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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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REPUBLIK UND MONARCHIE.
mit Einschluss eines ansehnlichen Theils der in den Händen geist-
licher Innungen befindlichen nach formellem Recht dem Staate
zugehörigen Liegenschaften, wurde von Caesar, nachdem er in
seiner streng sparsamen keine Verschleuderung und Vernach-
lässigung auch im Kleinen duldenden Weise durch die wiederer-
weckte Zwanzigercommission (S. 193) eine allgemeine Revision
der italischen Besitztitel veranstaltet hatte, zur Vertheilung in
gracchanischer Weise bestimmt; und es war wenigstens die Ab-
sicht des Imperators, wenn diese Domänen nicht ausreichen wür-
den, das weiter erforderliche Land durch Ankauf italischer Grund-
stücke aus der Staatskasse zu beschaffen. Bei der Auswahl der
neuen Bauern wurden natürlich vor allem die gedienten Soldaten
berücksichtigt und so weit möglich die Last, die die Aushebung
für das Mutterland war, in eine Wohlthat dadurch umgewandelt,
dass Caesar den dort als Rekruten ausgehobenen Proletarier ihm
als Bauer zurückgab; bemerkenswerther ist es, dass die verödeten
latinischen Gemeinden, wie zum Beispiel Veii und Capena, vor-
zugsweise mit neuen Colonisten bedacht worden zu sein scheinen.
Die Vorschrift Caesars, dass die neuen Eigenthümer erst nach
zwanzig Jahren befugt sein sollten die empfangenen Ländereien
zu veräussern, war ein glücklicher Mittelweg zwischen der völli-
gen Freigebung derselben, die das vertheilte Land bald grössten-
theils wieder in die Hände der grossen Capitalisten zurückgeführt
haben würde, und den bleibenden Beschränkungen der Verkehrs-
freiheit, wie sie Tiberius Gracchus (II, 81. 86. 114) und Sulla
(II, 332. III, 84), beide gleich vergeblich, verfügt hatten. --
Wenn also die Regierung energisch dazu that die kranken Ele-
mente des italischen Volkslebens zu entfernen und die gesun-
den zu stärken, so sollte endlich das neu regulirte Municipal-
wesen, nachdem sich dasselbe erst jüngst aus der Krise des
Bundesgenossenkriegs in und neben der Staatswirthschaft ent-
wickelt hatte (II, 344), der neuen absoluten Monarchie das mit
ihr verträgliche Gemeindeleben mittheilen und die stockende
Circulation der edelsten Elemente des öffentlichen Lebens wie-
der zu rascheren Pulsschlägen erwecken. Als leitender Grund-
satz in den beiden im J. 705 für das cisalpinische Gallien, im
J. 709 für Italien erlassenen Gemeindeordnungen*, von denen
namentlich die letztere für die ganze Folgezeit Grundgesetz blieb,
erscheint theils die strenge Reinigung der städtischen Collegien
von allen unsittlichen Elementen, während von politischer Polizei

* Von beiden Gesetzen
sind beträchtliche Bruchstücke noch vorhanden.
Röm. Gesch. III. 32

REPUBLIK UND MONARCHIE.
mit Einschluſs eines ansehnlichen Theils der in den Händen geist-
licher Innungen befindlichen nach formellem Recht dem Staate
zugehörigen Liegenschaften, wurde von Caesar, nachdem er in
seiner streng sparsamen keine Verschleuderung und Vernach-
lässigung auch im Kleinen duldenden Weise durch die wiederer-
weckte Zwanzigercommission (S. 193) eine allgemeine Revision
der italischen Besitztitel veranstaltet hatte, zur Vertheilung in
gracchanischer Weise bestimmt; und es war wenigstens die Ab-
sicht des Imperators, wenn diese Domänen nicht ausreichen wür-
den, das weiter erforderliche Land durch Ankauf italischer Grund-
stücke aus der Staatskasse zu beschaffen. Bei der Auswahl der
neuen Bauern wurden natürlich vor allem die gedienten Soldaten
berücksichtigt und so weit möglich die Last, die die Aushebung
für das Mutterland war, in eine Wohlthat dadurch umgewandelt,
daſs Caesar den dort als Rekruten ausgehobenen Proletarier ihm
als Bauer zurückgab; bemerkenswerther ist es, daſs die verödeten
latinischen Gemeinden, wie zum Beispiel Veii und Capena, vor-
zugsweise mit neuen Colonisten bedacht worden zu sein scheinen.
Die Vorschrift Caesars, daſs die neuen Eigenthümer erst nach
zwanzig Jahren befugt sein sollten die empfangenen Ländereien
zu veräuſsern, war ein glücklicher Mittelweg zwischen der völli-
gen Freigebung derselben, die das vertheilte Land bald gröſsten-
theils wieder in die Hände der groſsen Capitalisten zurückgeführt
haben würde, und den bleibenden Beschränkungen der Verkehrs-
freiheit, wie sie Tiberius Gracchus (II, 81. 86. 114) und Sulla
(II, 332. III, 84), beide gleich vergeblich, verfügt hatten. —
Wenn also die Regierung energisch dazu that die kranken Ele-
mente des italischen Volkslebens zu entfernen und die gesun-
den zu stärken, so sollte endlich das neu regulirte Municipal-
wesen, nachdem sich dasselbe erst jüngst aus der Krise des
Bundesgenossenkriegs in und neben der Staatswirthschaft ent-
wickelt hatte (II, 344), der neuen absoluten Monarchie das mit
ihr verträgliche Gemeindeleben mittheilen und die stockende
Circulation der edelsten Elemente des öffentlichen Lebens wie-
der zu rascheren Pulsschlägen erwecken. Als leitender Grund-
satz in den beiden im J. 705 für das cisalpinische Gallien, im
J. 709 für Italien erlassenen Gemeindeordnungen*, von denen
namentlich die letztere für die ganze Folgezeit Grundgesetz blieb,
erscheint theils die strenge Reinigung der städtischen Collegien
von allen unsittlichen Elementen, während von politischer Polizei

* Von beiden Gesetzen
sind beträchtliche Bruchstücke noch vorhanden.
Röm. Gesch. III. 32
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[497/0507] REPUBLIK UND MONARCHIE. mit Einschluſs eines ansehnlichen Theils der in den Händen geist- licher Innungen befindlichen nach formellem Recht dem Staate zugehörigen Liegenschaften, wurde von Caesar, nachdem er in seiner streng sparsamen keine Verschleuderung und Vernach- lässigung auch im Kleinen duldenden Weise durch die wiederer- weckte Zwanzigercommission (S. 193) eine allgemeine Revision der italischen Besitztitel veranstaltet hatte, zur Vertheilung in gracchanischer Weise bestimmt; und es war wenigstens die Ab- sicht des Imperators, wenn diese Domänen nicht ausreichen wür- den, das weiter erforderliche Land durch Ankauf italischer Grund- stücke aus der Staatskasse zu beschaffen. Bei der Auswahl der neuen Bauern wurden natürlich vor allem die gedienten Soldaten berücksichtigt und so weit möglich die Last, die die Aushebung für das Mutterland war, in eine Wohlthat dadurch umgewandelt, daſs Caesar den dort als Rekruten ausgehobenen Proletarier ihm als Bauer zurückgab; bemerkenswerther ist es, daſs die verödeten latinischen Gemeinden, wie zum Beispiel Veii und Capena, vor- zugsweise mit neuen Colonisten bedacht worden zu sein scheinen. Die Vorschrift Caesars, daſs die neuen Eigenthümer erst nach zwanzig Jahren befugt sein sollten die empfangenen Ländereien zu veräuſsern, war ein glücklicher Mittelweg zwischen der völli- gen Freigebung derselben, die das vertheilte Land bald gröſsten- theils wieder in die Hände der groſsen Capitalisten zurückgeführt haben würde, und den bleibenden Beschränkungen der Verkehrs- freiheit, wie sie Tiberius Gracchus (II, 81. 86. 114) und Sulla (II, 332. III, 84), beide gleich vergeblich, verfügt hatten. — Wenn also die Regierung energisch dazu that die kranken Ele- mente des italischen Volkslebens zu entfernen und die gesun- den zu stärken, so sollte endlich das neu regulirte Municipal- wesen, nachdem sich dasselbe erst jüngst aus der Krise des Bundesgenossenkriegs in und neben der Staatswirthschaft ent- wickelt hatte (II, 344), der neuen absoluten Monarchie das mit ihr verträgliche Gemeindeleben mittheilen und die stockende Circulation der edelsten Elemente des öffentlichen Lebens wie- der zu rascheren Pulsschlägen erwecken. Als leitender Grund- satz in den beiden im J. 705 für das cisalpinische Gallien, im J. 709 für Italien erlassenen Gemeindeordnungen *, von denen namentlich die letztere für die ganze Folgezeit Grundgesetz blieb, erscheint theils die strenge Reinigung der städtischen Collegien von allen unsittlichen Elementen, während von politischer Polizei * Von beiden Gesetzen sind beträchtliche Bruchstücke noch vorhanden. Röm. Gesch. III. 32

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 497. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/507>, abgerufen am 18.12.2024.