Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.REPUBLIK UND MONARCHIE. Fuss erforderlich sei, beweist wohl, dass er die besseren Ständewieder mehr in das Heer zu ziehen wünschte, aber ebenso deut- lich auch, dass bei dem immer mehr einreissenden unkriegeri- schen Geist der Nation er selbst es nicht mehr für möglich hielt die Bekleidung eines Ehrenamts an die Ueberstehung der Dienst- zeit unbedingt wie ehedem zu knüpfen. Eben daraus wird es sich erklären, dass Caesar keinen Versuch gemacht hat die rö- mische Bürgerreiterei wieder herzustellen. Die Aushebung ward besser geordnet, die Dienstzeit regulirt und abgekürzt; übrigens blieb es dabei, dass die Linieninfanterie vorwiegend aus den nie- deren Ständen der römischen Bürgerschaft, die Reiterei und die leichte Infanterie aus der Unterthanenschaft ausgehoben ward -- dass für die Reorganisation der Kriegsflotte nichts geschah, ist auffallend. Bemerkenswerth ist es, dass Caesar zuerst von dem altrömischen System abwich niemals mit Söldnern zu fechten und in die Reiterei gemiethete Ausländer, namentlich Deutsche ein- stellte; eine ihrem Urheber selbst ohne Zweifel bedenkliche Neue- rung, zu der ihn die Unzuverlässigkeit der Unterthanenreiterei zwang (S. 257). Eine andere Neuerung war die Beseitigung des alten zwischen den sechs Kriegstribunen der Legion wechselnden Legionscommandos: in dieser Zeit erscheinen die Legionscom- mandanten oder sogenannten ,Legionsadjutanten' (legati legionis), die bisher nur ausserordentlicher Weise bestellt worden waren, zuerst als eine bleibende und organische Institution, wovon der Grund theils in dem Bedürfniss einer energischeren Centralisirung des Commandos, theils in dem fühlbaren Mangel an fähigen Ober- offizieren zu suchen sein wird. Die wesentlichste Veränderung im Heerwesen bestand in der Aufstellung eines bleibenden Gene- ralissimus, welcher anstatt des bisherigen unmilitärischen und in jeder Beziehung unfähigen Regierungscollegiums das gesammte Armeeregiment in seinen Händen vereinigte und dasselbe also aus einer meist bloss nominellen Direction in ein reelles und ener- gisches Obercommando umschuf. Wenn die Statthalter der Re- publik durchaus sich selber überlassen waren, so waren die neuen Adjutanten von dem Imperator, der sie ernannte und abrief, so vollständig abhängig, dass weder eine Verwahrlosung der Armeen wie bisher, noch eine Umwandlung derselben in persönliche Ge- folgschaften des einzelnen Offiziers leicht zu befürchten stand. Indess ist es bemerkenswerth, dass, so entschieden auch die Ver- hältnisse zur Militärmonarchie hindrängten und so bestimmt Cae- sar das Obercommando ausschliesslich für sich nahm, er den- noch keineswegs gesonnen war seine Gewalt durch und auf das REPUBLIK UND MONARCHIE. Fuſs erforderlich sei, beweist wohl, daſs er die besseren Ständewieder mehr in das Heer zu ziehen wünschte, aber ebenso deut- lich auch, daſs bei dem immer mehr einreiſsenden unkriegeri- schen Geist der Nation er selbst es nicht mehr für möglich hielt die Bekleidung eines Ehrenamts an die Ueberstehung der Dienst- zeit unbedingt wie ehedem zu knüpfen. Eben daraus wird es sich erklären, daſs Caesar keinen Versuch gemacht hat die rö- mische Bürgerreiterei wieder herzustellen. Die Aushebung ward besser geordnet, die Dienstzeit regulirt und abgekürzt; übrigens blieb es dabei, daſs die Linieninfanterie vorwiegend aus den nie- deren Ständen der römischen Bürgerschaft, die Reiterei und die leichte Infanterie aus der Unterthanenschaft ausgehoben ward — daſs für die Reorganisation der Kriegsflotte nichts geschah, ist auffallend. Bemerkenswerth ist es, daſs Caesar zuerst von dem altrömischen System abwich niemals mit Söldnern zu fechten und in die Reiterei gemiethete Ausländer, namentlich Deutsche ein- stellte; eine ihrem Urheber selbst ohne Zweifel bedenkliche Neue- rung, zu der ihn die Unzuverlässigkeit der Unterthanenreiterei zwang (S. 257). Eine andere Neuerung war die Beseitigung des alten zwischen den sechs Kriegstribunen der Legion wechselnden Legionscommandos: in dieser Zeit erscheinen die Legionscom- mandanten oder sogenannten ‚Legionsadjutanten‘ (legati legionis), die bisher nur auſserordentlicher Weise bestellt worden waren, zuerst als eine bleibende und organische Institution, wovon der Grund theils in dem Bedürfniſs einer energischeren Centralisirung des Commandos, theils in dem fühlbaren Mangel an fähigen Ober- offizieren zu suchen sein wird. Die wesentlichste Veränderung im Heerwesen bestand in der Aufstellung eines bleibenden Gene- ralissimus, welcher anstatt des bisherigen unmilitärischen und in jeder Beziehung unfähigen Regierungscollegiums das gesammte Armeeregiment in seinen Händen vereinigte und dasselbe also aus einer meist bloſs nominellen Direction in ein reelles und ener- gisches Obercommando umschuf. Wenn die Statthalter der Re- publik durchaus sich selber überlassen waren, so waren die neuen Adjutanten von dem Imperator, der sie ernannte und abrief, so vollständig abhängig, daſs weder eine Verwahrlosung der Armeen wie bisher, noch eine Umwandlung derselben in persönliche Ge- folgschaften des einzelnen Offiziers leicht zu befürchten stand. Indeſs ist es bemerkenswerth, daſs, so entschieden auch die Ver- hältnisse zur Militärmonarchie hindrängten und so bestimmt Cae- sar das Obercommando ausschlieſslich für sich nahm, er den- noch keineswegs gesonnen war seine Gewalt durch und auf das <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0473" n="463"/><fw place="top" type="header">REPUBLIK UND MONARCHIE.</fw><lb/> Fuſs erforderlich sei, beweist wohl, daſs er die besseren Stände<lb/> wieder mehr in das Heer zu ziehen wünschte, aber ebenso deut-<lb/> lich auch, daſs bei dem immer mehr einreiſsenden unkriegeri-<lb/> schen Geist der Nation er selbst es nicht mehr für möglich hielt<lb/> die Bekleidung eines Ehrenamts an die Ueberstehung der Dienst-<lb/> zeit unbedingt wie ehedem zu knüpfen. Eben daraus wird es<lb/> sich erklären, daſs Caesar keinen Versuch gemacht hat die rö-<lb/> mische Bürgerreiterei wieder herzustellen. 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REPUBLIK UND MONARCHIE.
Fuſs erforderlich sei, beweist wohl, daſs er die besseren Stände
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lich auch, daſs bei dem immer mehr einreiſsenden unkriegeri-
schen Geist der Nation er selbst es nicht mehr für möglich hielt
die Bekleidung eines Ehrenamts an die Ueberstehung der Dienst-
zeit unbedingt wie ehedem zu knüpfen. Eben daraus wird es
sich erklären, daſs Caesar keinen Versuch gemacht hat die rö-
mische Bürgerreiterei wieder herzustellen. Die Aushebung ward
besser geordnet, die Dienstzeit regulirt und abgekürzt; übrigens
blieb es dabei, daſs die Linieninfanterie vorwiegend aus den nie-
deren Ständen der römischen Bürgerschaft, die Reiterei und die
leichte Infanterie aus der Unterthanenschaft ausgehoben ward —
daſs für die Reorganisation der Kriegsflotte nichts geschah, ist
auffallend. Bemerkenswerth ist es, daſs Caesar zuerst von dem
altrömischen System abwich niemals mit Söldnern zu fechten und
in die Reiterei gemiethete Ausländer, namentlich Deutsche ein-
stellte; eine ihrem Urheber selbst ohne Zweifel bedenkliche Neue-
rung, zu der ihn die Unzuverlässigkeit der Unterthanenreiterei
zwang (S. 257). Eine andere Neuerung war die Beseitigung des
alten zwischen den sechs Kriegstribunen der Legion wechselnden
Legionscommandos: in dieser Zeit erscheinen die Legionscom-
mandanten oder sogenannten ‚Legionsadjutanten‘ (legati
legionis),
die bisher nur auſserordentlicher Weise bestellt worden waren,
zuerst als eine bleibende und organische Institution, wovon der
Grund theils in dem Bedürfniſs einer energischeren Centralisirung
des Commandos, theils in dem fühlbaren Mangel an fähigen Ober-
offizieren zu suchen sein wird. Die wesentlichste Veränderung
im Heerwesen bestand in der Aufstellung eines bleibenden Gene-
ralissimus, welcher anstatt des bisherigen unmilitärischen und in
jeder Beziehung unfähigen Regierungscollegiums das gesammte
Armeeregiment in seinen Händen vereinigte und dasselbe also aus
einer meist bloſs nominellen Direction in ein reelles und ener-
gisches Obercommando umschuf. Wenn die Statthalter der Re-
publik durchaus sich selber überlassen waren, so waren die neuen
Adjutanten von dem Imperator, der sie ernannte und abrief, so
vollständig abhängig, daſs weder eine Verwahrlosung der Armeen
wie bisher, noch eine Umwandlung derselben in persönliche Ge-
folgschaften des einzelnen Offiziers leicht zu befürchten stand.
Indeſs ist es bemerkenswerth, daſs, so entschieden auch die Ver-
hältnisse zur Militärmonarchie hindrängten und so bestimmt Cae-
sar das Obercommando ausschlieſslich für sich nahm, er den-
noch keineswegs gesonnen war seine Gewalt durch und auf das
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