Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.PHARSALOS. hängten Zügeln vom Schlachtfeld. Die siegreichen Legionare,nachdem sie die preisgegebenen Schützen der Feinde zusammen- gehauen hatten, rückten auf den linken Flügel des Feindes los und begannen nun ihrerseits dessen Umgehung. Zugleich ging Caesars bisher zurückgehaltenes drittes Treffen auf der ganzen Linie zum Angriff vor. Die unverhoffte Niederlage der besten Waffe des pom- peianischen Heeres, wie sie den Muth der Gegner hob, brach den der Armee und vor allem den des Feldherrn. Als Pompeius, der seinem Fussvolk von Haus nicht traute, die Reiter zurückjagen sah, ritt er sofort von dem Schlachtfeld zurück in das Lager, ohne auch nur den Ausgang des von Caesar befohlenen Ge- sammtangriffs abzuwarten. Seine Legionen fingen an zu schwan- ken und bald über den Bach in das Lager zurückzuweichen, was nicht ohne schweren Verlust bewerkstelligt ward. Der Tag war also verloren und mancher tüchtige Soldat gefallen, die Armee indess noch im Wesentlichen intact und Pompeius Lage weit minder bedenklich als die Caesars nach der Niederlage von Dyr- rhachion. Aber wenn Caesar in den Wechselfällen seiner Ge- schicke es gelernt hatte, dass das Glück es liebt auch seinen Günstlingen wohl auf Augenblicke sich zu entziehen, um aber- mals durch Beharrlichkeit von ihnen bezwungen zu werden, so kannte Pompeius das Glück bis dahin nur als die beständige Göttin und verzweifelte an sich und an ihr, als sie ihm entwich; und wenn in Caesars grossartiger Natur auch die Verzweiflung nur immer mächtigere Kräfte entwickelte, so versank Pompeius dürftige Seele unter dem gleichen Druck in den unendlichen Abgrund der Kümmerlichkeit. Wie einst im Kriege mit Serto- rius er im Begriff gewesen war das anvertraute Amt im Stiche lassend vor dem überlegenen Gegner auf und davon zu gehen (S. 28), so warf er jetzt, da er die Legionen über den Bach zurückweichen sah, die verhängnissvolle Feldherrnschärpe von sich und ritt auf dem nächsten Weg dem Meere zu, um dort ein Schiff sich zu suchen. Seine Armee, entmuthigt und führerlos -- denn Scipio, obwohl von Pompeius als College im Obercom- dass die pompeianischen Reiter durch die Furcht vor Schmarren im Gesicht
zum Weglaufen sollten gebracht werden, und auch wirklich ,die Hände vor die Augen haltend' (Plutarch) davon galoppirt seien, fällt in sich selbst zusammen; denn sie hat nur dann eine Pointe, wenn die pompeianische Rei- terei hauptsächlich aus dem jungen Adel Roms, den ,artigen Tänzern' be- stand; und dies ist falsch (S. 380). Höchstens kann es sein, dass der La- gerwitz jener einfachen und zweckmässigen militärischen Ordre diese sehr unsinnige, aber allerdings lustige Beziehung gab. PHARSALOS. hängten Zügeln vom Schlachtfeld. Die siegreichen Legionare,nachdem sie die preisgegebenen Schützen der Feinde zusammen- gehauen hatten, rückten auf den linken Flügel des Feindes los und begannen nun ihrerseits dessen Umgehung. Zugleich ging Caesars bisher zurückgehaltenes drittes Treffen auf der ganzen Linie zum Angriff vor. Die unverhoffte Niederlage der besten Waffe des pom- peianischen Heeres, wie sie den Muth der Gegner hob, brach den der Armee und vor allem den des Feldherrn. Als Pompeius, der seinem Fuſsvolk von Haus nicht traute, die Reiter zurückjagen sah, ritt er sofort von dem Schlachtfeld zurück in das Lager, ohne auch nur den Ausgang des von Caesar befohlenen Ge- sammtangriffs abzuwarten. Seine Legionen fingen an zu schwan- ken und bald über den Bach in das Lager zurückzuweichen, was nicht ohne schweren Verlust bewerkstelligt ward. Der Tag war also verloren und mancher tüchtige Soldat gefallen, die Armee indeſs noch im Wesentlichen intact und Pompeius Lage weit minder bedenklich als die Caesars nach der Niederlage von Dyr- rhachion. Aber wenn Caesar in den Wechselfällen seiner Ge- schicke es gelernt hatte, daſs das Glück es liebt auch seinen Günstlingen wohl auf Augenblicke sich zu entziehen, um aber- mals durch Beharrlichkeit von ihnen bezwungen zu werden, so kannte Pompeius das Glück bis dahin nur als die beständige Göttin und verzweifelte an sich und an ihr, als sie ihm entwich; und wenn in Caesars groſsartiger Natur auch die Verzweiflung nur immer mächtigere Kräfte entwickelte, so versank Pompeius dürftige Seele unter dem gleichen Druck in den unendlichen Abgrund der Kümmerlichkeit. Wie einst im Kriege mit Serto- rius er im Begriff gewesen war das anvertraute Amt im Stiche lassend vor dem überlegenen Gegner auf und davon zu gehen (S. 28), so warf er jetzt, da er die Legionen über den Bach zurückweichen sah, die verhängniſsvolle Feldherrnschärpe von sich und ritt auf dem nächsten Weg dem Meere zu, um dort ein Schiff sich zu suchen. Seine Armee, entmuthigt und führerlos — denn Scipio, obwohl von Pompeius als College im Obercom- daſs die pompeianischen Reiter durch die Furcht vor Schmarren im Gesicht
zum Weglaufen sollten gebracht werden, und auch wirklich ‚die Hände vor die Augen haltend‘ (Plutarch) davon galoppirt seien, fällt in sich selbst zusammen; denn sie hat nur dann eine Pointe, wenn die pompeianische Rei- terei hauptsächlich aus dem jungen Adel Roms, den ‚artigen Tänzern‘ be- stand; und dies ist falsch (S. 380). Höchstens kann es sein, daſs der La- gerwitz jener einfachen und zweckmäſsigen militärischen Ordre diese sehr unsinnige, aber allerdings lustige Beziehung gab. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0405" n="395"/><fw place="top" type="header">PHARSALOS.</fw><lb/> hängten Zügeln vom Schlachtfeld. Die siegreichen Legionare,<lb/> nachdem sie die preisgegebenen Schützen der Feinde zusammen-<lb/> gehauen hatten, rückten auf den linken Flügel des Feindes los und<lb/> begannen nun ihrerseits dessen Umgehung. Zugleich ging Caesars<lb/> bisher zurückgehaltenes drittes Treffen auf der ganzen Linie zum<lb/> Angriff vor. Die unverhoffte Niederlage der besten Waffe des pom-<lb/> peianischen Heeres, wie sie den Muth der Gegner hob, brach den<lb/> der Armee und vor allem den des Feldherrn. Als Pompeius, der<lb/> seinem Fuſsvolk von Haus nicht traute, die Reiter zurückjagen<lb/> sah, ritt er sofort von dem Schlachtfeld zurück in das Lager,<lb/> ohne auch nur den Ausgang des von Caesar befohlenen Ge-<lb/> sammtangriffs abzuwarten. Seine Legionen fingen an zu schwan-<lb/> ken und bald über den Bach in das Lager zurückzuweichen, was<lb/> nicht ohne schweren Verlust bewerkstelligt ward. Der Tag war<lb/> also verloren und mancher tüchtige Soldat gefallen, die Armee<lb/> indeſs noch im Wesentlichen intact und Pompeius Lage weit<lb/> minder bedenklich als die Caesars nach der Niederlage von Dyr-<lb/> rhachion. Aber wenn Caesar in den Wechselfällen seiner Ge-<lb/> schicke es gelernt hatte, daſs das Glück es liebt auch seinen<lb/> Günstlingen wohl auf Augenblicke sich zu entziehen, um aber-<lb/> mals durch Beharrlichkeit von ihnen bezwungen zu werden,<lb/> so kannte Pompeius das Glück bis dahin nur als die beständige<lb/> Göttin und verzweifelte an sich und an ihr, als sie ihm entwich;<lb/> und wenn in Caesars groſsartiger Natur auch die Verzweiflung<lb/> nur immer mächtigere Kräfte entwickelte, so versank Pompeius<lb/> dürftige Seele unter dem gleichen Druck in den unendlichen<lb/> Abgrund der Kümmerlichkeit. Wie einst im Kriege mit Serto-<lb/> rius er im Begriff gewesen war das anvertraute Amt im Stiche<lb/> lassend vor dem überlegenen Gegner auf und davon zu gehen<lb/> (S. 28), so warf er jetzt, da er die Legionen über den Bach<lb/> zurückweichen sah, die verhängniſsvolle Feldherrnschärpe von<lb/> sich und ritt auf dem nächsten Weg dem Meere zu, <choice><sic>nm</sic><corr>um</corr></choice> dort ein<lb/> Schiff sich zu suchen. Seine Armee, entmuthigt und führerlos<lb/> — denn Scipio, obwohl von Pompeius als College im Obercom-<lb/><note xml:id="note-0405" prev="#note-0404" place="foot" n="*">daſs die pompeianischen Reiter durch die Furcht vor Schmarren im Gesicht<lb/> zum Weglaufen sollten gebracht werden, und auch wirklich ‚die Hände vor<lb/> die Augen haltend‘ (Plutarch) davon galoppirt seien, fällt in sich selbst<lb/> zusammen; denn sie hat nur dann eine Pointe, wenn die pompeianische Rei-<lb/> terei hauptsächlich aus dem jungen Adel Roms, den ‚artigen Tänzern‘ be-<lb/> stand; und dies ist falsch (S. 380). Höchstens kann es sein, daſs der La-<lb/> gerwitz jener einfachen und zweckmäſsigen militärischen Ordre diese sehr<lb/> unsinnige, aber allerdings lustige Beziehung gab.</note><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [395/0405]
PHARSALOS.
hängten Zügeln vom Schlachtfeld. Die siegreichen Legionare,
nachdem sie die preisgegebenen Schützen der Feinde zusammen-
gehauen hatten, rückten auf den linken Flügel des Feindes los und
begannen nun ihrerseits dessen Umgehung. Zugleich ging Caesars
bisher zurückgehaltenes drittes Treffen auf der ganzen Linie zum
Angriff vor. Die unverhoffte Niederlage der besten Waffe des pom-
peianischen Heeres, wie sie den Muth der Gegner hob, brach den
der Armee und vor allem den des Feldherrn. Als Pompeius, der
seinem Fuſsvolk von Haus nicht traute, die Reiter zurückjagen
sah, ritt er sofort von dem Schlachtfeld zurück in das Lager,
ohne auch nur den Ausgang des von Caesar befohlenen Ge-
sammtangriffs abzuwarten. Seine Legionen fingen an zu schwan-
ken und bald über den Bach in das Lager zurückzuweichen, was
nicht ohne schweren Verlust bewerkstelligt ward. Der Tag war
also verloren und mancher tüchtige Soldat gefallen, die Armee
indeſs noch im Wesentlichen intact und Pompeius Lage weit
minder bedenklich als die Caesars nach der Niederlage von Dyr-
rhachion. Aber wenn Caesar in den Wechselfällen seiner Ge-
schicke es gelernt hatte, daſs das Glück es liebt auch seinen
Günstlingen wohl auf Augenblicke sich zu entziehen, um aber-
mals durch Beharrlichkeit von ihnen bezwungen zu werden,
so kannte Pompeius das Glück bis dahin nur als die beständige
Göttin und verzweifelte an sich und an ihr, als sie ihm entwich;
und wenn in Caesars groſsartiger Natur auch die Verzweiflung
nur immer mächtigere Kräfte entwickelte, so versank Pompeius
dürftige Seele unter dem gleichen Druck in den unendlichen
Abgrund der Kümmerlichkeit. Wie einst im Kriege mit Serto-
rius er im Begriff gewesen war das anvertraute Amt im Stiche
lassend vor dem überlegenen Gegner auf und davon zu gehen
(S. 28), so warf er jetzt, da er die Legionen über den Bach
zurückweichen sah, die verhängniſsvolle Feldherrnschärpe von
sich und ritt auf dem nächsten Weg dem Meere zu, um dort ein
Schiff sich zu suchen. Seine Armee, entmuthigt und führerlos
— denn Scipio, obwohl von Pompeius als College im Obercom-
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* daſs die pompeianischen Reiter durch die Furcht vor Schmarren im Gesicht
zum Weglaufen sollten gebracht werden, und auch wirklich ‚die Hände vor
die Augen haltend‘ (Plutarch) davon galoppirt seien, fällt in sich selbst
zusammen; denn sie hat nur dann eine Pointe, wenn die pompeianische Rei-
terei hauptsächlich aus dem jungen Adel Roms, den ‚artigen Tänzern‘ be-
stand; und dies ist falsch (S. 380). Höchstens kann es sein, daſs der La-
gerwitz jener einfachen und zweckmäſsigen militärischen Ordre diese sehr
unsinnige, aber allerdings lustige Beziehung gab.
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