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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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FÜNFTES BUCH. KAPITEL XII.
möglich an der Quelle zu schöpfen. Die Curse bei den griechi-
schen Meistern in Rom genügten nur noch für den ersten Anlauf;
wer irgend wollte mitsprechen können, hörte griechische Philo-
sophie in Athen, griechische Rhetorik in Rhodos und machte
eine litterarische und Kunstreise durch Kleinasien, wo noch am
meisten von den alten Kunstschätzen der Hellenen an Ort und
Stelle anzutreffen war und, wenn auch handwerksmässig, die mu-
sische Bildung derselben sich fortgepflanzt hatte; wogegen das
fernere und mehr als Sitz der strengen Wissenschaften gefeierte
Alexandreia weit seltener das Reiseziel der bildungslustigen jungen
Leute ward. -- Aehnlich wie der griechische steigerte sich auch
der lateinische Unterricht. Zum Theil geschah dies schon durch
die blosse Rückwirkung des griechischen, dem er ja seine Me-
thode und seine Anregungen wesentlich entlehnte. Es kam hin-
zu, dass die Schriften des sechsten Jahrhunderts, je weiter sie in
die Vergangenheit zurücktraten, desto entschiedener als klassische
Texte der goldenen Zeit der lateinischen Litteratur zu gelten an-
fingen und dem wesentlich auf sie sich concentrirenden Unter-
richt damit ein grösseres Schwergewicht gaben. Endlich gab die
von vielen Seiten her einreissende und einwandernde Barbarei und
die beginnende Latinisirung ausgedehnter keltischer und spani-
scher Landschaften der lateinischen Sprachlehre und dem latei-
nischen Unterricht von selbst eine höhere Bedeutung, als er sie
hatte haben können, so lange nur Latium lateinisch sprach: der
Lehrer der lateinischen Litteratur hatte in Comum und Narbo von
Haus aus eine andere Stellung als in Praeneste und Ardea. Das
Gesammtresultat war doch mehr ein Sinken als ein Steigen der
Bildung. Der Ruin der italischen Landstädte, das massenhafte
Eindringen fremder Elemente, die politische, ökonomische und
sittliche Verwilderung der Nation, vor allem die zerrüttenden
Bürgerkriege verdarben auch in der Sprache mehr als alle Schul-
meister der Welt wieder gut machen konnten; und der engere
Contact mit der hellenischen Bildung der Gegenwart, der be-
stimmtere Einfluss der geschwätzigen athenischen Weisheit und
der rhodischen und kleinasiatischen Rhetorik führten vorwiegend
eben die schädlichsten Elemente des Hellenismus der römischen
Jugend zu. Auch die propagandistische Mission, die Latium un-
ter den Kelten, Iberern und Libyern übernahm, wie stolz die
Aufgabe auch war, musste doch für die lateinische Sprache ähn-
liche Folgen haben, wie die Hellenisirung des Ostens sie für die
hellenische gehabt hatte. Wenn das römische Publicum dieser
Zeit die wohlgefügte und rhythmisch cadenzirte Periode des Red-

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möglich an der Quelle zu schöpfen. Die Curse bei den griechi-
schen Meistern in Rom genügten nur noch für den ersten Anlauf;
wer irgend wollte mitsprechen können, hörte griechische Philo-
sophie in Athen, griechische Rhetorik in Rhodos und machte
eine litterarische und Kunstreise durch Kleinasien, wo noch am
meisten von den alten Kunstschätzen der Hellenen an Ort und
Stelle anzutreffen war und, wenn auch handwerksmäſsig, die mu-
sische Bildung derselben sich fortgepflanzt hatte; wogegen das
fernere und mehr als Sitz der strengen Wissenschaften gefeierte
Alexandreia weit seltener das Reiseziel der bildungslustigen jungen
Leute ward. — Aehnlich wie der griechische steigerte sich auch
der lateinische Unterricht. Zum Theil geschah dies schon durch
die bloſse Rückwirkung des griechischen, dem er ja seine Me-
thode und seine Anregungen wesentlich entlehnte. Es kam hin-
zu, daſs die Schriften des sechsten Jahrhunderts, je weiter sie in
die Vergangenheit zurücktraten, desto entschiedener als klassische
Texte der goldenen Zeit der lateinischen Litteratur zu gelten an-
fingen und dem wesentlich auf sie sich concentrirenden Unter-
richt damit ein gröſseres Schwergewicht gaben. Endlich gab die
von vielen Seiten her einreiſsende und einwandernde Barbarei und
die beginnende Latinisirung ausgedehnter keltischer und spani-
scher Landschaften der lateinischen Sprachlehre und dem latei-
nischen Unterricht von selbst eine höhere Bedeutung, als er sie
hatte haben können, so lange nur Latium lateinisch sprach: der
Lehrer der lateinischen Litteratur hatte in Comum und Narbo von
Haus aus eine andere Stellung als in Praeneste und Ardea. Das
Gesammtresultat war doch mehr ein Sinken als ein Steigen der
Bildung. Der Ruin der italischen Landstädte, das massenhafte
Eindringen fremder Elemente, die politische, ökonomische und
sittliche Verwilderung der Nation, vor allem die zerrüttenden
Bürgerkriege verdarben auch in der Sprache mehr als alle Schul-
meister der Welt wieder gut machen konnten; und der engere
Contact mit der hellenischen Bildung der Gegenwart, der be-
stimmtere Einfluſs der geschwätzigen athenischen Weisheit und
der rhodischen und kleinasiatischen Rhetorik führten vorwiegend
eben die schädlichsten Elemente des Hellenismus der römischen
Jugend zu. Auch die propagandistische Mission, die Latium un-
ter den Kelten, Iberern und Libyern übernahm, wie stolz die
Aufgabe auch war, muſste doch für die lateinische Sprache ähn-
liche Folgen haben, wie die Hellenisirung des Ostens sie für die
hellenische gehabt hatte. Wenn das römische Publicum dieser
Zeit die wohlgefügte und rhythmisch cadenzirte Periode des Red-

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[532/0542] FÜNFTES BUCH. KAPITEL XII. möglich an der Quelle zu schöpfen. Die Curse bei den griechi- schen Meistern in Rom genügten nur noch für den ersten Anlauf; wer irgend wollte mitsprechen können, hörte griechische Philo- sophie in Athen, griechische Rhetorik in Rhodos und machte eine litterarische und Kunstreise durch Kleinasien, wo noch am meisten von den alten Kunstschätzen der Hellenen an Ort und Stelle anzutreffen war und, wenn auch handwerksmäſsig, die mu- sische Bildung derselben sich fortgepflanzt hatte; wogegen das fernere und mehr als Sitz der strengen Wissenschaften gefeierte Alexandreia weit seltener das Reiseziel der bildungslustigen jungen Leute ward. — Aehnlich wie der griechische steigerte sich auch der lateinische Unterricht. Zum Theil geschah dies schon durch die bloſse Rückwirkung des griechischen, dem er ja seine Me- thode und seine Anregungen wesentlich entlehnte. Es kam hin- zu, daſs die Schriften des sechsten Jahrhunderts, je weiter sie in die Vergangenheit zurücktraten, desto entschiedener als klassische Texte der goldenen Zeit der lateinischen Litteratur zu gelten an- fingen und dem wesentlich auf sie sich concentrirenden Unter- richt damit ein gröſseres Schwergewicht gaben. Endlich gab die von vielen Seiten her einreiſsende und einwandernde Barbarei und die beginnende Latinisirung ausgedehnter keltischer und spani- scher Landschaften der lateinischen Sprachlehre und dem latei- nischen Unterricht von selbst eine höhere Bedeutung, als er sie hatte haben können, so lange nur Latium lateinisch sprach: der Lehrer der lateinischen Litteratur hatte in Comum und Narbo von Haus aus eine andere Stellung als in Praeneste und Ardea. Das Gesammtresultat war doch mehr ein Sinken als ein Steigen der Bildung. Der Ruin der italischen Landstädte, das massenhafte Eindringen fremder Elemente, die politische, ökonomische und sittliche Verwilderung der Nation, vor allem die zerrüttenden Bürgerkriege verdarben auch in der Sprache mehr als alle Schul- meister der Welt wieder gut machen konnten; und der engere Contact mit der hellenischen Bildung der Gegenwart, der be- stimmtere Einfluſs der geschwätzigen athenischen Weisheit und der rhodischen und kleinasiatischen Rhetorik führten vorwiegend eben die schädlichsten Elemente des Hellenismus der römischen Jugend zu. Auch die propagandistische Mission, die Latium un- ter den Kelten, Iberern und Libyern übernahm, wie stolz die Aufgabe auch war, muſste doch für die lateinische Sprache ähn- liche Folgen haben, wie die Hellenisirung des Ostens sie für die hellenische gehabt hatte. Wenn das römische Publicum dieser Zeit die wohlgefügte und rhythmisch cadenzirte Periode des Red-

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 532. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/542>, abgerufen am 27.11.2024.