Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.LEPIDUS UND SERTORIUS. war. Sertorius entzog auf diese Inzichten hin die Hut seiner Per-son den römischen Soldaten und gab sie erlesenen Spaniern. Gegen die Verdächtigen selbst schritt er mit furchtbarer, aber nothwendiger Strenge ein und verurtheilte, ohne wie sonst Rath- männer zuzuziehen, verschiedene Angeschuldigte zum Tode; den Freunden, hiess es in den Kreisen der Missvergnügten, sei er ge- fährlicher als den Feinden. Bald ward eine zweite Verschwörung entdeckt, die ihren Sitz in seinem eigenen Stabe hatte; wer zur Anzeige gebracht ward, musste flüchtig werden oder bluten, aber nicht alle wurden verrathen und die übrigen Verschworenen, unter ihnen vor allem Perpenna, fanden hierin nur einen neuen An- trieb sich zu eilen. In Osca ward auf Perpennas Veranstaltung dem Feldherrn ein glänzender Sieg berichtet, den seine Truppen erfochten. Bei der zur Feier dieses Sieges von Perpenna veranstal- teten festlichen Mahlzeit erschien auch Sertorius, begleitet, wie er pflegte, von seinem spanischen Gefolge. Gegen den sonstigen Brauch im sertorianischen Hauptquartier ward das Fest bald zum Bacchanal; wüste Reden flogen über den Tisch und es schien, als wenn einige der Gäste Gelegenheit suchten einen Wortwech- sel zu beginnen; Sertorius warf sich auf seinem Lager zurück und schien den Lärm überhören zu wollen. Da klirrte eine Trink- schale auf den Boden: Perpenna gab das verabredete Zeichen. Marcus Antonius, der neben Sertorius lag, führte den ersten Streich gegen ihn und da dieser sich umwandte und sich aufzu- richten versuchte, stürzte er sich über ihn und hielt ihn nieder, bis die übrigen Tischgäste, sämmtlich Theilnehmer der Ver- schwörung, sich auf die Ringenden warfen und den wehrlosen an beiden Armen festgehaltenen Feldherrn erstachen (682). Mit ihm starben seine treuen Begleiter. So endigte einer der grössten, wo nicht der grösste Mann, den Rom bisher hervorgebracht, ein Mann, der unter glücklicheren Umständen vielleicht der Regene- rator seines Vaterlandes geworden sein würde, durch den Ver- rath der elenden Emigrantenbande, die er gegen die Heimath zu führen verdammt war. Die Geschichte liebt die Coriolane nicht; auch mit diesem hochherzigsten, genialsten, bedauernswerthesten unter allen hat sie keine Ausnahme gemacht. Die Erbschaft des Gemordeten dachten die Mörder zu thun. LEPIDUS UND SERTORIUS. war. Sertorius entzog auf diese Inzichten hin die Hut seiner Per-son den römischen Soldaten und gab sie erlesenen Spaniern. Gegen die Verdächtigen selbst schritt er mit furchtbarer, aber nothwendiger Strenge ein und verurtheilte, ohne wie sonst Rath- männer zuzuziehen, verschiedene Angeschuldigte zum Tode; den Freunden, hieſs es in den Kreisen der Miſsvergnügten, sei er ge- fährlicher als den Feinden. Bald ward eine zweite Verschwörung entdeckt, die ihren Sitz in seinem eigenen Stabe hatte; wer zur Anzeige gebracht ward, muſste flüchtig werden oder bluten, aber nicht alle wurden verrathen und die übrigen Verschworenen, unter ihnen vor allem Perpenna, fanden hierin nur einen neuen An- trieb sich zu eilen. In Osca ward auf Perpennas Veranstaltung dem Feldherrn ein glänzender Sieg berichtet, den seine Truppen erfochten. Bei der zur Feier dieses Sieges von Perpenna veranstal- teten festlichen Mahlzeit erschien auch Sertorius, begleitet, wie er pflegte, von seinem spanischen Gefolge. Gegen den sonstigen Brauch im sertorianischen Hauptquartier ward das Fest bald zum Bacchanal; wüste Reden flogen über den Tisch und es schien, als wenn einige der Gäste Gelegenheit suchten einen Wortwech- sel zu beginnen; Sertorius warf sich auf seinem Lager zurück und schien den Lärm überhören zu wollen. Da klirrte eine Trink- schale auf den Boden: Perpenna gab das verabredete Zeichen. Marcus Antonius, der neben Sertorius lag, führte den ersten Streich gegen ihn und da dieser sich umwandte und sich aufzu- richten versuchte, stürzte er sich über ihn und hielt ihn nieder, bis die übrigen Tischgäste, sämmtlich Theilnehmer der Ver- schwörung, sich auf die Ringenden warfen und den wehrlosen an beiden Armen festgehaltenen Feldherrn erstachen (682). Mit ihm starben seine treuen Begleiter. So endigte einer der gröſsten, wo nicht der gröſste Mann, den Rom bisher hervorgebracht, ein Mann, der unter glücklicheren Umständen vielleicht der Regene- rator seines Vaterlandes geworden sein würde, durch den Ver- rath der elenden Emigrantenbande, die er gegen die Heimath zu führen verdammt war. Die Geschichte liebt die Coriolane nicht; auch mit diesem hochherzigsten, genialsten, bedauernswerthesten unter allen hat sie keine Ausnahme gemacht. Die Erbschaft des Gemordeten dachten die Mörder zu thun. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0041" n="31"/><fw place="top" type="header">LEPIDUS UND SERTORIUS.</fw><lb/> war. Sertorius entzog auf diese Inzichten hin die Hut seiner Per-<lb/> son den römischen Soldaten und gab sie erlesenen Spaniern.<lb/> Gegen die Verdächtigen selbst schritt er mit furchtbarer, aber<lb/> nothwendiger Strenge ein und verurtheilte, ohne wie sonst Rath-<lb/> männer zuzuziehen, verschiedene Angeschuldigte zum Tode; den<lb/> Freunden, hieſs es in den Kreisen der Miſsvergnügten, sei er ge-<lb/> fährlicher als den Feinden. Bald ward eine zweite Verschwörung<lb/> entdeckt, die ihren Sitz in seinem eigenen Stabe hatte; wer zur<lb/> Anzeige gebracht ward, muſste flüchtig werden oder bluten, aber<lb/> nicht alle wurden verrathen und die übrigen Verschworenen, unter<lb/> ihnen vor allem Perpenna, fanden hierin nur einen neuen An-<lb/> trieb sich zu eilen. 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LEPIDUS UND SERTORIUS.
war. Sertorius entzog auf diese Inzichten hin die Hut seiner Per-
son den römischen Soldaten und gab sie erlesenen Spaniern.
Gegen die Verdächtigen selbst schritt er mit furchtbarer, aber
nothwendiger Strenge ein und verurtheilte, ohne wie sonst Rath-
männer zuzuziehen, verschiedene Angeschuldigte zum Tode; den
Freunden, hieſs es in den Kreisen der Miſsvergnügten, sei er ge-
fährlicher als den Feinden. Bald ward eine zweite Verschwörung
entdeckt, die ihren Sitz in seinem eigenen Stabe hatte; wer zur
Anzeige gebracht ward, muſste flüchtig werden oder bluten, aber
nicht alle wurden verrathen und die übrigen Verschworenen, unter
ihnen vor allem Perpenna, fanden hierin nur einen neuen An-
trieb sich zu eilen. In Osca ward auf Perpennas Veranstaltung
dem Feldherrn ein glänzender Sieg berichtet, den seine Truppen
erfochten. Bei der zur Feier dieses Sieges von Perpenna veranstal-
teten festlichen Mahlzeit erschien auch Sertorius, begleitet, wie er
pflegte, von seinem spanischen Gefolge. Gegen den sonstigen
Brauch im sertorianischen Hauptquartier ward das Fest bald zum
Bacchanal; wüste Reden flogen über den Tisch und es schien,
als wenn einige der Gäste Gelegenheit suchten einen Wortwech-
sel zu beginnen; Sertorius warf sich auf seinem Lager zurück
und schien den Lärm überhören zu wollen. Da klirrte eine Trink-
schale auf den Boden: Perpenna gab das verabredete Zeichen.
Marcus Antonius, der neben Sertorius lag, führte den ersten
Streich gegen ihn und da dieser sich umwandte und sich aufzu-
richten versuchte, stürzte er sich über ihn und hielt ihn nieder,
bis die übrigen Tischgäste, sämmtlich Theilnehmer der Ver-
schwörung, sich auf die Ringenden warfen und den wehrlosen
an beiden Armen festgehaltenen Feldherrn erstachen (682). Mit
ihm starben seine treuen Begleiter. So endigte einer der gröſsten,
wo nicht der gröſste Mann, den Rom bisher hervorgebracht, ein
Mann, der unter glücklicheren Umständen vielleicht der Regene-
rator seines Vaterlandes geworden sein würde, durch den Ver-
rath der elenden Emigrantenbande, die er gegen die Heimath zu
führen verdammt war. Die Geschichte liebt die Coriolane nicht;
auch mit diesem hochherzigsten, genialsten, bedauernswerthesten
unter allen hat sie keine Ausnahme gemacht.
Die Erbschaft des Gemordeten dachten die Mörder zu thun.
Nach Sertorius Tode machte Perpenna als der höchste unter den
römischen Offizieren der spanischen Armee Ansprüche auf den
Oberbefehl. Man fügte sich, aber miſstrauend und widerstrebend.
Wie man auch gegen Sertorius bei seinen Lebzeiten gemurrt
hatte, der Tod setzte den Helden wieder in sein Recht ein und
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