Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.FÜNFTES BUCH. KAPITEL X. allein die Nachricht von Calenus Anrücken genügte um sie vonhier zu verscheuchen. In Italien hatten die nach den Siegen von Dyrrhachion dorthin entsandten pompeianischen Geschwader (S. 391) gegen die Häfen von Brundisium, Messana und Vibo nicht unbedeutende Erfolge errungen und in Messana namentlich die ganze in der Ausrüstung begriffene Flotte Caesars niederge- brannt; allein die bei diesen Angriffen thätigen Schiffe, grössten- theils kleinasiatische und syrische, wurden in Folge der pharsa- lischen Schlacht von ihren Gemeinden abberufen, so dass diese Expedition damit von selber ein Ende nahm. In Kleinasien und Syrien standen augenblicklich gar keine Truppen weder der einen noch der andern Partei, mit Ausnahme der bosporanischen Ar- mee des Pharnakes, die angeblich für Rechnung Caesars verschie- dene Landschaften der Gegner desselben eingenommen hatte. In Aegypten stand zwar noch ein ansehnliches römisches Heer, gebildet aus den dort von Gabinius zurückgelassenen (S. 148) und seitdem aus italischen Landstreichern und syrischem oder kilikischem Räubergesindel recrutirten Truppen; allein es ver- stand sich von selbst und ward durch die Rückberufung der aegyptischen Schiffe bald unzweifelhaft festgestellt, dass der Hof von Alexandreia keineswegs die Absicht hatte bei der geschlagenen Partei auszuhalten oder gar ihr seine Truppenmacht zur Verfü- gung zu stellen. Etwas günstigere Aussichten boten sich den Be- siegten im Westen dar. In Spanien waren unter dem Heer wie unter der Bevölkerung die pompeianischen Sympathien so mäch- tig, dass sie den Angriff verhinderten, den die Caesarianer von dort aus gegen Africa beabsichtigten, und eine Insurrection un- ausbleiblich schien, so wie ein namhafter Führer auf der Halbinsel sich zeigen würde. In Africa aber hatte dieselbe oder vielmehr der eigentliche Machthaber daselbst, König Juba von Numidien seit dem Herbst 705 Zeit gehabt ungestört zu rüsten. -- Der ganze Osten war durch die Schlacht von Pharsalos verloren; allein in Africa und vielleicht in Spanien konnte die geschlagene Partei noch ein Schlachtfeld finden, ohne ihren Rechtsboden zu verlassen. Es war wohl peinlich und demüthigend, aber nicht verfassungswidrig König Jubas Hülfe gegen die revolutionären Mitbürger in Anspruch zu nehmen; denn König Juba war kein unabhängiger Fürst, sondern ein Unterthan der römischen Ge- meinde. -- Auf jedem andern noch offenen Wege aber trat man heraus aus der Verfassung, mochte man nun, sich selber ausserhalb des Gesetzes erklärend, die Räuberfehde eröffnen, oder, mit unab- hängigen Nachbarstaaten ein Bündniss schliessend, den Landes- FÜNFTES BUCH. KAPITEL X. allein die Nachricht von Calenus Anrücken genügte um sie vonhier zu verscheuchen. In Italien hatten die nach den Siegen von Dyrrhachion dorthin entsandten pompeianischen Geschwader (S. 391) gegen die Häfen von Brundisium, Messana und Vibo nicht unbedeutende Erfolge errungen und in Messana namentlich die ganze in der Ausrüstung begriffene Flotte Caesars niederge- brannt; allein die bei diesen Angriffen thätigen Schiffe, gröſsten- theils kleinasiatische und syrische, wurden in Folge der pharsa- lischen Schlacht von ihren Gemeinden abberufen, so daſs diese Expedition damit von selber ein Ende nahm. In Kleinasien und Syrien standen augenblicklich gar keine Truppen weder der einen noch der andern Partei, mit Ausnahme der bosporanischen Ar- mee des Pharnakes, die angeblich für Rechnung Caesars verschie- dene Landschaften der Gegner desselben eingenommen hatte. In Aegypten stand zwar noch ein ansehnliches römisches Heer, gebildet aus den dort von Gabinius zurückgelassenen (S. 148) und seitdem aus italischen Landstreichern und syrischem oder kilikischem Räubergesindel recrutirten Truppen; allein es ver- stand sich von selbst und ward durch die Rückberufung der aegyptischen Schiffe bald unzweifelhaft festgestellt, daſs der Hof von Alexandreia keineswegs die Absicht hatte bei der geschlagenen Partei auszuhalten oder gar ihr seine Truppenmacht zur Verfü- gung zu stellen. Etwas günstigere Aussichten boten sich den Be- siegten im Westen dar. In Spanien waren unter dem Heer wie unter der Bevölkerung die pompeianischen Sympathien so mäch- tig, daſs sie den Angriff verhinderten, den die Caesarianer von dort aus gegen Africa beabsichtigten, und eine Insurrection un- ausbleiblich schien, so wie ein namhafter Führer auf der Halbinsel sich zeigen würde. In Africa aber hatte dieselbe oder vielmehr der eigentliche Machthaber daselbst, König Juba von Numidien seit dem Herbst 705 Zeit gehabt ungestört zu rüsten. — Der ganze Osten war durch die Schlacht von Pharsalos verloren; allein in Africa und vielleicht in Spanien konnte die geschlagene Partei noch ein Schlachtfeld finden, ohne ihren Rechtsboden zu verlassen. Es war wohl peinlich und demüthigend, aber nicht verfassungswidrig König Jubas Hülfe gegen die revolutionären Mitbürger in Anspruch zu nehmen; denn König Juba war kein unabhängiger Fürst, sondern ein Unterthan der römischen Ge- meinde. — Auf jedem andern noch offenen Wege aber trat man heraus aus der Verfassung, mochte man nun, sich selber auſserhalb des Gesetzes erklärend, die Räuberfehde eröffnen, oder, mit unab- hängigen Nachbarstaaten ein Bündniſs schlieſsend, den Landes- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0410" n="400"/><fw place="top" type="header">FÜNFTES BUCH. 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FÜNFTES BUCH. KAPITEL X.
allein die Nachricht von Calenus Anrücken genügte um sie von
hier zu verscheuchen. In Italien hatten die nach den Siegen von
Dyrrhachion dorthin entsandten pompeianischen Geschwader
(S. 391) gegen die Häfen von Brundisium, Messana und Vibo
nicht unbedeutende Erfolge errungen und in Messana namentlich
die ganze in der Ausrüstung begriffene Flotte Caesars niederge-
brannt; allein die bei diesen Angriffen thätigen Schiffe, gröſsten-
theils kleinasiatische und syrische, wurden in Folge der pharsa-
lischen Schlacht von ihren Gemeinden abberufen, so daſs diese
Expedition damit von selber ein Ende nahm. In Kleinasien und
Syrien standen augenblicklich gar keine Truppen weder der einen
noch der andern Partei, mit Ausnahme der bosporanischen Ar-
mee des Pharnakes, die angeblich für Rechnung Caesars verschie-
dene Landschaften der Gegner desselben eingenommen hatte.
In Aegypten stand zwar noch ein ansehnliches römisches Heer,
gebildet aus den dort von Gabinius zurückgelassenen (S. 148)
und seitdem aus italischen Landstreichern und syrischem oder
kilikischem Räubergesindel recrutirten Truppen; allein es ver-
stand sich von selbst und ward durch die Rückberufung der
aegyptischen Schiffe bald unzweifelhaft festgestellt, daſs der Hof
von Alexandreia keineswegs die Absicht hatte bei der geschlagenen
Partei auszuhalten oder gar ihr seine Truppenmacht zur Verfü-
gung zu stellen. Etwas günstigere Aussichten boten sich den Be-
siegten im Westen dar. In Spanien waren unter dem Heer wie
unter der Bevölkerung die pompeianischen Sympathien so mäch-
tig, daſs sie den Angriff verhinderten, den die Caesarianer von
dort aus gegen Africa beabsichtigten, und eine Insurrection un-
ausbleiblich schien, so wie ein namhafter Führer auf der Halbinsel
sich zeigen würde. In Africa aber hatte dieselbe oder vielmehr
der eigentliche Machthaber daselbst, König Juba von Numidien
seit dem Herbst 705 Zeit gehabt ungestört zu rüsten. — Der
ganze Osten war durch die Schlacht von Pharsalos verloren;
allein in Africa und vielleicht in Spanien konnte die geschlagene
Partei noch ein Schlachtfeld finden, ohne ihren Rechtsboden zu
verlassen. Es war wohl peinlich und demüthigend, aber nicht
verfassungswidrig König Jubas Hülfe gegen die revolutionären
Mitbürger in Anspruch zu nehmen; denn König Juba war kein
unabhängiger Fürst, sondern ein Unterthan der römischen Ge-
meinde. — Auf jedem andern noch offenen Wege aber trat man
heraus aus der Verfassung, mochte man nun, sich selber auſserhalb
des Gesetzes erklärend, die Räuberfehde eröffnen, oder, mit unab-
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