Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

Bild:
<< vorherige Seite

REPUBLIK UND MONARCHIE.
Herrn, wie Knechte und Freigelassene nach dem grausamen Haus-
recht jener Zeit zu büssen pflegten. Die ausserordentlichen öffent-
lichen Lasten wurden auf das richtige Mass und den wirklichen
Nothfall zurückgeführt, die ordentlichen wesentlich beschränkt.
Der durchgreifenden Regulirung des Steuerwesens ward bereits
früher gedacht (S. 469): die Ausdehnung der Steuerfreiheiten,
die durchgängige Herabsetzung der directen Abgaben, die Be-
schränkung des Zehntsystems auf Africa und Sardinien, die voll-
ständige Beseitigung der Mittelsmänner bei der Einziehung der
directen Abgaben waren für die Provinzialen segensreiche Refor-
men. Dass Caesar nach dem Beispiel eines seiner grössten de-
mokratischen Vorgänger, des Sertorius (S. 19), die Unterthanen
von der Einquartierungslast befreit und die Soldaten angehalten
hat sich selber solide stadtartige Standlager zu errichten, ist zwar
nicht nachzuweisen; aber er war, wenigstens nachdem er die Prä-
tendenten- mit der Königsrolle vertauscht hatte, nicht der Mann
den Unterthan dem Soldaten preiszugeben und es war in seinem
Geiste gedacht, als die Erben seiner Politik solche Kriegslager
und aus diesen Kriegslagern wieder Städte erschufen, in denen
die italische Civilisation Brennpuncte inmitten der barbarischen
Grenzlandschaften fand. -- Bei weitem schwieriger als dem Be-
amtenunwesen zu steuern war es die Provinzialen von der er-
drückenden Uebermacht des römischen Capitals zu befreien. Ge-
radezu brechen liess dieselbe sich nicht, ohne Mittel anzuwenden,
die noch gefährlicher waren als das Uebel; die Regierung konnte
nichts thun als vorläufig der offenbaren Vergewaltigung und dem
handgreiflichen Wucher durch scharfe Handhabung der auch auf
die Provinzen sich erstreckenden allgemeinen Wuchergesetze
(S. 494) steuern und von dem unter der besseren Verwaltung
wieder aufblühenden Wohlstand der Provinzialen eine gründli-
chere Heilung des Uebels erwarten. Dass Caesar in diesem Sinne
thätig war, zeigt die Abstellung des Missbrauches, der zu wucher-
lichen Zwecken mit dem Staatsgesandtentitel getrieben ward.
Transitorische Verfügungen, um der Ueberschuldung einzelner
Provinzen abzuhelfen, werden aus dieser Zeit mehrere erwähnt.
So überwies Caesar selbst bereits 694 als Statthalter des jensei-
tigen Spaniens den Gläubigern zwei Drittel der Einnahmen ihrer
Schuldner, um daraus sich bezahlt zu machen. Aehnlich hatte
schon Lucius Lucullus als Statthalter von Kleinasien die Gläubi-
ger, nachdem er einen Theil der masslos angeschwollenen Zins-
reste geradezu cassirt hatte, für den übrigen Theil ihrer Forde-
rungen angewiesen auf den vierten Theil des Ertrags der Lände-

REPUBLIK UND MONARCHIE.
Herrn, wie Knechte und Freigelassene nach dem grausamen Haus-
recht jener Zeit zu büſsen pflegten. Die auſserordentlichen öffent-
lichen Lasten wurden auf das richtige Maſs und den wirklichen
Nothfall zurückgeführt, die ordentlichen wesentlich beschränkt.
Der durchgreifenden Regulirung des Steuerwesens ward bereits
früher gedacht (S. 469): die Ausdehnung der Steuerfreiheiten,
die durchgängige Herabsetzung der directen Abgaben, die Be-
schränkung des Zehntsystems auf Africa und Sardinien, die voll-
ständige Beseitigung der Mittelsmänner bei der Einziehung der
directen Abgaben waren für die Provinzialen segensreiche Refor-
men. Daſs Caesar nach dem Beispiel eines seiner gröſsten de-
mokratischen Vorgänger, des Sertorius (S. 19), die Unterthanen
von der Einquartierungslast befreit und die Soldaten angehalten
hat sich selber solide stadtartige Standlager zu errichten, ist zwar
nicht nachzuweisen; aber er war, wenigstens nachdem er die Prä-
tendenten- mit der Königsrolle vertauscht hatte, nicht der Mann
den Unterthan dem Soldaten preiszugeben und es war in seinem
Geiste gedacht, als die Erben seiner Politik solche Kriegslager
und aus diesen Kriegslagern wieder Städte erschufen, in denen
die italische Civilisation Brennpuncte inmitten der barbarischen
Grenzlandschaften fand. — Bei weitem schwieriger als dem Be-
amtenunwesen zu steuern war es die Provinzialen von der er-
drückenden Uebermacht des römischen Capitals zu befreien. Ge-
radezu brechen lieſs dieselbe sich nicht, ohne Mittel anzuwenden,
die noch gefährlicher waren als das Uebel; die Regierung konnte
nichts thun als vorläufig der offenbaren Vergewaltigung und dem
handgreiflichen Wucher durch scharfe Handhabung der auch auf
die Provinzen sich erstreckenden allgemeinen Wuchergesetze
(S. 494) steuern und von dem unter der besseren Verwaltung
wieder aufblühenden Wohlstand der Provinzialen eine gründli-
chere Heilung des Uebels erwarten. Daſs Caesar in diesem Sinne
thätig war, zeigt die Abstellung des Miſsbrauches, der zu wucher-
lichen Zwecken mit dem Staatsgesandtentitel getrieben ward.
Transitorische Verfügungen, um der Ueberschuldung einzelner
Provinzen abzuhelfen, werden aus dieser Zeit mehrere erwähnt.
So überwies Caesar selbst bereits 694 als Statthalter des jensei-
tigen Spaniens den Gläubigern zwei Drittel der Einnahmen ihrer
Schuldner, um daraus sich bezahlt zu machen. Aehnlich hatte
schon Lucius Lucullus als Statthalter von Kleinasien die Gläubi-
ger, nachdem er einen Theil der maſslos angeschwollenen Zins-
reste geradezu cassirt hatte, für den übrigen Theil ihrer Forde-
rungen angewiesen auf den vierten Theil des Ertrags der Lände-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0513" n="503"/><fw place="top" type="header">REPUBLIK UND MONARCHIE.</fw><lb/>
Herrn, wie Knechte und Freigelassene nach dem grausamen Haus-<lb/>
recht jener Zeit zu bü&#x017F;sen pflegten. Die au&#x017F;serordentlichen öffent-<lb/>
lichen Lasten wurden auf das richtige Ma&#x017F;s und den wirklichen<lb/>
Nothfall zurückgeführt, die ordentlichen wesentlich beschränkt.<lb/>
Der durchgreifenden Regulirung des Steuerwesens ward bereits<lb/>
früher gedacht (S. 469): die Ausdehnung der Steuerfreiheiten,<lb/>
die durchgängige Herabsetzung der directen Abgaben, die Be-<lb/>
schränkung des Zehntsystems auf Africa und Sardinien, die voll-<lb/>
ständige Beseitigung der Mittelsmänner bei der Einziehung der<lb/>
directen Abgaben waren für die Provinzialen segensreiche Refor-<lb/>
men. Da&#x017F;s Caesar nach dem Beispiel eines seiner grö&#x017F;sten de-<lb/>
mokratischen Vorgänger, des Sertorius (S. 19), die Unterthanen<lb/>
von der Einquartierungslast befreit und die Soldaten angehalten<lb/>
hat sich selber solide stadtartige Standlager zu errichten, ist zwar<lb/>
nicht nachzuweisen; aber er war, wenigstens nachdem er die Prä-<lb/>
tendenten- mit der Königsrolle vertauscht hatte, nicht der Mann<lb/>
den Unterthan dem Soldaten preiszugeben und es war in seinem<lb/>
Geiste gedacht, als die Erben seiner Politik solche Kriegslager<lb/>
und aus diesen Kriegslagern wieder Städte erschufen, in denen<lb/>
die italische Civilisation Brennpuncte inmitten der barbarischen<lb/>
Grenzlandschaften fand. &#x2014; Bei weitem schwieriger als dem Be-<lb/>
amtenunwesen zu steuern war es die Provinzialen von der er-<lb/>
drückenden Uebermacht des römischen Capitals zu befreien. Ge-<lb/>
radezu brechen lie&#x017F;s dieselbe sich nicht, ohne Mittel anzuwenden,<lb/>
die noch gefährlicher waren als das Uebel; die Regierung konnte<lb/>
nichts thun als vorläufig der offenbaren Vergewaltigung und dem<lb/>
handgreiflichen Wucher durch scharfe Handhabung der auch auf<lb/>
die Provinzen sich erstreckenden allgemeinen Wuchergesetze<lb/>
(S. 494) steuern und von dem unter der besseren Verwaltung<lb/>
wieder aufblühenden Wohlstand der Provinzialen eine gründli-<lb/>
chere Heilung des Uebels erwarten. Da&#x017F;s Caesar in diesem Sinne<lb/>
thätig war, zeigt die Abstellung des Mi&#x017F;sbrauches, der zu wucher-<lb/>
lichen Zwecken mit dem Staatsgesandtentitel getrieben ward.<lb/>
Transitorische Verfügungen, um der Ueberschuldung einzelner<lb/>
Provinzen abzuhelfen, werden aus dieser Zeit mehrere erwähnt.<lb/>
So überwies Caesar selbst bereits 694 als Statthalter des jensei-<lb/>
tigen Spaniens den Gläubigern zwei Drittel der Einnahmen ihrer<lb/>
Schuldner, um daraus sich bezahlt zu machen. Aehnlich hatte<lb/>
schon Lucius Lucullus als Statthalter von Kleinasien die Gläubi-<lb/>
ger, nachdem er einen Theil der ma&#x017F;slos angeschwollenen Zins-<lb/>
reste geradezu cassirt hatte, für den übrigen Theil ihrer Forde-<lb/>
rungen angewiesen auf den vierten Theil des Ertrags der Lände-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[503/0513] REPUBLIK UND MONARCHIE. Herrn, wie Knechte und Freigelassene nach dem grausamen Haus- recht jener Zeit zu büſsen pflegten. Die auſserordentlichen öffent- lichen Lasten wurden auf das richtige Maſs und den wirklichen Nothfall zurückgeführt, die ordentlichen wesentlich beschränkt. Der durchgreifenden Regulirung des Steuerwesens ward bereits früher gedacht (S. 469): die Ausdehnung der Steuerfreiheiten, die durchgängige Herabsetzung der directen Abgaben, die Be- schränkung des Zehntsystems auf Africa und Sardinien, die voll- ständige Beseitigung der Mittelsmänner bei der Einziehung der directen Abgaben waren für die Provinzialen segensreiche Refor- men. Daſs Caesar nach dem Beispiel eines seiner gröſsten de- mokratischen Vorgänger, des Sertorius (S. 19), die Unterthanen von der Einquartierungslast befreit und die Soldaten angehalten hat sich selber solide stadtartige Standlager zu errichten, ist zwar nicht nachzuweisen; aber er war, wenigstens nachdem er die Prä- tendenten- mit der Königsrolle vertauscht hatte, nicht der Mann den Unterthan dem Soldaten preiszugeben und es war in seinem Geiste gedacht, als die Erben seiner Politik solche Kriegslager und aus diesen Kriegslagern wieder Städte erschufen, in denen die italische Civilisation Brennpuncte inmitten der barbarischen Grenzlandschaften fand. — Bei weitem schwieriger als dem Be- amtenunwesen zu steuern war es die Provinzialen von der er- drückenden Uebermacht des römischen Capitals zu befreien. Ge- radezu brechen lieſs dieselbe sich nicht, ohne Mittel anzuwenden, die noch gefährlicher waren als das Uebel; die Regierung konnte nichts thun als vorläufig der offenbaren Vergewaltigung und dem handgreiflichen Wucher durch scharfe Handhabung der auch auf die Provinzen sich erstreckenden allgemeinen Wuchergesetze (S. 494) steuern und von dem unter der besseren Verwaltung wieder aufblühenden Wohlstand der Provinzialen eine gründli- chere Heilung des Uebels erwarten. Daſs Caesar in diesem Sinne thätig war, zeigt die Abstellung des Miſsbrauches, der zu wucher- lichen Zwecken mit dem Staatsgesandtentitel getrieben ward. Transitorische Verfügungen, um der Ueberschuldung einzelner Provinzen abzuhelfen, werden aus dieser Zeit mehrere erwähnt. So überwies Caesar selbst bereits 694 als Statthalter des jensei- tigen Spaniens den Gläubigern zwei Drittel der Einnahmen ihrer Schuldner, um daraus sich bezahlt zu machen. Aehnlich hatte schon Lucius Lucullus als Statthalter von Kleinasien die Gläubi- ger, nachdem er einen Theil der maſslos angeschwollenen Zins- reste geradezu cassirt hatte, für den übrigen Theil ihrer Forde- rungen angewiesen auf den vierten Theil des Ertrags der Lände-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/513
Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 503. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/513>, abgerufen am 30.11.2024.