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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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PHARSALOS.
zu gestatten. Der aegyptische Hof, längst von der Katastrophe
bei Pharsalos unterrichtet, war im Begriffe Pompeius zurückzu-
weisen; allein der Hofmeister des Königs Theodotos wies darauf
hin, dass in diesem Falle Pompeius wahrscheinlich seine Verbin-
dungen in der aegyptischen Armee benutzen werde um dieselbe
aufzuwiegeln; es sei sicherer und auch mit Rücksicht auf Caesar
zu empfehlen, wenn man die Gelegenheit wahrnehme um Pom-
peius aus der Welt zu schaffen. Dergleichen politische Raison-
nements verfehlten bei den Staatsmännern der hellenischen Welt
nicht leicht ihre Wirkung. Der General der königlichen Truppen
Achillas und einige von Pompeius ehemaligen Soldaten fuhren
mit einem Kahn an Pompeius Schiff heran und luden ihn ein
zum König zu kommen und, da das Fahrwasser seicht sei, ihre
Barke zu besteigen. Im Aussteigen stach der Kriegstribun Lu-
cius Septimius ihn hinterrücks nieder, unter den Augen seiner
Gattin und seines Sohnes, welche von dem Verdeck ihres Schiffes
aus dem Morde zusehen mussten, ohne retten oder rächen zu
können (28. Sept. 706). An demselben Tage, an dem er drei-
zehn Jahre zuvor, über Mithradates triumphirend, in die Haupt-
stadt eingezogen war (S. 141) endigte auf einer öden Düne des
unwirthlichen kasischen Strandes durch die Hand eines seiner
alten Soldaten der Mann, der ein Menschenalter hindurch der
Grosse geheissen und Jahre lang Rom beherrscht hatte. Ein guter
Offizier, übrigens aber von mittelmässigen Gaben des Geistes und
des Herzens, hatte das Schicksal mit dreissigjähriger dämoni-
scher Beständigkeit alle glänzend mühelosen Aufgaben nur darum
ihm zu lösen gewährt, alle von Andern gepflanzten und gepfleg-
ten Lorbeeren nur darum ihm zu brechen gestattet, nur darum
alle Bedingungen zur Erlangung der höchsten Gewalt ihm ent-
gegengetragen, um an ihm ein Beispiel falscher Grösse aufzu-
stellen, wie die Geschichte kein zweites kennt. Unter allen kläg-
lichen Rollen giebt es keine kläglichere als die mehr zu gelten als
zu sein; und es ist das Verhängniss der Monarchie, da doch kaum
alle tausend Jahre in dem Volke ein Mann aufsteht, welcher Kö-
nig nicht bloss heisst, sondern auch ist, dass diese Kläglichkeit
unvermeidlich an ihr haftet. Wenn dies Missverhältniss zwischen
Scheinen und Sein vielleicht nie so schroff hervorgetreten ist wie
in Pompeius, so mag der ernste Gedanke wohl dabei verweilen,
dass eben er auch in gewissem Sinn die Reihe der römischen Mo-
narchen eröffnet. -- Als Caesar, Pompeius Spuren folgend, auf
der Rhede von Alexandreia eintraf, war bereits alles vorüber. Mit
tiefer Erschütterung wandte er sich ab, als ihm der Mörder das

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PHARSALOS.
zu gestatten. Der aegyptische Hof, längst von der Katastrophe
bei Pharsalos unterrichtet, war im Begriffe Pompeius zurückzu-
weisen; allein der Hofmeister des Königs Theodotos wies darauf
hin, daſs in diesem Falle Pompeius wahrscheinlich seine Verbin-
dungen in der aegyptischen Armee benutzen werde um dieselbe
aufzuwiegeln; es sei sicherer und auch mit Rücksicht auf Caesar
zu empfehlen, wenn man die Gelegenheit wahrnehme um Pom-
peius aus der Welt zu schaffen. Dergleichen politische Raison-
nements verfehlten bei den Staatsmännern der hellenischen Welt
nicht leicht ihre Wirkung. Der General der königlichen Truppen
Achillas und einige von Pompeius ehemaligen Soldaten fuhren
mit einem Kahn an Pompeius Schiff heran und luden ihn ein
zum König zu kommen und, da das Fahrwasser seicht sei, ihre
Barke zu besteigen. Im Aussteigen stach der Kriegstribun Lu-
cius Septimius ihn hinterrücks nieder, unter den Augen seiner
Gattin und seines Sohnes, welche von dem Verdeck ihres Schiffes
aus dem Morde zusehen muſsten, ohne retten oder rächen zu
können (28. Sept. 706). An demselben Tage, an dem er drei-
zehn Jahre zuvor, über Mithradates triumphirend, in die Haupt-
stadt eingezogen war (S. 141) endigte auf einer öden Düne des
unwirthlichen kasischen Strandes durch die Hand eines seiner
alten Soldaten der Mann, der ein Menschenalter hindurch der
Groſse geheiſsen und Jahre lang Rom beherrscht hatte. Ein guter
Offizier, übrigens aber von mittelmäſsigen Gaben des Geistes und
des Herzens, hatte das Schicksal mit dreiſsigjähriger dämoni-
scher Beständigkeit alle glänzend mühelosen Aufgaben nur darum
ihm zu lösen gewährt, alle von Andern gepflanzten und gepfleg-
ten Lorbeeren nur darum ihm zu brechen gestattet, nur darum
alle Bedingungen zur Erlangung der höchsten Gewalt ihm ent-
gegengetragen, um an ihm ein Beispiel falscher Gröſse aufzu-
stellen, wie die Geschichte kein zweites kennt. Unter allen kläg-
lichen Rollen giebt es keine kläglichere als die mehr zu gelten als
zu sein; und es ist das Verhängniſs der Monarchie, da doch kaum
alle tausend Jahre in dem Volke ein Mann aufsteht, welcher Kö-
nig nicht bloſs heiſst, sondern auch ist, daſs diese Kläglichkeit
unvermeidlich an ihr haftet. Wenn dies Miſsverhältniſs zwischen
Scheinen und Sein vielleicht nie so schroff hervorgetreten ist wie
in Pompeius, so mag der ernste Gedanke wohl dabei verweilen,
daſs eben er auch in gewissem Sinn die Reihe der römischen Mo-
narchen eröffnet. — Als Caesar, Pompeius Spuren folgend, auf
der Rhede von Alexandreia eintraf, war bereits alles vorüber. Mit
tiefer Erschütterung wandte er sich ab, als ihm der Mörder das

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[403/0413] PHARSALOS. zu gestatten. Der aegyptische Hof, längst von der Katastrophe bei Pharsalos unterrichtet, war im Begriffe Pompeius zurückzu- weisen; allein der Hofmeister des Königs Theodotos wies darauf hin, daſs in diesem Falle Pompeius wahrscheinlich seine Verbin- dungen in der aegyptischen Armee benutzen werde um dieselbe aufzuwiegeln; es sei sicherer und auch mit Rücksicht auf Caesar zu empfehlen, wenn man die Gelegenheit wahrnehme um Pom- peius aus der Welt zu schaffen. Dergleichen politische Raison- nements verfehlten bei den Staatsmännern der hellenischen Welt nicht leicht ihre Wirkung. Der General der königlichen Truppen Achillas und einige von Pompeius ehemaligen Soldaten fuhren mit einem Kahn an Pompeius Schiff heran und luden ihn ein zum König zu kommen und, da das Fahrwasser seicht sei, ihre Barke zu besteigen. Im Aussteigen stach der Kriegstribun Lu- cius Septimius ihn hinterrücks nieder, unter den Augen seiner Gattin und seines Sohnes, welche von dem Verdeck ihres Schiffes aus dem Morde zusehen muſsten, ohne retten oder rächen zu können (28. Sept. 706). An demselben Tage, an dem er drei- zehn Jahre zuvor, über Mithradates triumphirend, in die Haupt- stadt eingezogen war (S. 141) endigte auf einer öden Düne des unwirthlichen kasischen Strandes durch die Hand eines seiner alten Soldaten der Mann, der ein Menschenalter hindurch der Groſse geheiſsen und Jahre lang Rom beherrscht hatte. Ein guter Offizier, übrigens aber von mittelmäſsigen Gaben des Geistes und des Herzens, hatte das Schicksal mit dreiſsigjähriger dämoni- scher Beständigkeit alle glänzend mühelosen Aufgaben nur darum ihm zu lösen gewährt, alle von Andern gepflanzten und gepfleg- ten Lorbeeren nur darum ihm zu brechen gestattet, nur darum alle Bedingungen zur Erlangung der höchsten Gewalt ihm ent- gegengetragen, um an ihm ein Beispiel falscher Gröſse aufzu- stellen, wie die Geschichte kein zweites kennt. Unter allen kläg- lichen Rollen giebt es keine kläglichere als die mehr zu gelten als zu sein; und es ist das Verhängniſs der Monarchie, da doch kaum alle tausend Jahre in dem Volke ein Mann aufsteht, welcher Kö- nig nicht bloſs heiſst, sondern auch ist, daſs diese Kläglichkeit unvermeidlich an ihr haftet. Wenn dies Miſsverhältniſs zwischen Scheinen und Sein vielleicht nie so schroff hervorgetreten ist wie in Pompeius, so mag der ernste Gedanke wohl dabei verweilen, daſs eben er auch in gewissem Sinn die Reihe der römischen Mo- narchen eröffnet. — Als Caesar, Pompeius Spuren folgend, auf der Rhede von Alexandreia eintraf, war bereits alles vorüber. Mit tiefer Erschütterung wandte er sich ab, als ihm der Mörder das 26*

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 403. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/413>, abgerufen am 18.12.2024.