Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.FÜNFTES BUCH. KAPITEL XI. zu seinem neuen Staat das Muster zu finden; denn da das höchsteAmt des römischen Gemeinwesens zu allen Zeiten ein durch eine Anzahl Specialgesetze eingeschränktes Königthum geblieben war, so war auch der Begriff des Königthums selbst keineswegs ver- schollen. Zu den verschiedensten Zeiten und von sehr verschiede- nen Seiten her, in der republikanischen Dictatur, in der Decemviral- gewalt, in der sullanischen Regentschaft war man auch während der Republik praktisch auf denselben zurückgekommen; ja mit einer gewissen logischen Nothwendigkeit trat überall, wo das Be- dürfniss einer Ausnahmegewalt sich zeigte, im Gegensatz gegen das gewöhnliche beschränkte das unbeschränkte Imperium her- vor, welches eben nichts anderes war als die königliche Gewalt. Endlich empfahlen auch äussere Rücksichten dies Zurückgehen auf das ehemalige Königthum. Die Menschheit gelangt zu Neu- schöpfungen unsäglich schwer und hegt darum die einmal ent- wickelten Formen als ein heiliges Erbstück. Darum knüpfte Cae- sar mit gutem Bedacht an Servius Tullius in ähnlicher Weise an, wie später Karl der Grosse an ihn angeknüpft hat und Napoleon an Karl den Grossen wenigstens anzuknüpfen versuchte. Er that dies auch nicht etwa auf Umwegen und heimlich, sondern so gut wie seine Nachfahren in möglichst offenkundiger Weise; es war ja eben der Zweck dieser Anknüpfung eine klare, nationale und populäre Formulirung für den neuen Staat zu finden. Seit alter Zeit standen auf dem Capitol die Standbilder derjenigen sieben Könige, die die conventionelle Geschichte Roms aufzuführen pflegte; Caesar befahl daneben das seinige als das achte zu er- richten. Er erschien öffentlich in der Tracht der alten Könige von Alba. In seinem neuen Gesetz über politische Verbrecher war die hauptsächlichste Abweichung von dem sullanischen die, dass neben die Volksgemeinde und auf eine Linie mit ihr der Impe- rator als der lebendige und persönliche Ausdruck des Volkes ge- stelltward. In der üblichen Formel der politischen Eide ward zu dem Jovis und den Penaten des römischen Volkes der Genius des Imperator hinzugefügt. Das äussere Kennzeichen der Monar- chie war nach der im ganzen Alterthum verbreiteten Ansicht das Bild des Monarchen auf den Münzen: seit dem J. 709 erscheint auf denen des römischen Staats der Kopf Caesars. Man konnte hienach wenigstens darüber sich nicht beschweren, dass Caesar das Publicum über die Auffassung seiner Stellung im Dunkeln liess; so bestimmt und so förmlich wie möglich trat er auf nicht bloss als Monarch, sondern eben als König von Rom. Sonach ist es denn eine Frage von sehr untergeordneter Bedeutung, ob Cae- FÜNFTES BUCH. KAPITEL XI. zu seinem neuen Staat das Muster zu finden; denn da das höchsteAmt des römischen Gemeinwesens zu allen Zeiten ein durch eine Anzahl Specialgesetze eingeschränktes Königthum geblieben war, so war auch der Begriff des Königthums selbst keineswegs ver- schollen. Zu den verschiedensten Zeiten und von sehr verschiede- nen Seiten her, in der republikanischen Dictatur, in der Decemviral- gewalt, in der sullanischen Regentschaft war man auch während der Republik praktisch auf denselben zurückgekommen; ja mit einer gewissen logischen Nothwendigkeit trat überall, wo das Be- dürfniſs einer Ausnahmegewalt sich zeigte, im Gegensatz gegen das gewöhnliche beschränkte das unbeschränkte Imperium her- vor, welches eben nichts anderes war als die königliche Gewalt. Endlich empfahlen auch äuſsere Rücksichten dies Zurückgehen auf das ehemalige Königthum. Die Menschheit gelangt zu Neu- schöpfungen unsäglich schwer und hegt darum die einmal ent- wickelten Formen als ein heiliges Erbstück. Darum knüpfte Cae- sar mit gutem Bedacht an Servius Tullius in ähnlicher Weise an, wie später Karl der Groſse an ihn angeknüpft hat und Napoleon an Karl den Groſsen wenigstens anzuknüpfen versuchte. Er that dies auch nicht etwa auf Umwegen und heimlich, sondern so gut wie seine Nachfahren in möglichst offenkundiger Weise; es war ja eben der Zweck dieser Anknüpfung eine klare, nationale und populäre Formulirung für den neuen Staat zu finden. Seit alter Zeit standen auf dem Capitol die Standbilder derjenigen sieben Könige, die die conventionelle Geschichte Roms aufzuführen pflegte; Caesar befahl daneben das seinige als das achte zu er- richten. Er erschien öffentlich in der Tracht der alten Könige von Alba. In seinem neuen Gesetz über politische Verbrecher war die hauptsächlichste Abweichung von dem sullanischen die, daſs neben die Volksgemeinde und auf eine Linie mit ihr der Impe- rator als der lebendige und persönliche Ausdruck des Volkes ge- stelltward. In der üblichen Formel der politischen Eide ward zu dem Jovis und den Penaten des römischen Volkes der Genius des Imperator hinzugefügt. Das äuſsere Kennzeichen der Monar- chie war nach der im ganzen Alterthum verbreiteten Ansicht das Bild des Monarchen auf den Münzen: seit dem J. 709 erscheint auf denen des römischen Staats der Kopf Caesars. Man konnte hienach wenigstens darüber sich nicht beschweren, daſs Caesar das Publicum über die Auffassung seiner Stellung im Dunkeln lieſs; so bestimmt und so förmlich wie möglich trat er auf nicht bloſs als Monarch, sondern eben als König von Rom. Sonach ist es denn eine Frage von sehr untergeordneter Bedeutung, ob Cae- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0458" n="448"/><fw place="top" type="header">FÜNFTES BUCH. 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FÜNFTES BUCH. KAPITEL XI.
zu seinem neuen Staat das Muster zu finden; denn da das höchste
Amt des römischen Gemeinwesens zu allen Zeiten ein durch eine
Anzahl Specialgesetze eingeschränktes Königthum geblieben war,
so war auch der Begriff des Königthums selbst keineswegs ver-
schollen. Zu den verschiedensten Zeiten und von sehr verschiede-
nen Seiten her, in der republikanischen Dictatur, in der Decemviral-
gewalt, in der sullanischen Regentschaft war man auch während
der Republik praktisch auf denselben zurückgekommen; ja mit
einer gewissen logischen Nothwendigkeit trat überall, wo das Be-
dürfniſs einer Ausnahmegewalt sich zeigte, im Gegensatz gegen
das gewöhnliche beschränkte das unbeschränkte Imperium her-
vor, welches eben nichts anderes war als die königliche Gewalt.
Endlich empfahlen auch äuſsere Rücksichten dies Zurückgehen
auf das ehemalige Königthum. Die Menschheit gelangt zu Neu-
schöpfungen unsäglich schwer und hegt darum die einmal ent-
wickelten Formen als ein heiliges Erbstück. Darum knüpfte Cae-
sar mit gutem Bedacht an Servius Tullius in ähnlicher Weise an,
wie später Karl der Groſse an ihn angeknüpft hat und Napoleon
an Karl den Groſsen wenigstens anzuknüpfen versuchte. Er that
dies auch nicht etwa auf Umwegen und heimlich, sondern so gut
wie seine Nachfahren in möglichst offenkundiger Weise; es war
ja eben der Zweck dieser Anknüpfung eine klare, nationale und
populäre Formulirung für den neuen Staat zu finden. Seit alter
Zeit standen auf dem Capitol die Standbilder derjenigen sieben
Könige, die die conventionelle Geschichte Roms aufzuführen
pflegte; Caesar befahl daneben das seinige als das achte zu er-
richten. Er erschien öffentlich in der Tracht der alten Könige von
Alba. In seinem neuen Gesetz über politische Verbrecher war die
hauptsächlichste Abweichung von dem sullanischen die, daſs
neben die Volksgemeinde und auf eine Linie mit ihr der Impe-
rator als der lebendige und persönliche Ausdruck des Volkes ge-
stelltward. In der üblichen Formel der politischen Eide ward zu
dem Jovis und den Penaten des römischen Volkes der Genius
des Imperator hinzugefügt. Das äuſsere Kennzeichen der Monar-
chie war nach der im ganzen Alterthum verbreiteten Ansicht das
Bild des Monarchen auf den Münzen: seit dem J. 709 erscheint
auf denen des römischen Staats der Kopf Caesars. Man konnte
hienach wenigstens darüber sich nicht beschweren, daſs Caesar
das Publicum über die Auffassung seiner Stellung im Dunkeln
lieſs; so bestimmt und so förmlich wie möglich trat er auf nicht
bloſs als Monarch, sondern eben als König von Rom. Sonach ist
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