre Beutegier zu mässigen
vermocht, so wäre kaum ein Mann ihnen entronnen und der Kö-
nig ohne Zweifel selbst gefangen worden. Mit Noth entkam
Mithradates mit wenigen Begleitern durch die Berge nach Ko-
mana (unweit Tokat und der Irisquelle), von wo ihn aber bald
eine römische Schaar unter Marcus Pompeius wieder aufscheuchte
und ihn verfolgte, bis er, von nicht mehr als 2000 Reitern be-
gleitet, bei Talaura in Kleinarmenien die Grenze seines Reiches
überschritt, um in dem Reiche des Grosskönigs eine Zuflucht-
stätte zu finden, aber auch nicht mehr (Ende 682). Tigranes
liess seinem flüchtigen Schwiegervater zwar königliche Ehre er-
zeigen, aber er lud ihn nicht einmal an seinen Hof, sondern hielt
ihn in der abgelegenen Grenzlandschaft, wo er sich befand, in
einer Art von anständiger Haft. Ganz Pontos und Kleinarmenien
war in den Händen der Römer; die Frauen des königlichen Ha-
rems, die königlichen Schwestern, seine zahlreichen Gemahlin-
nen und Kebse liess der König, da sie zu flüchten nicht mög-
lich war, durch einen seiner Verschnittenen in Pharnakeia (Ke-
rasunt) sämmtlich tödten. Bis nach Trapezus hinauf unter-
warf sich das platte Land ohne Widerstand dem Sieger. Auch
die Befehlshaber der königlichen Schatzhäuser ergaben sich nach
kürzerem oder längerem Zaudern und lieferten ihre Kassenvor-
räthe aus. Hartnäckiger waren die Städte. Zwar die wenigen im
Binnenland, Kabeira, Amaseia, Eupatoria, waren bald in der Ge-
walt der Römer; aber die grösseren Seestädte, Amisos und Si-
nope im Pontos, Amastris in Paphlagonien, Tios und das pon-
tische Herakleia in Bithynien wehrten sich wie Verzweifelte, theils
begeistert durch die Anhänglichkeit an den König und die von
ihm geschirmte freie hellenische Stadtverfassung, theils terrorisirt

DIE SULLANISCHE RESTAURATIONSHERRSCHAFT.
den Flüchtlinge — bezeichnend genug die geschlagenen Generale
selbst — die Hiobspost, früher noch als Lucullus die Nachricht
von dem Sieg, erhalten hatte, beschloſs er sofortigen weiteren
Rückzug. Aber der gefaſste Entschluss des Königs verbreitete
sich mit Blitzesschnelle unter seiner nächsten Umgebung; und
wie die Soldaten die Vertrauten des Königs eiligst einpacken sahen,
wurden auch sie von panischen Schreck ergriffen. Niemand
wollte bei dem Aufbruch der letzte sein; Vornehme und Geringe
liefen durch einander wie gescheuchtes Wild; keine Autorität,
nicht einmal die des Königs ward noch beachtet und der König
selbst fortgerissen in dem wilden Getümmel. Die Verwirrung ge-
wahrend griff Lucullus an und fast ohne Widerstand zu leisten
lieſsen die pontischen Schaaren sich niedermetzeln. Hätten die
Legionen Mannszucht zu halten und ihre Beutegier zu mäſsigen
vermocht, so wäre kaum ein Mann ihnen entronnen und der Kö-
nig ohne Zweifel selbst gefangen worden. Mit Noth entkam
Mithradates mit wenigen Begleitern durch die Berge nach Ko-
mana (unweit Tokat und der Irisquelle), von wo ihn aber bald
eine römische Schaar unter Marcus Pompeius wieder aufscheuchte
und ihn verfolgte, bis er, von nicht mehr als 2000 Reitern be-
gleitet, bei Talaura in Kleinarmenien die Grenze seines Reiches
überschritt, um in dem Reiche des Groſskönigs eine Zuflucht-
stätte zu finden, aber auch nicht mehr (Ende 682). Tigranes
lieſs seinem flüchtigen Schwiegervater zwar königliche Ehre er-
zeigen, aber er lud ihn nicht einmal an seinen Hof, sondern hielt
ihn in der abgelegenen Grenzlandschaft, wo er sich befand, in
einer Art von anständiger Haft. Ganz Pontos und Kleinarmenien
war in den Händen der Römer; die Frauen des königlichen Ha-
rems, die königlichen Schwestern, seine zahlreichen Gemahlin-
nen und Kebse lieſs der König, da sie zu flüchten nicht mög-
lich war, durch einen seiner Verschnittenen in Pharnakeia (Ke-
rasunt) sämmtlich tödten. Bis nach Trapezus hinauf unter-
warf sich das platte Land ohne Widerstand dem Sieger. Auch
die Befehlshaber der königlichen Schatzhäuser ergaben sich nach
kürzerem oder längerem Zaudern und lieferten ihre Kassenvor-
räthe aus. Hartnäckiger waren die Städte. Zwar die wenigen im
Binnenland, Kabeira, Amaseia, Eupatoria, waren bald in der Ge-
walt der Römer; aber die gröſseren Seestädte, Amisos und Si-
nope im Pontos, Amastris in Paphlagonien, Tios und das pon-
tische Herakleia in Bithynien wehrten sich wie Verzweifelte, theils
begeistert durch die Anhänglichkeit an den König und die von
ihm geschirmte freie hellenische Stadtverfassung, theils terrorisirt

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[55/0065] DIE SULLANISCHE RESTAURATIONSHERRSCHAFT. den Flüchtlinge — bezeichnend genug die geschlagenen Generale selbst — die Hiobspost, früher noch als Lucullus die Nachricht von dem Sieg, erhalten hatte, beschloſs er sofortigen weiteren Rückzug. Aber der gefaſste Entschluss des Königs verbreitete sich mit Blitzesschnelle unter seiner nächsten Umgebung; und wie die Soldaten die Vertrauten des Königs eiligst einpacken sahen, wurden auch sie von panischen Schreck ergriffen. Niemand wollte bei dem Aufbruch der letzte sein; Vornehme und Geringe liefen durch einander wie gescheuchtes Wild; keine Autorität, nicht einmal die des Königs ward noch beachtet und der König selbst fortgerissen in dem wilden Getümmel. Die Verwirrung ge- wahrend griff Lucullus an und fast ohne Widerstand zu leisten lieſsen die pontischen Schaaren sich niedermetzeln. Hätten die Legionen Mannszucht zu halten und ihre Beutegier zu mäſsigen vermocht, so wäre kaum ein Mann ihnen entronnen und der Kö- nig ohne Zweifel selbst gefangen worden. Mit Noth entkam Mithradates mit wenigen Begleitern durch die Berge nach Ko- mana (unweit Tokat und der Irisquelle), von wo ihn aber bald eine römische Schaar unter Marcus Pompeius wieder aufscheuchte und ihn verfolgte, bis er, von nicht mehr als 2000 Reitern be- gleitet, bei Talaura in Kleinarmenien die Grenze seines Reiches überschritt, um in dem Reiche des Groſskönigs eine Zuflucht- stätte zu finden, aber auch nicht mehr (Ende 682). Tigranes lieſs seinem flüchtigen Schwiegervater zwar königliche Ehre er- zeigen, aber er lud ihn nicht einmal an seinen Hof, sondern hielt ihn in der abgelegenen Grenzlandschaft, wo er sich befand, in einer Art von anständiger Haft. Ganz Pontos und Kleinarmenien war in den Händen der Römer; die Frauen des königlichen Ha- rems, die königlichen Schwestern, seine zahlreichen Gemahlin- nen und Kebse lieſs der König, da sie zu flüchten nicht mög- lich war, durch einen seiner Verschnittenen in Pharnakeia (Ke- rasunt) sämmtlich tödten. Bis nach Trapezus hinauf unter- warf sich das platte Land ohne Widerstand dem Sieger. Auch die Befehlshaber der königlichen Schatzhäuser ergaben sich nach kürzerem oder längerem Zaudern und lieferten ihre Kassenvor- räthe aus. Hartnäckiger waren die Städte. Zwar die wenigen im Binnenland, Kabeira, Amaseia, Eupatoria, waren bald in der Ge- walt der Römer; aber die gröſseren Seestädte, Amisos und Si- nope im Pontos, Amastris in Paphlagonien, Tios und das pon- tische Herakleia in Bithynien wehrten sich wie Verzweifelte, theils begeistert durch die Anhänglichkeit an den König und die von ihm geschirmte freie hellenische Stadtverfassung, theils terrorisirt

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/65>, abgerufen am 24.11.2024.