Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.REBUBLIK UND MONARCHIE. half (II, 372), wenigstens bis zur Tiberinsel von Stein aufführenliess. Für die Planirung der Siebenhügelstadt war ebenso wenig etwas geschehen, ausser wo etwa die Schutthaufen ausgeglichen hatten. Die Strassen gingen eng und winkelig Hügel auf und ab und waren elend gehalten, die Trottoirs schmal und schlecht ge- pflastert. Die gewöhnlichen Häuser waren von Ziegeln ebenso lie- derlich wie schwindelnd hoch gebaut, meistens von speculirenden Baumeistern für Rechnung der kleinen Besitzer, wobei jene stein- reich, diese zu Bettlern wurden. Wie einzelne Inseln in diesem Meer von elenden Gebäuden erschienen die glänzenden Paläste der Reichen, die den kleinen Häusern ebenso den Raum vereng- ten wie ihre Besitzer den kleinen Leuten ihr Bürgerrecht im Staat, und neben deren Marmorsäulen und griechischen Statuen die ver- fallenden Tempel mit ihren grossentheils noch holzgeschnitzten Götterbildern eine traurige Figur machten. Von einer Strassen-, einer Ufer-, Feuer- und Baupolizei war kaum die Rede; wenn die Regierung um die alljährlich eintretenden Ueberschwemmungen, Feuersbrünste und Häusereinstürze überhaupt sich bekümmerte, so geschah es um von den Staatstheologen Bericht und Bedenken über den wahren Sinn solcher Zeichen und Wunder zu begehren. Man versuche sich ein London zu denken mit der Sclavenbevöl- kerung von New-Orleans, mit der Polizei von Constantinopel, mit der Industrielosigkeit des heutigen Rom und bewegt von einer Politik nach dem Muster der pariser von 1848: und man wird eine ungefähre Vorstellung von der republikanischen Herrlichkeit gewinnen, deren Untergang Cicero und seine Genossen in ihren Schmollbriefen betrauern. -- Caesar trauerte nicht, aber er suchte zu helfen, so weit zu helfen war. Rom blieb natürlich, was es war, eine Weltstadt. Der Versuch ihm wiederum einen specifisch italischen Charakter zu geben, wäre nicht bloss unausführbar gewesen, sondern hätte auch in Caesars Plan nicht gepasst. Aehnlich wie Alexander für sein griechisch-orientalisches Reich eine angemessene Hauptstadt in dem hellenisch-jüdisch-aegypti- schen und vor allem kosmopolitischen Alexandreia fand, so sollte auch die im Mittelpunct des Orients und Occidents gelegene Hauptstadt des neuen römisch-hellenischen Weltreichs nicht eine italische Gemeinde sein, sondern die denationalisirte Capi- tale vieler Nationen. Darum duldete es Caesar, dass neben dem Vater Jovis die neu angesiedelten aegyptischen Götter verehrt wurden und gestattete sogar den Juden die freie Uebung ihres seltsam fremdartigen Rituals auch in der Hauptstadt des Reiches. Wie widerlich bunt immer die parasitische namentlich hellenisch- REBUBLIK UND MONARCHIE. half (II, 372), wenigstens bis zur Tiberinsel von Stein aufführenlieſs. Für die Planirung der Siebenhügelstadt war ebenso wenig etwas geschehen, auſser wo etwa die Schutthaufen ausgeglichen hatten. Die Straſsen gingen eng und winkelig Hügel auf und ab und waren elend gehalten, die Trottoirs schmal und schlecht ge- pflastert. Die gewöhnlichen Häuser waren von Ziegeln ebenso lie- derlich wie schwindelnd hoch gebaut, meistens von speculirenden Baumeistern für Rechnung der kleinen Besitzer, wobei jene stein- reich, diese zu Bettlern wurden. Wie einzelne Inseln in diesem Meer von elenden Gebäuden erschienen die glänzenden Paläste der Reichen, die den kleinen Häusern ebenso den Raum vereng- ten wie ihre Besitzer den kleinen Leuten ihr Bürgerrecht im Staat, und neben deren Marmorsäulen und griechischen Statuen die ver- fallenden Tempel mit ihren groſsentheils noch holzgeschnitzten Götterbildern eine traurige Figur machten. Von einer Straſsen-, einer Ufer-, Feuer- und Baupolizei war kaum die Rede; wenn die Regierung um die alljährlich eintretenden Ueberschwemmungen, Feuersbrünste und Häusereinstürze überhaupt sich bekümmerte, so geschah es um von den Staatstheologen Bericht und Bedenken über den wahren Sinn solcher Zeichen und Wunder zu begehren. Man versuche sich ein London zu denken mit der Sclavenbevöl- kerung von New-Orleans, mit der Polizei von Constantinopel, mit der Industrielosigkeit des heutigen Rom und bewegt von einer Politik nach dem Muster der pariser von 1848: und man wird eine ungefähre Vorstellung von der republikanischen Herrlichkeit gewinnen, deren Untergang Cicero und seine Genossen in ihren Schmollbriefen betrauern. — Caesar trauerte nicht, aber er suchte zu helfen, so weit zu helfen war. Rom blieb natürlich, was es war, eine Weltstadt. Der Versuch ihm wiederum einen specifisch italischen Charakter zu geben, wäre nicht bloſs unausführbar gewesen, sondern hätte auch in Caesars Plan nicht gepaſst. Aehnlich wie Alexander für sein griechisch-orientalisches Reich eine angemessene Hauptstadt in dem hellenisch-jüdisch-aegypti- schen und vor allem kosmopolitischen Alexandreia fand, so sollte auch die im Mittelpunct des Orients und Occidents gelegene Hauptstadt des neuen römisch-hellenischen Weltreichs nicht eine italische Gemeinde sein, sondern die denationalisirte Capi- tale vieler Nationen. Darum duldete es Caesar, daſs neben dem Vater Jovis die neu angesiedelten aegyptischen Götter verehrt wurden und gestattete sogar den Juden die freie Uebung ihres seltsam fremdartigen Rituals auch in der Hauptstadt des Reiches. 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REBUBLIK UND MONARCHIE.
half (II, 372), wenigstens bis zur Tiberinsel von Stein aufführen
lieſs. Für die Planirung der Siebenhügelstadt war ebenso wenig
etwas geschehen, auſser wo etwa die Schutthaufen ausgeglichen
hatten. Die Straſsen gingen eng und winkelig Hügel auf und ab
und waren elend gehalten, die Trottoirs schmal und schlecht ge-
pflastert. Die gewöhnlichen Häuser waren von Ziegeln ebenso lie-
derlich wie schwindelnd hoch gebaut, meistens von speculirenden
Baumeistern für Rechnung der kleinen Besitzer, wobei jene stein-
reich, diese zu Bettlern wurden. Wie einzelne Inseln in diesem
Meer von elenden Gebäuden erschienen die glänzenden Paläste
der Reichen, die den kleinen Häusern ebenso den Raum vereng-
ten wie ihre Besitzer den kleinen Leuten ihr Bürgerrecht im Staat,
und neben deren Marmorsäulen und griechischen Statuen die ver-
fallenden Tempel mit ihren groſsentheils noch holzgeschnitzten
Götterbildern eine traurige Figur machten. Von einer Straſsen-,
einer Ufer-, Feuer- und Baupolizei war kaum die Rede; wenn die
Regierung um die alljährlich eintretenden Ueberschwemmungen,
Feuersbrünste und Häusereinstürze überhaupt sich bekümmerte,
so geschah es um von den Staatstheologen Bericht und Bedenken
über den wahren Sinn solcher Zeichen und Wunder zu begehren.
Man versuche sich ein London zu denken mit der Sclavenbevöl-
kerung von New-Orleans, mit der Polizei von Constantinopel,
mit der Industrielosigkeit des heutigen Rom und bewegt von einer
Politik nach dem Muster der pariser von 1848: und man wird
eine ungefähre Vorstellung von der republikanischen Herrlichkeit
gewinnen, deren Untergang Cicero und seine Genossen in ihren
Schmollbriefen betrauern. — Caesar trauerte nicht, aber er suchte
zu helfen, so weit zu helfen war. Rom blieb natürlich, was es
war, eine Weltstadt. Der Versuch ihm wiederum einen specifisch
italischen Charakter zu geben, wäre nicht bloſs unausführbar
gewesen, sondern hätte auch in Caesars Plan nicht gepaſst.
Aehnlich wie Alexander für sein griechisch-orientalisches Reich
eine angemessene Hauptstadt in dem hellenisch-jüdisch-aegypti-
schen und vor allem kosmopolitischen Alexandreia fand, so sollte
auch die im Mittelpunct des Orients und Occidents gelegene
Hauptstadt des neuen römisch-hellenischen Weltreichs nicht
eine italische Gemeinde sein, sondern die denationalisirte Capi-
tale vieler Nationen. Darum duldete es Caesar, daſs neben dem
Vater Jovis die neu angesiedelten aegyptischen Götter verehrt
wurden und gestattete sogar den Juden die freie Uebung ihres
seltsam fremdartigen Rituals auch in der Hauptstadt des Reiches.
Wie widerlich bunt immer die parasitische namentlich hellenisch-
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