Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.REPUBLIK UND MONARCHIE. im Wesentlichen bereits der Vergangenheit anheimgefallenen Fra-gen war die Behandlung der im Augenblick sich gegenüberste- henden Parteien: theils des eigenen demokratischen Anhangs Caesars, theils der gestürzten Aristokratie. Dass jener mit Cae- sars Verfahren nach dem Sieg und mit seiner Aufforderung den alten Parteistandpunkt aufzugeben wo möglich noch minder ein- verstanden war als diese, versteht sich von selbst. Caesar selbst wollte wohl im Ganzen dasselbe, was Gaius Gracchus im Sinne getragen hatte; allein die Absichten der Caesarianer waren nicht mehr die der Gracchaner. Die römische Popularpartei war in immer steigernder Progression aus der Reform in die Revolution, aus der Revolution in die Anarchie, aus der Anarchie in den Krieg gegen das Eigenthum gedrängt worden; sie hatte unter Caesars Fahne sich gestellt, weil sie von ihm das erwartete, was Catilina ihr nicht hatte schaffen können. Als nun aber sehr bald sich herausstellte, dass Caesar nichts weniger sein wollte als der Testamentsvollstrecker Catilinas, dass die Verschuldeten von ihm höchstens Zahlungserleichterungen und Processmilde- rungen zu hoffen hatten, da ward die erbitterte Frage laut, für wen die Volkspartei gesiegt habe, wenn nicht für das Volk? Vor lauter Aerger über die fehlgeschlagenen politisch-ökonomischen Saturnalien fing das vornehme und niedere Gesindel dieser Art an erst mit den Pompeianern zu liebäugeln, dann sogar während Caesars fast zweijähriger Abwesenheit von Italien (Jan. 706 -- Herbst 707) daselbst einen Bürgerkrieg im Bürgerkriege anzuzet- teln. Der Praetor Marcus Caelius Rufus, ein guter Adlicher und schlechter Schuldenbezahler, von einigem Talent und vieler Bil- dung, als ein heftiger und redefertiger Mann bisher im Senat und auf dem Markte einer der eifrigsten Vorkämpfer für Caesar, brachte ohne höheren Auftrag bei dem Volke zuerst ein Gesetz, das den Schuldnern ein sechsjähriges zinsfreies Moratorium gewährte, und sodann, da man ihm hiebei in den Weg trat, ein zweites ein, das alle Forderungen aus Darlehen und laufenden Hausmiethen cas- sirte; worauf der caesarische Senat ihn seines Amtes entsetzte. Es war eben die Zeit vor der pharsalischen Schlacht und die Wag- schale in dem grossen Kampfe schien sich auf die Seite der Pom- peianer zu neigen; Rufus trat mit dem alten senatorischen Banden- führer Milo in Verbindung und beide stifteten eine Contrerevolu- tion an, die theils die republikanische Verfassung, theils Cassa- tion der Forderungen und Freierklärung der Sclaven auf ihr Panier schrieb. In der That kam Milo aus seinem Verbannungs- ort Massalia zurück und rief in der Gegend von Thurii die Pom- REPUBLIK UND MONARCHIE. im Wesentlichen bereits der Vergangenheit anheimgefallenen Fra-gen war die Behandlung der im Augenblick sich gegenüberste- henden Parteien: theils des eigenen demokratischen Anhangs Caesars, theils der gestürzten Aristokratie. Daſs jener mit Cae- sars Verfahren nach dem Sieg und mit seiner Aufforderung den alten Parteistandpunkt aufzugeben wo möglich noch minder ein- verstanden war als diese, versteht sich von selbst. Caesar selbst wollte wohl im Ganzen dasselbe, was Gaius Gracchus im Sinne getragen hatte; allein die Absichten der Caesarianer waren nicht mehr die der Gracchaner. Die römische Popularpartei war in immer steigernder Progression aus der Reform in die Revolution, aus der Revolution in die Anarchie, aus der Anarchie in den Krieg gegen das Eigenthum gedrängt worden; sie hatte unter Caesars Fahne sich gestellt, weil sie von ihm das erwartete, was Catilina ihr nicht hatte schaffen können. Als nun aber sehr bald sich herausstellte, daſs Caesar nichts weniger sein wollte als der Testamentsvollstrecker Catilinas, daſs die Verschuldeten von ihm höchstens Zahlungserleichterungen und Proceſsmilde- rungen zu hoffen hatten, da ward die erbitterte Frage laut, für wen die Volkspartei gesiegt habe, wenn nicht für das Volk? Vor lauter Aerger über die fehlgeschlagenen politisch-ökonomischen Saturnalien fing das vornehme und niedere Gesindel dieser Art an erst mit den Pompeianern zu liebäugeln, dann sogar während Caesars fast zweijähriger Abwesenheit von Italien (Jan. 706 — Herbst 707) daselbst einen Bürgerkrieg im Bürgerkriege anzuzet- teln. Der Praetor Marcus Caelius Rufus, ein guter Adlicher und schlechter Schuldenbezahler, von einigem Talent und vieler Bil- dung, als ein heftiger und redefertiger Mann bisher im Senat und auf dem Markte einer der eifrigsten Vorkämpfer für Caesar, brachte ohne höheren Auftrag bei dem Volke zuerst ein Gesetz, das den Schuldnern ein sechsjähriges zinsfreies Moratorium gewährte, und sodann, da man ihm hiebei in den Weg trat, ein zweites ein, das alle Forderungen aus Darlehen und laufenden Hausmiethen cas- sirte; worauf der caesarische Senat ihn seines Amtes entsetzte. Es war eben die Zeit vor der pharsalischen Schlacht und die Wag- schale in dem groſsen Kampfe schien sich auf die Seite der Pom- peianer zu neigen; Rufus trat mit dem alten senatorischen Banden- führer Milo in Verbindung und beide stifteten eine Contrerevolu- tion an, die theils die republikanische Verfassung, theils Cassa- tion der Forderungen und Freierklärung der Sclaven auf ihr Panier schrieb. 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REPUBLIK UND MONARCHIE.
im Wesentlichen bereits der Vergangenheit anheimgefallenen Fra-
gen war die Behandlung der im Augenblick sich gegenüberste-
henden Parteien: theils des eigenen demokratischen Anhangs
Caesars, theils der gestürzten Aristokratie. Daſs jener mit Cae-
sars Verfahren nach dem Sieg und mit seiner Aufforderung den
alten Parteistandpunkt aufzugeben wo möglich noch minder ein-
verstanden war als diese, versteht sich von selbst. Caesar selbst
wollte wohl im Ganzen dasselbe, was Gaius Gracchus im Sinne
getragen hatte; allein die Absichten der Caesarianer waren nicht
mehr die der Gracchaner. Die römische Popularpartei war in
immer steigernder Progression aus der Reform in die Revolution,
aus der Revolution in die Anarchie, aus der Anarchie in den
Krieg gegen das Eigenthum gedrängt worden; sie hatte unter
Caesars Fahne sich gestellt, weil sie von ihm das erwartete,
was Catilina ihr nicht hatte schaffen können. Als nun aber sehr
bald sich herausstellte, daſs Caesar nichts weniger sein wollte
als der Testamentsvollstrecker Catilinas, daſs die Verschuldeten
von ihm höchstens Zahlungserleichterungen und Proceſsmilde-
rungen zu hoffen hatten, da ward die erbitterte Frage laut, für
wen die Volkspartei gesiegt habe, wenn nicht für das Volk? Vor
lauter Aerger über die fehlgeschlagenen politisch-ökonomischen
Saturnalien fing das vornehme und niedere Gesindel dieser Art
an erst mit den Pompeianern zu liebäugeln, dann sogar während
Caesars fast zweijähriger Abwesenheit von Italien (Jan. 706 —
Herbst 707) daselbst einen Bürgerkrieg im Bürgerkriege anzuzet-
teln. Der Praetor Marcus Caelius Rufus, ein guter Adlicher und
schlechter Schuldenbezahler, von einigem Talent und vieler Bil-
dung, als ein heftiger und redefertiger Mann bisher im Senat und
auf dem Markte einer der eifrigsten Vorkämpfer für Caesar, brachte
ohne höheren Auftrag bei dem Volke zuerst ein Gesetz, das den
Schuldnern ein sechsjähriges zinsfreies Moratorium gewährte, und
sodann, da man ihm hiebei in den Weg trat, ein zweites ein, das
alle Forderungen aus Darlehen und laufenden Hausmiethen cas-
sirte; worauf der caesarische Senat ihn seines Amtes entsetzte. Es
war eben die Zeit vor der pharsalischen Schlacht und die Wag-
schale in dem groſsen Kampfe schien sich auf die Seite der Pom-
peianer zu neigen; Rufus trat mit dem alten senatorischen Banden-
führer Milo in Verbindung und beide stifteten eine Contrerevolu-
tion an, die theils die republikanische Verfassung, theils Cassa-
tion der Forderungen und Freierklärung der Sclaven auf ihr
Panier schrieb. In der That kam Milo aus seinem Verbannungs-
ort Massalia zurück und rief in der Gegend von Thurii die Pom-
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