Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

REPUBLIK UND MONARCHIE.
und politische Verwesung der Nation herbeigeführt hatte. Alles
was in der heutigen Welt das Capital von argen Sünden gegen
Nation und Civilisation begangen hat, bleibt so tief unter den
Greueln der alten Capitalistenstaaten, wie der freie Mann, sei er
auch noch so arm, über dem Sclaven bleibt; und erst wenn Nord-
amerikas Drachensaat reift, wird die Welt wieder ähnliche Früchte
zu ernten haben.

Diese Leiden, an denen die italische Volkswirthschaft darnie-
derlag, waren ihrem tiefsten Kerne nach unheilbar und was daran
noch geheilt werden konnte, mussten wesentlich das Volk selber
und die Zeit bessern; denn auch die weiseste Regierung vermag, so
wenig wie der geschickteste Arzt, die verdorbenen Säfte des Orga-
nismus in frische zu verwandeln oder bei tiefer liegenden Uebeln
mehr zu thun als die Zufälligkeiten abzuwehren, die die Heilkraft
der Natur in ihrem Wirken hindern. Ein solche Abwehr gewährte
an sich schon die friedliche Energie des neuen Regiments, durch
welches einige der ärgsten Auswüchse schon von selber wegfielen,
wie zum Beispiel die künstliche Grossziehung des Proletariats,
die Straflosigkeit der Verbrechen, der Aemterkauf und anderes
mehr. Allein etwas mehr konnte die Regierung doch thun als
sich passiv verhalten. Caesar gehörte nicht zu den überklugen
Leuten, die das Meer darum nicht eindämmen, weil der Spring-
fluth doch kein Deich zu trotzen vermag. Es ist besser, wenn
die Nation und ihre Oekonomie von selbst die naturgemässe Bahn
geht; aber da sie aus dieser ausgewichen war, so setzte Caesar alle
seine Energie ein, um von oben herab die Nation in das heimath-
liche und Familienleben zurückzubringen und die Volksökono-
mie durch Gesetz und Decret zu reformiren. Um der dauernden
Abwesenheit der Italiker aus Italien zu steuern, wurde nicht bloss
die Dienstzeit der Soldaten verkürzt, sondern auch den Männern
senatorischen Standes überhaupt untersagt anders als in öffent-
lichen Geschäften ihren Aufenthalt ausserhalb Italiens zu nehmen,
den übrigen Italikern in heirathsfähigem Alter (vom zwanzigsten
bis zum vierzigsten Jahr) vorgeschrieben nicht über drei Jahre
hinter einander von Italien abwesend zu sein; eine Massregel, die
zur Folge haben musste die vornehme Welt und die Kaufmann-
schaft zur Gründung eigener Heerde in der Heimath zu veran-
lassen. In demselben Sinn hatte er schon in seinem ersten Con-
sulat bei Gründung der Colonie Capua die Väter mehrerer Kinder
vorzugsweise bedacht (S. 193) und setzte nun als Imperator den
Vätern zahlreicher Familien ausserordentliche Belohnungen aus,

REPUBLIK UND MONARCHIE.
und politische Verwesung der Nation herbeigeführt hatte. Alles
was in der heutigen Welt das Capital von argen Sünden gegen
Nation und Civilisation begangen hat, bleibt so tief unter den
Greueln der alten Capitalistenstaaten, wie der freie Mann, sei er
auch noch so arm, über dem Sclaven bleibt; und erst wenn Nord-
amerikas Drachensaat reift, wird die Welt wieder ähnliche Früchte
zu ernten haben.

Diese Leiden, an denen die italische Volkswirthschaft darnie-
derlag, waren ihrem tiefsten Kerne nach unheilbar und was daran
noch geheilt werden konnte, muſsten wesentlich das Volk selber
und die Zeit bessern; denn auch die weiseste Regierung vermag, so
wenig wie der geschickteste Arzt, die verdorbenen Säfte des Orga-
nismus in frische zu verwandeln oder bei tiefer liegenden Uebeln
mehr zu thun als die Zufälligkeiten abzuwehren, die die Heilkraft
der Natur in ihrem Wirken hindern. Ein solche Abwehr gewährte
an sich schon die friedliche Energie des neuen Regiments, durch
welches einige der ärgsten Auswüchse schon von selber wegfielen,
wie zum Beispiel die künstliche Groſsziehung des Proletariats,
die Straflosigkeit der Verbrechen, der Aemterkauf und anderes
mehr. Allein etwas mehr konnte die Regierung doch thun als
sich passiv verhalten. Caesar gehörte nicht zu den überklugen
Leuten, die das Meer darum nicht eindämmen, weil der Spring-
fluth doch kein Deich zu trotzen vermag. Es ist besser, wenn
die Nation und ihre Oekonomie von selbst die naturgemäſse Bahn
geht; aber da sie aus dieser ausgewichen war, so setzte Caesar alle
seine Energie ein, um von oben herab die Nation in das heimath-
liche und Familienleben zurückzubringen und die Volksökono-
mie durch Gesetz und Decret zu reformiren. Um der dauernden
Abwesenheit der Italiker aus Italien zu steuern, wurde nicht bloſs
die Dienstzeit der Soldaten verkürzt, sondern auch den Männern
senatorischen Standes überhaupt untersagt anders als in öffent-
lichen Geschäften ihren Aufenthalt auſserhalb Italiens zu nehmen,
den übrigen Italikern in heirathsfähigem Alter (vom zwanzigsten
bis zum vierzigsten Jahr) vorgeschrieben nicht über drei Jahre
hinter einander von Italien abwesend zu sein; eine Maſsregel, die
zur Folge haben muſste die vornehme Welt und die Kaufmann-
schaft zur Gründung eigener Heerde in der Heimath zu veran-
lassen. In demselben Sinn hatte er schon in seinem ersten Con-
sulat bei Gründung der Colonie Capua die Väter mehrerer Kinder
vorzugsweise bedacht (S. 193) und setzte nun als Imperator den
Vätern zahlreicher Familien auſserordentliche Belohnungen aus,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0501" n="491"/><fw place="top" type="header">REPUBLIK UND MONARCHIE.</fw><lb/>
und politische Verwesung der Nation herbeigeführt hatte. Alles<lb/>
was in der heutigen Welt das Capital von argen Sünden gegen<lb/>
Nation und Civilisation begangen hat, bleibt so tief unter den<lb/>
Greueln der alten Capitalistenstaaten, wie der freie Mann, sei er<lb/>
auch noch so arm, über dem Sclaven bleibt; und erst wenn Nord-<lb/>
amerikas Drachensaat reift, wird die Welt wieder ähnliche Früchte<lb/>
zu ernten haben.</p><lb/>
          <p>Diese Leiden, an denen die italische Volkswirthschaft darnie-<lb/>
derlag, waren ihrem tiefsten Kerne nach unheilbar und was daran<lb/>
noch geheilt werden konnte, mu&#x017F;sten wesentlich das Volk selber<lb/>
und die Zeit bessern; denn auch die weiseste Regierung vermag, so<lb/>
wenig wie der geschickteste Arzt, die verdorbenen Säfte des Orga-<lb/>
nismus in frische zu verwandeln oder bei tiefer liegenden Uebeln<lb/>
mehr zu thun als die Zufälligkeiten abzuwehren, die die Heilkraft<lb/>
der Natur in ihrem Wirken hindern. Ein solche Abwehr gewährte<lb/>
an sich schon die friedliche Energie des neuen Regiments, durch<lb/>
welches einige der ärgsten Auswüchse schon von selber wegfielen,<lb/>
wie zum Beispiel die künstliche Gro&#x017F;sziehung des Proletariats,<lb/>
die Straflosigkeit der Verbrechen, der Aemterkauf und anderes<lb/>
mehr. Allein etwas mehr konnte die Regierung doch thun als<lb/>
sich passiv verhalten. Caesar gehörte nicht zu den überklugen<lb/>
Leuten, die das Meer darum nicht eindämmen, weil der Spring-<lb/>
fluth doch kein Deich zu trotzen vermag. Es ist besser, wenn<lb/>
die Nation und ihre Oekonomie von selbst die naturgemä&#x017F;se Bahn<lb/>
geht; aber da sie aus dieser ausgewichen war, so setzte Caesar alle<lb/>
seine Energie ein, um von oben herab die Nation in das heimath-<lb/>
liche und Familienleben zurückzubringen und die Volksökono-<lb/>
mie durch Gesetz und Decret zu reformiren. Um der dauernden<lb/>
Abwesenheit der Italiker aus Italien zu steuern, wurde nicht blo&#x017F;s<lb/>
die Dienstzeit der Soldaten verkürzt, sondern auch den Männern<lb/>
senatorischen Standes überhaupt untersagt anders als in öffent-<lb/>
lichen Geschäften ihren Aufenthalt au&#x017F;serhalb Italiens zu nehmen,<lb/>
den übrigen Italikern in heirathsfähigem Alter (vom zwanzigsten<lb/>
bis zum vierzigsten Jahr) vorgeschrieben nicht über drei Jahre<lb/>
hinter einander von Italien abwesend zu sein; eine Ma&#x017F;sregel, die<lb/>
zur Folge haben mu&#x017F;ste die vornehme Welt und die Kaufmann-<lb/>
schaft zur Gründung eigener Heerde in der Heimath zu veran-<lb/>
lassen. In demselben Sinn hatte er schon in seinem ersten Con-<lb/>
sulat bei Gründung der Colonie Capua die Väter mehrerer Kinder<lb/>
vorzugsweise bedacht (S. 193) und setzte nun als Imperator den<lb/>
Vätern zahlreicher Familien au&#x017F;serordentliche Belohnungen aus,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[491/0501] REPUBLIK UND MONARCHIE. und politische Verwesung der Nation herbeigeführt hatte. Alles was in der heutigen Welt das Capital von argen Sünden gegen Nation und Civilisation begangen hat, bleibt so tief unter den Greueln der alten Capitalistenstaaten, wie der freie Mann, sei er auch noch so arm, über dem Sclaven bleibt; und erst wenn Nord- amerikas Drachensaat reift, wird die Welt wieder ähnliche Früchte zu ernten haben. Diese Leiden, an denen die italische Volkswirthschaft darnie- derlag, waren ihrem tiefsten Kerne nach unheilbar und was daran noch geheilt werden konnte, muſsten wesentlich das Volk selber und die Zeit bessern; denn auch die weiseste Regierung vermag, so wenig wie der geschickteste Arzt, die verdorbenen Säfte des Orga- nismus in frische zu verwandeln oder bei tiefer liegenden Uebeln mehr zu thun als die Zufälligkeiten abzuwehren, die die Heilkraft der Natur in ihrem Wirken hindern. Ein solche Abwehr gewährte an sich schon die friedliche Energie des neuen Regiments, durch welches einige der ärgsten Auswüchse schon von selber wegfielen, wie zum Beispiel die künstliche Groſsziehung des Proletariats, die Straflosigkeit der Verbrechen, der Aemterkauf und anderes mehr. Allein etwas mehr konnte die Regierung doch thun als sich passiv verhalten. Caesar gehörte nicht zu den überklugen Leuten, die das Meer darum nicht eindämmen, weil der Spring- fluth doch kein Deich zu trotzen vermag. Es ist besser, wenn die Nation und ihre Oekonomie von selbst die naturgemäſse Bahn geht; aber da sie aus dieser ausgewichen war, so setzte Caesar alle seine Energie ein, um von oben herab die Nation in das heimath- liche und Familienleben zurückzubringen und die Volksökono- mie durch Gesetz und Decret zu reformiren. Um der dauernden Abwesenheit der Italiker aus Italien zu steuern, wurde nicht bloſs die Dienstzeit der Soldaten verkürzt, sondern auch den Männern senatorischen Standes überhaupt untersagt anders als in öffent- lichen Geschäften ihren Aufenthalt auſserhalb Italiens zu nehmen, den übrigen Italikern in heirathsfähigem Alter (vom zwanzigsten bis zum vierzigsten Jahr) vorgeschrieben nicht über drei Jahre hinter einander von Italien abwesend zu sein; eine Maſsregel, die zur Folge haben muſste die vornehme Welt und die Kaufmann- schaft zur Gründung eigener Heerde in der Heimath zu veran- lassen. In demselben Sinn hatte er schon in seinem ersten Con- sulat bei Gründung der Colonie Capua die Väter mehrerer Kinder vorzugsweise bedacht (S. 193) und setzte nun als Imperator den Vätern zahlreicher Familien auſserordentliche Belohnungen aus,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/501
Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 491. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/501>, abgerufen am 18.12.2024.