Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.FÜNFTES BUCH. KAPITEL XI. Nationalität immer das Uebergewicht; wie sich dies schon darinausspricht, dass er jede Verfügung in lateinischer, aber die für die griechisch redenden Landschaften bestimmten daneben in grie- chischer Sprache erliess. Im Allgemeinen ordnete er die Verhält- nisse der beiden grossen Nationen in seiner Monarchie eben wie sie in dem geeinigten Italien seine republikanischen Vorgänger geordnet hatten: die hellenische Nationalität wurde geschützt, wo sie bestand, die italische nach Vermögen erweitert und ihr die Erbschaft der aufzulösenden Racen bestimmt. Es war dies schon desshalb nothwendig, weil eine völlige Gleichstellung des griechi- schen und des lateinischen Elements im Staate aller Wahrschein- lichkeit nach in sehr kurzer Zeit diejenige Katastrophe herbeige- führt haben würde, die manche Jahrhunderte später der Byzan- tinismus vollzog; denn das Griechenthum war nicht bloss geistig nach allen Richtungen hin dem römischen Wesen überlegen, son- dern auch an Masse, und hatte in Italien selbst an den Schwärmen der gezwungen oder freiwillig nach Italien wandernden Hellenen und Halbhellenen eine Unzahl unscheinbarer, aber in ihrem Ein- fluss nicht hoch genug anzuschlagender Apostel. Um nur der eminentesten Erscheinung auf diesem Gebiete zu gedenken, so ist das Regiment der griechischen Lakaien über die römischen Monarchen so alt wie die Monarchie: der erste in der ebenso lan- gen wie widerwärtigen Liste dieser Individuen ist Pompeius ver- trauter Bedienter Theophanes von Mytilene, welcher durch seine Gewalt über den schwachen Herrn wahrscheinlich mehr als ir- gend ein anderer Mann zu dem Ausbruch des Krieges zwischen Pompeius und Caesar beigetragen hat. Nicht ganz mit Unrecht ward er nach seinem Tode von seinen Landsleuten göttlich ver- ehrt: eröffnete er doch die griechische Kammerdienerherrschaft der Kaiserzeit, die gewissermassen doch auch eine Herrschaft der Hellenen über die Römer war. Die Regierung hatte demnach allen Grund die Ausbreitung des Hellenismus wenigstens im Westen nicht noch von oben herab zu fördern; wohl aber ward das Grie- chenthum, wo es bestand, erhalten und geschützt. Wie nahe auch die politischen Krisen es dem Imperator legten die festen Pfeiler des Hellenismus im Occident und in Aegypten umzustür- zen, Massalia und Alexandreia wurden weder vernichtet noch de- nationalisirt. Wenn Sicilien nicht bloss des Zehntendruckes ent- lastet, sondern auch seinen Gemeinden das latinische Recht be- stimmt ward, dem seiner Zeit vermuthlich die volle Gleichstel- lung mit Italien nachfolgen sollte, so war Caesars Absicht ohne Zweifel nicht Sicilien zu latinisiren, sondern die herrliche Insel, FÜNFTES BUCH. KAPITEL XI. Nationalität immer das Uebergewicht; wie sich dies schon darinausspricht, daſs er jede Verfügung in lateinischer, aber die für die griechisch redenden Landschaften bestimmten daneben in grie- chischer Sprache erlieſs. Im Allgemeinen ordnete er die Verhält- nisse der beiden groſsen Nationen in seiner Monarchie eben wie sie in dem geeinigten Italien seine republikanischen Vorgänger geordnet hatten: die hellenische Nationalität wurde geschützt, wo sie bestand, die italische nach Vermögen erweitert und ihr die Erbschaft der aufzulösenden Racen bestimmt. Es war dies schon deſshalb nothwendig, weil eine völlige Gleichstellung des griechi- schen und des lateinischen Elements im Staate aller Wahrschein- lichkeit nach in sehr kurzer Zeit diejenige Katastrophe herbeige- führt haben würde, die manche Jahrhunderte später der Byzan- tinismus vollzog; denn das Griechenthum war nicht bloſs geistig nach allen Richtungen hin dem römischen Wesen überlegen, son- dern auch an Masse, und hatte in Italien selbst an den Schwärmen der gezwungen oder freiwillig nach Italien wandernden Hellenen und Halbhellenen eine Unzahl unscheinbarer, aber in ihrem Ein- fluſs nicht hoch genug anzuschlagender Apostel. Um nur der eminentesten Erscheinung auf diesem Gebiete zu gedenken, so ist das Regiment der griechischen Lakaien über die römischen Monarchen so alt wie die Monarchie: der erste in der ebenso lan- gen wie widerwärtigen Liste dieser Individuen ist Pompeius ver- trauter Bedienter Theophanes von Mytilene, welcher durch seine Gewalt über den schwachen Herrn wahrscheinlich mehr als ir- gend ein anderer Mann zu dem Ausbruch des Krieges zwischen Pompeius und Caesar beigetragen hat. Nicht ganz mit Unrecht ward er nach seinem Tode von seinen Landsleuten göttlich ver- ehrt: eröffnete er doch die griechische Kammerdienerherrschaft der Kaiserzeit, die gewissermaſsen doch auch eine Herrschaft der Hellenen über die Römer war. Die Regierung hatte demnach allen Grund die Ausbreitung des Hellenismus wenigstens im Westen nicht noch von oben herab zu fördern; wohl aber ward das Grie- chenthum, wo es bestand, erhalten und geschützt. Wie nahe auch die politischen Krisen es dem Imperator legten die festen Pfeiler des Hellenismus im Occident und in Aegypten umzustür- zen, Massalia und Alexandreia wurden weder vernichtet noch de- nationalisirt. Wenn Sicilien nicht bloſs des Zehntendruckes ent- lastet, sondern auch seinen Gemeinden das latinische Recht be- stimmt ward, dem seiner Zeit vermuthlich die volle Gleichstel- lung mit Italien nachfolgen sollte, so war Caesars Absicht ohne Zweifel nicht Sicilien zu latinisiren, sondern die herrliche Insel, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0518" n="508"/><fw place="top" type="header">FÜNFTES BUCH. KAPITEL XI.</fw><lb/> Nationalität immer das Uebergewicht; wie sich dies schon darin<lb/> ausspricht, daſs er jede Verfügung in lateinischer, aber die für die<lb/> griechisch redenden Landschaften bestimmten daneben in grie-<lb/> chischer Sprache erlieſs. 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FÜNFTES BUCH. KAPITEL XI.
Nationalität immer das Uebergewicht; wie sich dies schon darin
ausspricht, daſs er jede Verfügung in lateinischer, aber die für die
griechisch redenden Landschaften bestimmten daneben in grie-
chischer Sprache erlieſs. Im Allgemeinen ordnete er die Verhält-
nisse der beiden groſsen Nationen in seiner Monarchie eben wie
sie in dem geeinigten Italien seine republikanischen Vorgänger
geordnet hatten: die hellenische Nationalität wurde geschützt, wo
sie bestand, die italische nach Vermögen erweitert und ihr die
Erbschaft der aufzulösenden Racen bestimmt. Es war dies schon
deſshalb nothwendig, weil eine völlige Gleichstellung des griechi-
schen und des lateinischen Elements im Staate aller Wahrschein-
lichkeit nach in sehr kurzer Zeit diejenige Katastrophe herbeige-
führt haben würde, die manche Jahrhunderte später der Byzan-
tinismus vollzog; denn das Griechenthum war nicht bloſs geistig
nach allen Richtungen hin dem römischen Wesen überlegen, son-
dern auch an Masse, und hatte in Italien selbst an den Schwärmen
der gezwungen oder freiwillig nach Italien wandernden Hellenen
und Halbhellenen eine Unzahl unscheinbarer, aber in ihrem Ein-
fluſs nicht hoch genug anzuschlagender Apostel. Um nur der
eminentesten Erscheinung auf diesem Gebiete zu gedenken, so
ist das Regiment der griechischen Lakaien über die römischen
Monarchen so alt wie die Monarchie: der erste in der ebenso lan-
gen wie widerwärtigen Liste dieser Individuen ist Pompeius ver-
trauter Bedienter Theophanes von Mytilene, welcher durch seine
Gewalt über den schwachen Herrn wahrscheinlich mehr als ir-
gend ein anderer Mann zu dem Ausbruch des Krieges zwischen
Pompeius und Caesar beigetragen hat. Nicht ganz mit Unrecht
ward er nach seinem Tode von seinen Landsleuten göttlich ver-
ehrt: eröffnete er doch die griechische Kammerdienerherrschaft
der Kaiserzeit, die gewissermaſsen doch auch eine Herrschaft der
Hellenen über die Römer war. Die Regierung hatte demnach allen
Grund die Ausbreitung des Hellenismus wenigstens im Westen
nicht noch von oben herab zu fördern; wohl aber ward das Grie-
chenthum, wo es bestand, erhalten und geschützt. Wie nahe
auch die politischen Krisen es dem Imperator legten die festen
Pfeiler des Hellenismus im Occident und in Aegypten umzustür-
zen, Massalia und Alexandreia wurden weder vernichtet noch de-
nationalisirt. Wenn Sicilien nicht bloſs des Zehntendruckes ent-
lastet, sondern auch seinen Gemeinden das latinische Recht be-
stimmt ward, dem seiner Zeit vermuthlich die volle Gleichstel-
lung mit Italien nachfolgen sollte, so war Caesars Absicht ohne
Zweifel nicht Sicilien zu latinisiren, sondern die herrliche Insel,
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