Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.REPUBLIK UND MONARCHIE. mein subsidiäres Recht geworden, indem man die mannigfaltigenLocalstatuten für diejenigen Rechtsverhältnisse, die nicht zunächst Verkehrsverhältnisse sind, so wie für den Localverkehr zwischen Gliedern desselben Rechtssprengels beibehielt, dagegen den Ver- mögensverkehr zwischen Reichsangehörigen verschiedener Rechts- kreise durchgängig nach dem Muster des rechtlich auf diese Fälle freilich nicht anwendbaren Stadtedicts sowohl in Italien wie in den Provinzen regulirte. Das Recht des Stadtedicts hatte also wesent- lich dieselbe Stellung in jener Zeit, die in unserer staatlichen Entwickelung das römische Recht eingenommen hat: auch dies ist, soweit solche Gegensätze sich vereinigen lassen, zugleich ab- stract und positiv; auch dies empfahl sich durch seine verglichen mit dem älteren Satzungsrecht geschmeidigen Verkehrsformen und trat neben den Localstatuten als allgemeines Hülfsrecht ein. Nur darin hatte die römische Rechtsentwickelung vor der unsri- gen einen wesentlichen Vorzug, dass das denationalisirte Recht nicht wie bei uns vorzeitig und durch Kunstgeburt, sondern rechtzeitig und naturgemäss sich einfand. Diesen Rechtszustand fand Caesar vor. Wenn er den Plan entwarf zu einem neuen Ge- setzbuch, so ist es nicht schwer zu sagen, was er damit beabsich- tigt hat. Es konnte dies Gesetzbuch einzig auf das Recht der rö- mischen Bürger sich erstrecken und allgemeines Reichsgesetzbuch nur insofern werden, als ein zeitgemässes Gesetzbuch der herr- schenden Nation von selbst im ganzen Umfange des Reiches all- gemeines Subsidiarrecht werden musste. Im Criminalrecht, wenn überhaupt der Plan sich auf dies mit erstreckte, bedurfte es nur einer Revision und Redaction der sullanischen Ordnungen. Im Civilrecht war für einen Staat, dessen Nationalität eigentlich die Humanität war, jenes abstract-positive Stadtedict die nothwen- dige und einzig mögliche Formulirung; es war nur erforderlich dies aus dem rechtlichen Verkehr hervorgewachsene Recht zu sichern und zu präcisiren. Den ersten Schritt dazu hatte das cor- nelische Gesetz von 687 gethan, indem es dem Richter vorschrieb von den zu Anfang seines Amtes aufgestellten Maximen nicht ab- zuweichen noch willkürlich anderes Recht zu sprechen (S. 152) -- eine Bestimmung, die mit dem Zwölftafelgesetz wohl vergli- chen werden darf und für die Fixirung des neueren Stadtrechts fast ebenso bedeutsam geworden ist wie jenes für die Fixirung des älteren. Aber wenn auch seit dem cornelischen Volksschluss das Edict nicht mehr unter dem Richter stand, sondern gesetz- lich der Richter unter dem Edict; wenn auch das neue Gesetz- buch thatsächlich im Gerichtsgebrauch wie im Rechtsunterricht REPUBLIK UND MONARCHIE. mein subsidiäres Recht geworden, indem man die mannigfaltigenLocalstatuten für diejenigen Rechtsverhältnisse, die nicht zunächst Verkehrsverhältnisse sind, so wie für den Localverkehr zwischen Gliedern desselben Rechtssprengels beibehielt, dagegen den Ver- mögensverkehr zwischen Reichsangehörigen verschiedener Rechts- kreise durchgängig nach dem Muster des rechtlich auf diese Fälle freilich nicht anwendbaren Stadtedicts sowohl in Italien wie in den Provinzen regulirte. Das Recht des Stadtedicts hatte also wesent- lich dieselbe Stellung in jener Zeit, die in unserer staatlichen Entwickelung das römische Recht eingenommen hat: auch dies ist, soweit solche Gegensätze sich vereinigen lassen, zugleich ab- stract und positiv; auch dies empfahl sich durch seine verglichen mit dem älteren Satzungsrecht geschmeidigen Verkehrsformen und trat neben den Localstatuten als allgemeines Hülfsrecht ein. Nur darin hatte die römische Rechtsentwickelung vor der unsri- gen einen wesentlichen Vorzug, daſs das denationalisirte Recht nicht wie bei uns vorzeitig und durch Kunstgeburt, sondern rechtzeitig und naturgemäſs sich einfand. Diesen Rechtszustand fand Caesar vor. Wenn er den Plan entwarf zu einem neuen Ge- setzbuch, so ist es nicht schwer zu sagen, was er damit beabsich- tigt hat. Es konnte dies Gesetzbuch einzig auf das Recht der rö- mischen Bürger sich erstrecken und allgemeines Reichsgesetzbuch nur insofern werden, als ein zeitgemäſses Gesetzbuch der herr- schenden Nation von selbst im ganzen Umfange des Reiches all- gemeines Subsidiarrecht werden muſste. Im Criminalrecht, wenn überhaupt der Plan sich auf dies mit erstreckte, bedurfte es nur einer Revision und Redaction der sullanischen Ordnungen. Im Civilrecht war für einen Staat, dessen Nationalität eigentlich die Humanität war, jenes abstract-positive Stadtedict die nothwen- dige und einzig mögliche Formulirung; es war nur erforderlich dies aus dem rechtlichen Verkehr hervorgewachsene Recht zu sichern und zu präcisiren. Den ersten Schritt dazu hatte das cor- nelische Gesetz von 687 gethan, indem es dem Richter vorschrieb von den zu Anfang seines Amtes aufgestellten Maximen nicht ab- zuweichen noch willkürlich anderes Recht zu sprechen (S. 152) — eine Bestimmung, die mit dem Zwölftafelgesetz wohl vergli- chen werden darf und für die Fixirung des neueren Stadtrechts fast ebenso bedeutsam geworden ist wie jenes für die Fixirung des älteren. Aber wenn auch seit dem cornelischen Volksschluſs das Edict nicht mehr unter dem Richter stand, sondern gesetz- lich der Richter unter dem Edict; wenn auch das neue Gesetz- buch thatsächlich im Gerichtsgebrauch wie im Rechtsunterricht <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0529" n="519"/><fw type="header" place="top">REPUBLIK UND MONARCHIE.</fw><lb/> mein subsidiäres Recht geworden, indem man die mannigfaltigen<lb/> Localstatuten für diejenigen Rechtsverhältnisse, die nicht zunächst<lb/> Verkehrsverhältnisse sind, so wie für den Localverkehr zwischen<lb/> Gliedern desselben Rechtssprengels beibehielt, dagegen den Ver-<lb/> mögensverkehr zwischen Reichsangehörigen verschiedener Rechts-<lb/> kreise durchgängig nach dem Muster des rechtlich auf diese Fälle<lb/> freilich nicht anwendbaren Stadtedicts sowohl in Italien wie in den<lb/> Provinzen regulirte. Das Recht des Stadtedicts hatte also wesent-<lb/> lich dieselbe Stellung in jener Zeit, die in unserer staatlichen<lb/> Entwickelung das römische Recht eingenommen hat: auch dies<lb/> ist, soweit solche Gegensätze sich vereinigen lassen, zugleich ab-<lb/> stract und positiv; auch dies empfahl sich durch seine verglichen<lb/> mit dem älteren Satzungsrecht geschmeidigen Verkehrsformen<lb/> und trat neben den Localstatuten als allgemeines Hülfsrecht ein.<lb/> Nur darin hatte die römische Rechtsentwickelung vor der unsri-<lb/> gen einen wesentlichen Vorzug, daſs das denationalisirte Recht<lb/> nicht wie bei uns vorzeitig und durch Kunstgeburt, sondern<lb/> rechtzeitig und naturgemäſs sich einfand. Diesen Rechtszustand<lb/> fand Caesar vor. Wenn er den Plan entwarf zu einem neuen Ge-<lb/> setzbuch, so ist es nicht schwer zu sagen, was er damit beabsich-<lb/> tigt hat. Es konnte dies Gesetzbuch einzig auf das Recht der rö-<lb/> mischen Bürger sich erstrecken und allgemeines Reichsgesetzbuch<lb/> nur insofern werden, als ein zeitgemäſses Gesetzbuch der herr-<lb/> schenden Nation von selbst im ganzen Umfange des Reiches all-<lb/> gemeines Subsidiarrecht werden muſste. Im Criminalrecht, wenn<lb/> überhaupt der Plan sich auf dies mit erstreckte, bedurfte es nur<lb/> einer Revision und Redaction der sullanischen Ordnungen. Im<lb/> Civilrecht war für einen Staat, dessen Nationalität eigentlich die<lb/> Humanität war, jenes abstract-positive Stadtedict die nothwen-<lb/> dige und einzig mögliche Formulirung; es war nur erforderlich<lb/> dies aus dem rechtlichen Verkehr hervorgewachsene Recht zu<lb/> sichern und zu präcisiren. 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REPUBLIK UND MONARCHIE.
mein subsidiäres Recht geworden, indem man die mannigfaltigen
Localstatuten für diejenigen Rechtsverhältnisse, die nicht zunächst
Verkehrsverhältnisse sind, so wie für den Localverkehr zwischen
Gliedern desselben Rechtssprengels beibehielt, dagegen den Ver-
mögensverkehr zwischen Reichsangehörigen verschiedener Rechts-
kreise durchgängig nach dem Muster des rechtlich auf diese Fälle
freilich nicht anwendbaren Stadtedicts sowohl in Italien wie in den
Provinzen regulirte. Das Recht des Stadtedicts hatte also wesent-
lich dieselbe Stellung in jener Zeit, die in unserer staatlichen
Entwickelung das römische Recht eingenommen hat: auch dies
ist, soweit solche Gegensätze sich vereinigen lassen, zugleich ab-
stract und positiv; auch dies empfahl sich durch seine verglichen
mit dem älteren Satzungsrecht geschmeidigen Verkehrsformen
und trat neben den Localstatuten als allgemeines Hülfsrecht ein.
Nur darin hatte die römische Rechtsentwickelung vor der unsri-
gen einen wesentlichen Vorzug, daſs das denationalisirte Recht
nicht wie bei uns vorzeitig und durch Kunstgeburt, sondern
rechtzeitig und naturgemäſs sich einfand. Diesen Rechtszustand
fand Caesar vor. Wenn er den Plan entwarf zu einem neuen Ge-
setzbuch, so ist es nicht schwer zu sagen, was er damit beabsich-
tigt hat. Es konnte dies Gesetzbuch einzig auf das Recht der rö-
mischen Bürger sich erstrecken und allgemeines Reichsgesetzbuch
nur insofern werden, als ein zeitgemäſses Gesetzbuch der herr-
schenden Nation von selbst im ganzen Umfange des Reiches all-
gemeines Subsidiarrecht werden muſste. Im Criminalrecht, wenn
überhaupt der Plan sich auf dies mit erstreckte, bedurfte es nur
einer Revision und Redaction der sullanischen Ordnungen. Im
Civilrecht war für einen Staat, dessen Nationalität eigentlich die
Humanität war, jenes abstract-positive Stadtedict die nothwen-
dige und einzig mögliche Formulirung; es war nur erforderlich
dies aus dem rechtlichen Verkehr hervorgewachsene Recht zu
sichern und zu präcisiren. Den ersten Schritt dazu hatte das cor-
nelische Gesetz von 687 gethan, indem es dem Richter vorschrieb
von den zu Anfang seines Amtes aufgestellten Maximen nicht ab-
zuweichen noch willkürlich anderes Recht zu sprechen (S. 152)
— eine Bestimmung, die mit dem Zwölftafelgesetz wohl vergli-
chen werden darf und für die Fixirung des neueren Stadtrechts
fast ebenso bedeutsam geworden ist wie jenes für die Fixirung
des älteren. Aber wenn auch seit dem cornelischen Volksschluſs
das Edict nicht mehr unter dem Richter stand, sondern gesetz-
lich der Richter unter dem Edict; wenn auch das neue Gesetz-
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