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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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beiden kriegführenden Geschwistern ward die sofortige Einstel-
lung der Feindseligkeiten anbefohlen und beide zur Untersuchung
und Entscheidung des Streites vor den Schiedsherrn geladen.
Man fügte sich; der königliche Knabe befand sich bereits in der
Burg und auch Kleopatra stellte dort sich ein. Allein im Stillen
bereitete ein Ungewitter sich vor. Alexandreia war eine Weltstadt
so gut wie Rom, an Einwohnerzahl der italischen Hauptstadt
schwerlich nachstehend, an rührigem Handelsgeist, an Hand-
werkergeschick, an Sinn für Wissenschaft und Kunst ihr weit
überlegen; in der Bürgerschaft war ein reges nationales Selbst-
gefühl und wenn kein politischer Sinn, doch ein unruhiger Geist,
der sie ihre Strassenkrawalle so regelmässig und so herzhaft ab-
halten liess wie heutzutage die pariser; man kann sich ihre Em-
pfindungen denken, als sie in der Residenz der Lagiden den rö-
mischen Feldherrn schalten und ihre Könige vor seinem Tribunal
Recht nehmen sah. Potheinos und der königliche Knabe, beide
begreiflicher Weise sehr unzufrieden mit der peremtorischen Ein-
mahnung alter Schulden wie mit der Intervention in dem Thron-
streit, welche nur zu Gunsten der Kleopatra ausfallen konnte,
liessen die Schätze der Tempel und das goldene Tischgeräth des
Königs mit absichtlicher Ostentation zur Befriedigung der römi-
schen Forderungen verwenden; mit steigender Erbitterung schau-
ten die abergläubisch frommen und der weltberühmten Pracht
ihres Hofes wie eines eigenen Besitzes sich erfreuenden Aegyptier
die nackten Wände der Tempel und die hölzernen Becher auf der
Tafel ihres Königs. Nicht viel anders dachte die römische Occu-
pationsarmee. Durch den langen Aufenthalt in Aegypten und die
vielen Zwischenheirathen zwischen den Soldaten und ägyptischen
Mädchen war sie so denationalisirt, dass im Fall eines Bruches bei
ihr kaum Hülfe zu erwarten war; überdies zählte sie eine Menge
alter Soldaten des Pompeius und verlaufener italischer Verbre-
cher und Sclaven in ihren Reichen. Welcher Art die Stimmung
der Bürgerschaft und der Soldaten war, zeigte schon der Auflauf
bei der Landung, als die Menge die römischen Beile in die alte
Königsburg tragen sah, und die zahlreich in der Stadt an den
Soldaten Caesars verübten Meuchelmorde. Caesar hatte, so wie
er sich nach der Landung mit seiner Handvoll Leute dieser er-
bitterten Menge gegenüber fand, die ungeheure Gefahr wohl be-
griffen, in der er schwebte. Allein die Umkehr war wegen der
in dieser Jahreszeit herrschenden Nordwestwinde schwierig und
der Versuch der Einschiffung konnte leicht das Signal werden
zum Ausbruch der Insurrection; überhaupt lag es nicht in Cae-

PHARSALOS.
beiden kriegführenden Geschwistern ward die sofortige Einstel-
lung der Feindseligkeiten anbefohlen und beide zur Untersuchung
und Entscheidung des Streites vor den Schiedsherrn geladen.
Man fügte sich; der königliche Knabe befand sich bereits in der
Burg und auch Kleopatra stellte dort sich ein. Allein im Stillen
bereitete ein Ungewitter sich vor. Alexandreia war eine Weltstadt
so gut wie Rom, an Einwohnerzahl der italischen Hauptstadt
schwerlich nachstehend, an rührigem Handelsgeist, an Hand-
werkergeschick, an Sinn für Wissenschaft und Kunst ihr weit
überlegen; in der Bürgerschaft war ein reges nationales Selbst-
gefühl und wenn kein politischer Sinn, doch ein unruhiger Geist,
der sie ihre Straſsenkrawalle so regelmäſsig und so herzhaft ab-
halten lieſs wie heutzutage die pariser; man kann sich ihre Em-
pfindungen denken, als sie in der Residenz der Lagiden den rö-
mischen Feldherrn schalten und ihre Könige vor seinem Tribunal
Recht nehmen sah. Potheinos und der königliche Knabe, beide
begreiflicher Weise sehr unzufrieden mit der peremtorischen Ein-
mahnung alter Schulden wie mit der Intervention in dem Thron-
streit, welche nur zu Gunsten der Kleopatra ausfallen konnte,
lieſsen die Schätze der Tempel und das goldene Tischgeräth des
Königs mit absichtlicher Ostentation zur Befriedigung der römi-
schen Forderungen verwenden; mit steigender Erbitterung schau-
ten die abergläubisch frommen und der weltberühmten Pracht
ihres Hofes wie eines eigenen Besitzes sich erfreuenden Aegyptier
die nackten Wände der Tempel und die hölzernen Becher auf der
Tafel ihres Königs. Nicht viel anders dachte die römische Occu-
pationsarmee. Durch den langen Aufenthalt in Aegypten und die
vielen Zwischenheirathen zwischen den Soldaten und ägyptischen
Mädchen war sie so denationalisirt, daſs im Fall eines Bruches bei
ihr kaum Hülfe zu erwarten war; überdies zählte sie eine Menge
alter Soldaten des Pompeius und verlaufener italischer Verbre-
cher und Sclaven in ihren Reichen. Welcher Art die Stimmung
der Bürgerschaft und der Soldaten war, zeigte schon der Auflauf
bei der Landung, als die Menge die römischen Beile in die alte
Königsburg tragen sah, und die zahlreich in der Stadt an den
Soldaten Caesars verübten Meuchelmorde. Caesar hatte, so wie
er sich nach der Landung mit seiner Handvoll Leute dieser er-
bitterten Menge gegenüber fand, die ungeheure Gefahr wohl be-
griffen, in der er schwebte. Allein die Umkehr war wegen der
in dieser Jahreszeit herrschenden Nordwestwinde schwierig und
der Versuch der Einschiffung konnte leicht das Signal werden
zum Ausbruch der Insurrection; überhaupt lag es nicht in Cae-

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[405/0415] PHARSALOS. beiden kriegführenden Geschwistern ward die sofortige Einstel- lung der Feindseligkeiten anbefohlen und beide zur Untersuchung und Entscheidung des Streites vor den Schiedsherrn geladen. Man fügte sich; der königliche Knabe befand sich bereits in der Burg und auch Kleopatra stellte dort sich ein. Allein im Stillen bereitete ein Ungewitter sich vor. Alexandreia war eine Weltstadt so gut wie Rom, an Einwohnerzahl der italischen Hauptstadt schwerlich nachstehend, an rührigem Handelsgeist, an Hand- werkergeschick, an Sinn für Wissenschaft und Kunst ihr weit überlegen; in der Bürgerschaft war ein reges nationales Selbst- gefühl und wenn kein politischer Sinn, doch ein unruhiger Geist, der sie ihre Straſsenkrawalle so regelmäſsig und so herzhaft ab- halten lieſs wie heutzutage die pariser; man kann sich ihre Em- pfindungen denken, als sie in der Residenz der Lagiden den rö- mischen Feldherrn schalten und ihre Könige vor seinem Tribunal Recht nehmen sah. Potheinos und der königliche Knabe, beide begreiflicher Weise sehr unzufrieden mit der peremtorischen Ein- mahnung alter Schulden wie mit der Intervention in dem Thron- streit, welche nur zu Gunsten der Kleopatra ausfallen konnte, lieſsen die Schätze der Tempel und das goldene Tischgeräth des Königs mit absichtlicher Ostentation zur Befriedigung der römi- schen Forderungen verwenden; mit steigender Erbitterung schau- ten die abergläubisch frommen und der weltberühmten Pracht ihres Hofes wie eines eigenen Besitzes sich erfreuenden Aegyptier die nackten Wände der Tempel und die hölzernen Becher auf der Tafel ihres Königs. Nicht viel anders dachte die römische Occu- pationsarmee. Durch den langen Aufenthalt in Aegypten und die vielen Zwischenheirathen zwischen den Soldaten und ägyptischen Mädchen war sie so denationalisirt, daſs im Fall eines Bruches bei ihr kaum Hülfe zu erwarten war; überdies zählte sie eine Menge alter Soldaten des Pompeius und verlaufener italischer Verbre- cher und Sclaven in ihren Reichen. Welcher Art die Stimmung der Bürgerschaft und der Soldaten war, zeigte schon der Auflauf bei der Landung, als die Menge die römischen Beile in die alte Königsburg tragen sah, und die zahlreich in der Stadt an den Soldaten Caesars verübten Meuchelmorde. Caesar hatte, so wie er sich nach der Landung mit seiner Handvoll Leute dieser er- bitterten Menge gegenüber fand, die ungeheure Gefahr wohl be- griffen, in der er schwebte. Allein die Umkehr war wegen der in dieser Jahreszeit herrschenden Nordwestwinde schwierig und der Versuch der Einschiffung konnte leicht das Signal werden zum Ausbruch der Insurrection; überhaupt lag es nicht in Cae-

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 405. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/415>, abgerufen am 18.12.2024.