Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.REPUBLIK UND MONARCHIE. Praetorianerregiment aufkommen lassen. Wenn überhaupt eineSeite der bürgerlichen Verdienste, so wurden von ihm vielmehr die um die Wissenschaften und die Künste des Friedens als die militärischen bevorzugt. Die bemerkenswertheste Eigenthümlich- keit seines staatsmännischen Schaffens ist dessen vollkommene Harmonie. In der That waren alle Bedingungen zu dieser schwer- sten aller menschlichen Leistungen in Caesar vereinigt. Durch und durch Realist liess er die Bilder der Vergangenheit und die ehrwürdige Tradition nirgends sich anfechten: ihm galt nichts in der Politik als die lebendige Gegenwart und das verständige Gesetz, eben wie er auch als Grammatiker die historisch-anti- quarische Forschung bei Seite schob und nichts anerkannte als einerseits den lebendigen Sprachgebrauch, andrerseits die Regel der Gleichmässigkeit. Ein geborener Herrscher regierte er die Gemüther der Menschen wie der Wind die Wolken zwingt und nöthigte die verschiedenartigsten Naturen ihm sich zu eigen zu geben, den schlichten Bürger und den derben Unteroffizier, die vornehmen Damen Roms und die schönen Fürstinnen Aegyptens und Mauretaniens, den glänzenden Cavalleriegeneral und den calculirenden Banquier. Sein Organisationstalent ist wunder- bar; nie hat ein Staatsmann seine Bündnisse, nie ein Feldherr seine Armee aus ungefügen und widerstrebenden Elementen so entschieden zusammengezwungen und so fest zusammengehalten wie Caesar seine Coalitionen und seine Legionen; nie ein Regent mit so scharfem Blick seine Werkzeuge beurtheilt und ein jedes an den ihm angemessenen Platz gestellt. Er war Monarch; aber nie hat er den König gespielt. Auch als unumschränkter Herr von Rom blieb er in seinem Auftreten der Parteichef: vollkom- men biegsam und geschmeidig, bequem und anmuthig in der Unterhaltung, zuvorkommend gegen Jeden schien er nichts sein zu wollen als der erste unter seines Gleichen. Den Fehler so vieler ihm sonst ebenbürtiger Männer, den militärischen Commandoton auf die Politik zu übertragen, hat Caesar durchaus vermieden; wie vielen Anlass das verdriessliche Verhältniss zum Senat ihm auch dazu gab, er hat nie zu Brutalitäten gegriffen, wie die des achtzehnten Brumaire eine war. Caesar war Monarch; aber nie hat ihn der Tyrannenschwindel erfasst. Er ist vielleicht der ein- zige unter den Gewaltigen des Herrn, welcher im Grossen wie im Kleinen nie nach Neigung oder Laune, sondern ohne Ausnahme nach seiner Regentenpflicht gehandelt hat und der, wenn er auf sein Leben zurücksah, wohl falsche Berechnungen zu bedauern, aber keinen Fehltritt der Leidenschaft zu bereuen fand. Es ist Röm. Gesch. III. 28
REPUBLIK UND MONARCHIE. Praetorianerregiment aufkommen lassen. Wenn überhaupt eineSeite der bürgerlichen Verdienste, so wurden von ihm vielmehr die um die Wissenschaften und die Künste des Friedens als die militärischen bevorzugt. Die bemerkenswertheste Eigenthümlich- keit seines staatsmännischen Schaffens ist dessen vollkommene Harmonie. In der That waren alle Bedingungen zu dieser schwer- sten aller menschlichen Leistungen in Caesar vereinigt. Durch und durch Realist lieſs er die Bilder der Vergangenheit und die ehrwürdige Tradition nirgends sich anfechten: ihm galt nichts in der Politik als die lebendige Gegenwart und das verständige Gesetz, eben wie er auch als Grammatiker die historisch-anti- quarische Forschung bei Seite schob und nichts anerkannte als einerseits den lebendigen Sprachgebrauch, andrerseits die Regel der Gleichmäſsigkeit. Ein geborener Herrscher regierte er die Gemüther der Menschen wie der Wind die Wolken zwingt und nöthigte die verschiedenartigsten Naturen ihm sich zu eigen zu geben, den schlichten Bürger und den derben Unteroffizier, die vornehmen Damen Roms und die schönen Fürstinnen Aegyptens und Mauretaniens, den glänzenden Cavalleriegeneral und den calculirenden Banquier. Sein Organisationstalent ist wunder- bar; nie hat ein Staatsmann seine Bündnisse, nie ein Feldherr seine Armee aus ungefügen und widerstrebenden Elementen so entschieden zusammengezwungen und so fest zusammengehalten wie Caesar seine Coalitionen und seine Legionen; nie ein Regent mit so scharfem Blick seine Werkzeuge beurtheilt und ein jedes an den ihm angemessenen Platz gestellt. Er war Monarch; aber nie hat er den König gespielt. Auch als unumschränkter Herr von Rom blieb er in seinem Auftreten der Parteichef: vollkom- men biegsam und geschmeidig, bequem und anmuthig in der Unterhaltung, zuvorkommend gegen Jeden schien er nichts sein zu wollen als der erste unter seines Gleichen. Den Fehler so vieler ihm sonst ebenbürtiger Männer, den militärischen Commandoton auf die Politik zu übertragen, hat Caesar durchaus vermieden; wie vielen Anlaſs das verdrieſsliche Verhältniſs zum Senat ihm auch dazu gab, er hat nie zu Brutalitäten gegriffen, wie die des achtzehnten Brumaire eine war. Caesar war Monarch; aber nie hat ihn der Tyrannenschwindel erfaſst. Er ist vielleicht der ein- zige unter den Gewaltigen des Herrn, welcher im Groſsen wie im Kleinen nie nach Neigung oder Laune, sondern ohne Ausnahme nach seiner Regentenpflicht gehandelt hat und der, wenn er auf sein Leben zurücksah, wohl falsche Berechnungen zu bedauern, aber keinen Fehltritt der Leidenschaft zu bereuen fand. Es ist Röm. Gesch. III. 28
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REPUBLIK UND MONARCHIE.
Praetorianerregiment aufkommen lassen. Wenn überhaupt eine
Seite der bürgerlichen Verdienste, so wurden von ihm vielmehr
die um die Wissenschaften und die Künste des Friedens als die
militärischen bevorzugt. Die bemerkenswertheste Eigenthümlich-
keit seines staatsmännischen Schaffens ist dessen vollkommene
Harmonie. In der That waren alle Bedingungen zu dieser schwer-
sten aller menschlichen Leistungen in Caesar vereinigt. Durch
und durch Realist lieſs er die Bilder der Vergangenheit und die
ehrwürdige Tradition nirgends sich anfechten: ihm galt nichts
in der Politik als die lebendige Gegenwart und das verständige
Gesetz, eben wie er auch als Grammatiker die historisch-anti-
quarische Forschung bei Seite schob und nichts anerkannte als
einerseits den lebendigen Sprachgebrauch, andrerseits die Regel
der Gleichmäſsigkeit. Ein geborener Herrscher regierte er die
Gemüther der Menschen wie der Wind die Wolken zwingt und
nöthigte die verschiedenartigsten Naturen ihm sich zu eigen zu
geben, den schlichten Bürger und den derben Unteroffizier, die
vornehmen Damen Roms und die schönen Fürstinnen Aegyptens
und Mauretaniens, den glänzenden Cavalleriegeneral und den
calculirenden Banquier. Sein Organisationstalent ist wunder-
bar; nie hat ein Staatsmann seine Bündnisse, nie ein Feldherr
seine Armee aus ungefügen und widerstrebenden Elementen so
entschieden zusammengezwungen und so fest zusammengehalten
wie Caesar seine Coalitionen und seine Legionen; nie ein Regent
mit so scharfem Blick seine Werkzeuge beurtheilt und ein jedes
an den ihm angemessenen Platz gestellt. Er war Monarch; aber
nie hat er den König gespielt. Auch als unumschränkter Herr
von Rom blieb er in seinem Auftreten der Parteichef: vollkom-
men biegsam und geschmeidig, bequem und anmuthig in der
Unterhaltung, zuvorkommend gegen Jeden schien er nichts sein
zu wollen als der erste unter seines Gleichen. Den Fehler so vieler
ihm sonst ebenbürtiger Männer, den militärischen Commandoton
auf die Politik zu übertragen, hat Caesar durchaus vermieden;
wie vielen Anlaſs das verdrieſsliche Verhältniſs zum Senat ihm
auch dazu gab, er hat nie zu Brutalitäten gegriffen, wie die des
achtzehnten Brumaire eine war. Caesar war Monarch; aber nie
hat ihn der Tyrannenschwindel erfaſst. Er ist vielleicht der ein-
zige unter den Gewaltigen des Herrn, welcher im Groſsen wie im
Kleinen nie nach Neigung oder Laune, sondern ohne Ausnahme
nach seiner Regentenpflicht gehandelt hat und der, wenn er auf
sein Leben zurücksah, wohl falsche Berechnungen zu bedauern,
aber keinen Fehltritt der Leidenschaft zu bereuen fand. Es ist
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