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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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mehr persönlich verfeindet war und der überall bei seiner noto-
rischen Untüchtigkeit einzig durch seine Schwiegervaterschaft zu
einer gewissen Bedeutung gelangt war; sondern einzig und allein,
weil sein verbissener Rechtsformalismus lieber die Republik von
Rechtswegen zu Grunde gehen liess als sie auf irreguläre Weise
rettete. Als er nach der pharsalischen Schlacht auf Kerkyra mit
Marcus Cicero zusammentraf, hatte er sich erboten diesem, der
noch von seiner kilikischen Statthalterschaft her mit der General-
schaft behaftet war, wie es Rechtens war, als dem höherstehenden
Offizier das Commando in Kerkyra zu übertragen und den unglück-
lichen Advocaten, der seine Lorbeeren tausendmal verwünschte,
durch diese Bereitwilligkeit fast zur Verzweiflung, aber auch alle
halbwegs einsichtigen Männer zum Erstaunen gebracht. Hier, wo
etwas mehr darauf ankam, wurden die gleichen Principien ge-
ritten: Cato erwog die Frage, wem die Oberfeldherrnstelle ge-
bühre, als handelte es sich um ein Ackerfeld bei Tusculum, und
sprach sie dem Scipio zu. Durch diesen Ausspruch wurden seine
eigene und die Candidatur des Varus beseitigt. Er war es aber
auch und er allein, der mit Energie den Ansprüchen des Königs
Juba entgegentrat und es ihn fühlen liess, dass der römische Adel
zu ihm nicht bittend komme wie zu dem Grosskönig der Parther,
um bei dem Schutzherrn Beistand zu suchen, sondern befehlend,
um von dem Unterthan Beistand zu fordern. Bei dem gegenwär-
tigen Stande der römischen Streitkräfte in Africa konnte Juba
nicht umhin etwas gelindere Saiten aufzuziehen, obgleich er frei-
lich bei dem schwachen Scipio es dennoch durchsetzte, dass die
Besoldung seiner Truppen der römischen Kasse aufgebürdet und
für den Fall des Sieges ihm die Abtretung der Provinz Africa zu-
gesichert ward. -- Dem neuen Oberfeldherrn zur Seite trat wie-
derum der Senat der ,Dreihundert', der in Utica seinen Sitz auf-
schlug und seine gelichteten Reihen durch Aufnahme der ange-
sehensten und vermögendsten Männer des Ritterstandes ergänzte.
-- Die Rüstungen wurden, hauptsächlich durch Catos Eifer, mit
der grössten Energie gefördert und jeder waffenfähige Mann, selbst
Freigelassene und Libyer, in die Legionen eingestellt; wodurch
allerdings dem Ackerbau die Hände so sehr entzogen wurden,
dass ein grosser Theil der Felder unbestellt blieb, aber auch ein
imposantes Resultat erzielt ward. Das schwere Fussvolk zählte
vierzehn Legionen, wovon zwei bereits durch Varus aufgestellt,
acht andere theils aus den Flüchtlingen, theils aus den in der
Provinz Conscribirten gebildet und vier römisch bewaffnete Le-
gionen des König Juba waren. Die schwere Reiterei, bestehend

THAPSUS.
mehr persönlich verfeindet war und der überall bei seiner noto-
rischen Untüchtigkeit einzig durch seine Schwiegervaterschaft zu
einer gewissen Bedeutung gelangt war; sondern einzig und allein,
weil sein verbissener Rechtsformalismus lieber die Republik von
Rechtswegen zu Grunde gehen lieſs als sie auf irreguläre Weise
rettete. Als er nach der pharsalischen Schlacht auf Kerkyra mit
Marcus Cicero zusammentraf, hatte er sich erboten diesem, der
noch von seiner kilikischen Statthalterschaft her mit der General-
schaft behaftet war, wie es Rechtens war, als dem höherstehenden
Offizier das Commando in Kerkyra zu übertragen und den unglück-
lichen Advocaten, der seine Lorbeeren tausendmal verwünschte,
durch diese Bereitwilligkeit fast zur Verzweiflung, aber auch alle
halbwegs einsichtigen Männer zum Erstaunen gebracht. Hier, wo
etwas mehr darauf ankam, wurden die gleichen Principien ge-
ritten: Cato erwog die Frage, wem die Oberfeldherrnstelle ge-
bühre, als handelte es sich um ein Ackerfeld bei Tusculum, und
sprach sie dem Scipio zu. Durch diesen Ausspruch wurden seine
eigene und die Candidatur des Varus beseitigt. Er war es aber
auch und er allein, der mit Energie den Ansprüchen des Königs
Juba entgegentrat und es ihn fühlen lieſs, daſs der römische Adel
zu ihm nicht bittend komme wie zu dem Groſskönig der Parther,
um bei dem Schutzherrn Beistand zu suchen, sondern befehlend,
um von dem Unterthan Beistand zu fordern. Bei dem gegenwär-
tigen Stande der römischen Streitkräfte in Africa konnte Juba
nicht umhin etwas gelindere Saiten aufzuziehen, obgleich er frei-
lich bei dem schwachen Scipio es dennoch durchsetzte, daſs die
Besoldung seiner Truppen der römischen Kasse aufgebürdet und
für den Fall des Sieges ihm die Abtretung der Provinz Africa zu-
gesichert ward. — Dem neuen Oberfeldherrn zur Seite trat wie-
derum der Senat der ‚Dreihundert‘, der in Utica seinen Sitz auf-
schlug und seine gelichteten Reihen durch Aufnahme der ange-
sehensten und vermögendsten Männer des Ritterstandes ergänzte.
— Die Rüstungen wurden, hauptsächlich durch Catos Eifer, mit
der gröſsten Energie gefördert und jeder waffenfähige Mann, selbst
Freigelassene und Libyer, in die Legionen eingestellt; wodurch
allerdings dem Ackerbau die Hände so sehr entzogen wurden,
daſs ein groſser Theil der Felder unbestellt blieb, aber auch ein
imposantes Resultat erzielt ward. Das schwere Fuſsvolk zählte
vierzehn Legionen, wovon zwei bereits durch Varus aufgestellt,
acht andere theils aus den Flüchtlingen, theils aus den in der
Provinz Conscribirten gebildet und vier römisch bewaffnete Le-
gionen des König Juba waren. Die schwere Reiterei, bestehend

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[415/0425] THAPSUS. mehr persönlich verfeindet war und der überall bei seiner noto- rischen Untüchtigkeit einzig durch seine Schwiegervaterschaft zu einer gewissen Bedeutung gelangt war; sondern einzig und allein, weil sein verbissener Rechtsformalismus lieber die Republik von Rechtswegen zu Grunde gehen lieſs als sie auf irreguläre Weise rettete. Als er nach der pharsalischen Schlacht auf Kerkyra mit Marcus Cicero zusammentraf, hatte er sich erboten diesem, der noch von seiner kilikischen Statthalterschaft her mit der General- schaft behaftet war, wie es Rechtens war, als dem höherstehenden Offizier das Commando in Kerkyra zu übertragen und den unglück- lichen Advocaten, der seine Lorbeeren tausendmal verwünschte, durch diese Bereitwilligkeit fast zur Verzweiflung, aber auch alle halbwegs einsichtigen Männer zum Erstaunen gebracht. Hier, wo etwas mehr darauf ankam, wurden die gleichen Principien ge- ritten: Cato erwog die Frage, wem die Oberfeldherrnstelle ge- bühre, als handelte es sich um ein Ackerfeld bei Tusculum, und sprach sie dem Scipio zu. Durch diesen Ausspruch wurden seine eigene und die Candidatur des Varus beseitigt. Er war es aber auch und er allein, der mit Energie den Ansprüchen des Königs Juba entgegentrat und es ihn fühlen lieſs, daſs der römische Adel zu ihm nicht bittend komme wie zu dem Groſskönig der Parther, um bei dem Schutzherrn Beistand zu suchen, sondern befehlend, um von dem Unterthan Beistand zu fordern. Bei dem gegenwär- tigen Stande der römischen Streitkräfte in Africa konnte Juba nicht umhin etwas gelindere Saiten aufzuziehen, obgleich er frei- lich bei dem schwachen Scipio es dennoch durchsetzte, daſs die Besoldung seiner Truppen der römischen Kasse aufgebürdet und für den Fall des Sieges ihm die Abtretung der Provinz Africa zu- gesichert ward. — Dem neuen Oberfeldherrn zur Seite trat wie- derum der Senat der ‚Dreihundert‘, der in Utica seinen Sitz auf- schlug und seine gelichteten Reihen durch Aufnahme der ange- sehensten und vermögendsten Männer des Ritterstandes ergänzte. — Die Rüstungen wurden, hauptsächlich durch Catos Eifer, mit der gröſsten Energie gefördert und jeder waffenfähige Mann, selbst Freigelassene und Libyer, in die Legionen eingestellt; wodurch allerdings dem Ackerbau die Hände so sehr entzogen wurden, daſs ein groſser Theil der Felder unbestellt blieb, aber auch ein imposantes Resultat erzielt ward. Das schwere Fuſsvolk zählte vierzehn Legionen, wovon zwei bereits durch Varus aufgestellt, acht andere theils aus den Flüchtlingen, theils aus den in der Provinz Conscribirten gebildet und vier römisch bewaffnete Le- gionen des König Juba waren. Die schwere Reiterei, bestehend

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 415. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/425>, abgerufen am 20.12.2024.