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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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FÜNFTES BUCH. KAPITEL XI.
war. Namentlich spielt der Soldat in ihm eine durchaus beiläu-
fige Rolle, und es ist eine der hauptsächlichsten Eigenthümlich-
keiten, die ihn von Alexander, Hannibal und Napoleon unter-
scheidet, dass in ihm nicht der Offizier, sondern der Demagog
der Ausgangspunkt der politischen Thätigkeit war. Seinem ur-
sprünglichen Plan zufolge hatte er sein Ziel wie Perikles und
Gaius Gracchus ohne Waffengewalt zu erreichen gedacht, und
achtzehn Jahre hindurch hatte er als Führer der Popularpartei
ausschliesslich in politischen Plänen und Intriguen sich bewegt,
bevor er, ungern sich überzeugend von der Nothwendigkeit eines
militärischen Rückhalts, schon ein Vierziger an die Spitze einer
Armee trat. Es war erklärlich, dass er auch späterhin immer noch
mehr Staatsmann blieb als General -- ähnlich wie Cromwell, der
auch aus dem Oppositionsführer zum Militärchef und Demokra-
tenkönig sich umschuf und der überhaupt, wie wenig auch der
Puritanerheld dem lockeren Römer zu gleichen scheint, doch in
seiner Entwicklung wie in seinen Zielen und Resultaten vielleicht
unter allen Staatsmännern Caesar am nächsten verwandt ist.
Selbst in seiner Kriegführung ist diese improvisirte Feldherrn-
schaft noch deutlich zu erkennen. Ein geschulter Offizier würde
es schwerlich fertig gebracht haben aus politischen Rücksichten
nicht durchaus zwingender Natur die gegründetsten militärischen
Bedenken in der Art bei Seite zu schieben, wie dies Caesar mehr-
mals, am auffallendsten bei seiner Landung in Epirus that. Wäh-
rend Napoleon in Boulogne und in Aegypten den zum Feldherrn
aufgedienten Artillerielieutenant nicht verleugnete, war Caesars
Verhalten in den gleichartigen Unternehmungen das des zum
Feldherrn metamorphosirten Demagogen. Allein wenn einzelne
seiner Handlungen militärisch tadelhaft sein mögen, so verliert
der Feldherr nur was der Staatsmann gewinnt. Die Aufgabe des
Staatsmanns ist universeller Natur wie Caesars Genie: wenn er
die vielfältigsten und von einander entlegensten Aufgaben zu lö-
sen unternahm, so gingen sie doch alle ohne Ausnahme zurück
auf das eine grosse Ziel, dem er mit grenzenloser Treue und
Folgerichtigkeit diente; und nie hat er von den vielfältigen Sei-
ten und Richtungen seiner grossen Thätigkeit eine vor der an-
dern bevorzugt. Obwohl ein Meister der Kriegskunst, hat er
doch aus staatsmännischen Rücksichten das Aeusserste gethan um
den Bürgerkrieg abzuwenden und um, da er dennoch begann,
wenigstens keine blutigen Lorbeeren zu ernten. Obwohl der Be-
gründer der Militärmonarchie, hat er doch mit einer in der Ge-
schichte beispiellosen Energie weder Marschallshierarchie noch

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war. Namentlich spielt der Soldat in ihm eine durchaus beiläu-
fige Rolle, und es ist eine der hauptsächlichsten Eigenthümlich-
keiten, die ihn von Alexander, Hannibal und Napoleon unter-
scheidet, daſs in ihm nicht der Offizier, sondern der Demagog
der Ausgangspunkt der politischen Thätigkeit war. Seinem ur-
sprünglichen Plan zufolge hatte er sein Ziel wie Perikles und
Gaius Gracchus ohne Waffengewalt zu erreichen gedacht, und
achtzehn Jahre hindurch hatte er als Führer der Popularpartei
ausschlieſslich in politischen Plänen und Intriguen sich bewegt,
bevor er, ungern sich überzeugend von der Nothwendigkeit eines
militärischen Rückhalts, schon ein Vierziger an die Spitze einer
Armee trat. Es war erklärlich, daſs er auch späterhin immer noch
mehr Staatsmann blieb als General — ähnlich wie Cromwell, der
auch aus dem Oppositionsführer zum Militärchef und Demokra-
tenkönig sich umschuf und der überhaupt, wie wenig auch der
Puritanerheld dem lockeren Römer zu gleichen scheint, doch in
seiner Entwicklung wie in seinen Zielen und Resultaten vielleicht
unter allen Staatsmännern Caesar am nächsten verwandt ist.
Selbst in seiner Kriegführung ist diese improvisirte Feldherrn-
schaft noch deutlich zu erkennen. Ein geschulter Offizier würde
es schwerlich fertig gebracht haben aus politischen Rücksichten
nicht durchaus zwingender Natur die gegründetsten militärischen
Bedenken in der Art bei Seite zu schieben, wie dies Caesar mehr-
mals, am auffallendsten bei seiner Landung in Epirus that. Wäh-
rend Napoleon in Boulogne und in Aegypten den zum Feldherrn
aufgedienten Artillerielieutenant nicht verleugnete, war Caesars
Verhalten in den gleichartigen Unternehmungen das des zum
Feldherrn metamorphosirten Demagogen. Allein wenn einzelne
seiner Handlungen militärisch tadelhaft sein mögen, so verliert
der Feldherr nur was der Staatsmann gewinnt. Die Aufgabe des
Staatsmanns ist universeller Natur wie Caesars Genie: wenn er
die vielfältigsten und von einander entlegensten Aufgaben zu lö-
sen unternahm, so gingen sie doch alle ohne Ausnahme zurück
auf das eine groſse Ziel, dem er mit grenzenloser Treue und
Folgerichtigkeit diente; und nie hat er von den vielfältigen Sei-
ten und Richtungen seiner groſsen Thätigkeit eine vor der an-
dern bevorzugt. Obwohl ein Meister der Kriegskunst, hat er
doch aus staatsmännischen Rücksichten das Aeuſserste gethan um
den Bürgerkrieg abzuwenden und um, da er dennoch begann,
wenigstens keine blutigen Lorbeeren zu ernten. Obwohl der Be-
gründer der Militärmonarchie, hat er doch mit einer in der Ge-
schichte beispiellosen Energie weder Marschallshierarchie noch

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[432/0442] FÜNFTES BUCH. KAPITEL XI. war. Namentlich spielt der Soldat in ihm eine durchaus beiläu- fige Rolle, und es ist eine der hauptsächlichsten Eigenthümlich- keiten, die ihn von Alexander, Hannibal und Napoleon unter- scheidet, daſs in ihm nicht der Offizier, sondern der Demagog der Ausgangspunkt der politischen Thätigkeit war. Seinem ur- sprünglichen Plan zufolge hatte er sein Ziel wie Perikles und Gaius Gracchus ohne Waffengewalt zu erreichen gedacht, und achtzehn Jahre hindurch hatte er als Führer der Popularpartei ausschlieſslich in politischen Plänen und Intriguen sich bewegt, bevor er, ungern sich überzeugend von der Nothwendigkeit eines militärischen Rückhalts, schon ein Vierziger an die Spitze einer Armee trat. Es war erklärlich, daſs er auch späterhin immer noch mehr Staatsmann blieb als General — ähnlich wie Cromwell, der auch aus dem Oppositionsführer zum Militärchef und Demokra- tenkönig sich umschuf und der überhaupt, wie wenig auch der Puritanerheld dem lockeren Römer zu gleichen scheint, doch in seiner Entwicklung wie in seinen Zielen und Resultaten vielleicht unter allen Staatsmännern Caesar am nächsten verwandt ist. Selbst in seiner Kriegführung ist diese improvisirte Feldherrn- schaft noch deutlich zu erkennen. Ein geschulter Offizier würde es schwerlich fertig gebracht haben aus politischen Rücksichten nicht durchaus zwingender Natur die gegründetsten militärischen Bedenken in der Art bei Seite zu schieben, wie dies Caesar mehr- mals, am auffallendsten bei seiner Landung in Epirus that. Wäh- rend Napoleon in Boulogne und in Aegypten den zum Feldherrn aufgedienten Artillerielieutenant nicht verleugnete, war Caesars Verhalten in den gleichartigen Unternehmungen das des zum Feldherrn metamorphosirten Demagogen. Allein wenn einzelne seiner Handlungen militärisch tadelhaft sein mögen, so verliert der Feldherr nur was der Staatsmann gewinnt. Die Aufgabe des Staatsmanns ist universeller Natur wie Caesars Genie: wenn er die vielfältigsten und von einander entlegensten Aufgaben zu lö- sen unternahm, so gingen sie doch alle ohne Ausnahme zurück auf das eine groſse Ziel, dem er mit grenzenloser Treue und Folgerichtigkeit diente; und nie hat er von den vielfältigen Sei- ten und Richtungen seiner groſsen Thätigkeit eine vor der an- dern bevorzugt. Obwohl ein Meister der Kriegskunst, hat er doch aus staatsmännischen Rücksichten das Aeuſserste gethan um den Bürgerkrieg abzuwenden und um, da er dennoch begann, wenigstens keine blutigen Lorbeeren zu ernten. Obwohl der Be- gründer der Militärmonarchie, hat er doch mit einer in der Ge- schichte beispiellosen Energie weder Marschallshierarchie noch

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 432. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/442>, abgerufen am 18.12.2024.