Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.PHARSALOS. Augenblick der drohenden Vernichtung. Caesar war inzwischenunangefochten nach Apollonia gelangt. Sogleich nach der Kata- strophe von Dyrrhachion hatte er sich entschlossen, wenn mög- lich den Kampf von der Küste weg in das Binnenland zu verle- gen, um die letzte Ursache des Fehlschlagens seiner bisherigen Anstrengungen, die feindliche Flotte aus dem Spiel zu bringen. Der Marsch nach Apollonia hatte nur den Zweck gehabt dort, wo seine Depots sich befanden, seine Verwundeten in Sicherheit zu bringen und seinen Soldaten die Löhnung zu zahlen; so wie dies geschehen war, brach er mit Hinterlassung von Besatzungen in Apollonia, Orikon und Lissos nach Thessalien auf. Nach Thes- salien hatte auch das Corps des Calvinus sich in Bewegung ge- setzt; und die aus Italien, jetzt auf dem Landwege durch Illyrien, anrückenden Verstärkungen, zwei Legionen unter Quintus Cor- nificius, konnte er gleichfalls hier leichter noch als in Epirus an sich ziehen. Auf schwierigen Pfaden im Thale des Aoos auf- wärts steigend und die Bergkette überschreitend, die Epirus von Thessalien scheidet, gelangte er an den Peneios; eben dorthin ward Calvinus dirigirt und die Vereinigung der beiden Armeen ward also auf dem kürzesten und dem Feinde am wenigsten aus- gesetzten Wege bewerkstelligt. Sie erfolgte bei Aeginion unweit der Quelle des Peneios. Die erste thessalische Stadt, vor der die jetzt vereinigte Armee erschien, Gomphoi schloss ihr die Thore; sie ward rasch erstürmt und der Plünderung preisgegeben. Da- durch geschreckt unterwarfen sich die übrigen Städte Thessa- liens, so wie nur Caesars Legionen vor den Mauern sich zeigten. Ueber diesen Märschen und Gefechten und mit Hülfe der wenn auch nicht allzu reichlichen Vorräthe, die die Landschaft am Pe- neios darbot, schwanden allmählich die Spuren und die Erinne- rungen der überstandenen unheilvollen Tage. -- Pompeius störte hierin nicht. Er hatte gesiegt; aber was waren die Ergebnisse des Sieges? Sowohl Caesar wie Calvinus hatten der Verfolgung sich entzogen; dem beweglichen Feinde konnte Pompeius mit seiner schwerfälligen Armee und seiner zahlreichen Reiterei nicht auf den Gebirgsmärschen folgen. Nach Calvinus eiligem Rückzug wäre es möglich gewesen, da Scipio jetzt ohne Gefährde Dyrrhachion er- reichen konnte, die Hauptmacht nach Italien einzuschiffen; indess vorläufig wurde nur eine Abtheilung der Flotte nach Sicilien und Italien gesendet. Der Erfolg von Dyrrhachion hatte die Zuversicht im pompeianischen Lager so sehr gesteigert, dass man beschloss zu bleiben und auf der griechischen Halbinsel die Sache mit Caesar zum Austrag zu bringen. Man konnte alsdann entweder von Caesar PHARSALOS. Augenblick der drohenden Vernichtung. Caesar war inzwischenunangefochten nach Apollonia gelangt. Sogleich nach der Kata- strophe von Dyrrhachion hatte er sich entschlossen, wenn mög- lich den Kampf von der Küste weg in das Binnenland zu verle- gen, um die letzte Ursache des Fehlschlagens seiner bisherigen Anstrengungen, die feindliche Flotte aus dem Spiel zu bringen. Der Marsch nach Apollonia hatte nur den Zweck gehabt dort, wo seine Depots sich befanden, seine Verwundeten in Sicherheit zu bringen und seinen Soldaten die Löhnung zu zahlen; so wie dies geschehen war, brach er mit Hinterlassung von Besatzungen in Apollonia, Orikon und Lissos nach Thessalien auf. Nach Thes- salien hatte auch das Corps des Calvinus sich in Bewegung ge- setzt; und die aus Italien, jetzt auf dem Landwege durch Illyrien, anrückenden Verstärkungen, zwei Legionen unter Quintus Cor- nificius, konnte er gleichfalls hier leichter noch als in Epirus an sich ziehen. Auf schwierigen Pfaden im Thale des Aoos auf- wärts steigend und die Bergkette überschreitend, die Epirus von Thessalien scheidet, gelangte er an den Peneios; eben dorthin ward Calvinus dirigirt und die Vereinigung der beiden Armeen ward also auf dem kürzesten und dem Feinde am wenigsten aus- gesetzten Wege bewerkstelligt. Sie erfolgte bei Aeginion unweit der Quelle des Peneios. Die erste thessalische Stadt, vor der die jetzt vereinigte Armee erschien, Gomphoi schloſs ihr die Thore; sie ward rasch erstürmt und der Plünderung preisgegeben. Da- durch geschreckt unterwarfen sich die übrigen Städte Thessa- liens, so wie nur Caesars Legionen vor den Mauern sich zeigten. Ueber diesen Märschen und Gefechten und mit Hülfe der wenn auch nicht allzu reichlichen Vorräthe, die die Landschaft am Pe- neios darbot, schwanden allmählich die Spuren und die Erinne- rungen der überstandenen unheilvollen Tage. — Pompeius störte hierin nicht. Er hatte gesiegt; aber was waren die Ergebnisse des Sieges? Sowohl Caesar wie Calvinus hatten der Verfolgung sich entzogen; dem beweglichen Feinde konnte Pompeius mit seiner schwerfälligen Armee und seiner zahlreichen Reiterei nicht auf den Gebirgsmärschen folgen. Nach Calvinus eiligem Rückzug wäre es möglich gewesen, da Scipio jetzt ohne Gefährde Dyrrhachion er- reichen konnte, die Hauptmacht nach Italien einzuschiffen; indeſs vorläufig wurde nur eine Abtheilung der Flotte nach Sicilien und Italien gesendet. Der Erfolg von Dyrrhachion hatte die Zuversicht im pompeianischen Lager so sehr gesteigert, daſs man beschloſs zu bleiben und auf der griechischen Halbinsel die Sache mit Caesar zum Austrag zu bringen. Man konnte alsdann entweder von Caesar <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0401" n="391"/><fw place="top" type="header">PHARSALOS.</fw><lb/> Augenblick der drohenden Vernichtung. Caesar war inzwischen<lb/> unangefochten nach Apollonia gelangt. 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PHARSALOS.
Augenblick der drohenden Vernichtung. Caesar war inzwischen
unangefochten nach Apollonia gelangt. Sogleich nach der Kata-
strophe von Dyrrhachion hatte er sich entschlossen, wenn mög-
lich den Kampf von der Küste weg in das Binnenland zu verle-
gen, um die letzte Ursache des Fehlschlagens seiner bisherigen
Anstrengungen, die feindliche Flotte aus dem Spiel zu bringen.
Der Marsch nach Apollonia hatte nur den Zweck gehabt dort, wo
seine Depots sich befanden, seine Verwundeten in Sicherheit zu
bringen und seinen Soldaten die Löhnung zu zahlen; so wie dies
geschehen war, brach er mit Hinterlassung von Besatzungen in
Apollonia, Orikon und Lissos nach Thessalien auf. Nach Thes-
salien hatte auch das Corps des Calvinus sich in Bewegung ge-
setzt; und die aus Italien, jetzt auf dem Landwege durch Illyrien,
anrückenden Verstärkungen, zwei Legionen unter Quintus Cor-
nificius, konnte er gleichfalls hier leichter noch als in Epirus
an sich ziehen. Auf schwierigen Pfaden im Thale des Aoos auf-
wärts steigend und die Bergkette überschreitend, die Epirus von
Thessalien scheidet, gelangte er an den Peneios; eben dorthin
ward Calvinus dirigirt und die Vereinigung der beiden Armeen
ward also auf dem kürzesten und dem Feinde am wenigsten aus-
gesetzten Wege bewerkstelligt. Sie erfolgte bei Aeginion unweit
der Quelle des Peneios. Die erste thessalische Stadt, vor der die
jetzt vereinigte Armee erschien, Gomphoi schloſs ihr die Thore;
sie ward rasch erstürmt und der Plünderung preisgegeben. Da-
durch geschreckt unterwarfen sich die übrigen Städte Thessa-
liens, so wie nur Caesars Legionen vor den Mauern sich zeigten.
Ueber diesen Märschen und Gefechten und mit Hülfe der wenn
auch nicht allzu reichlichen Vorräthe, die die Landschaft am Pe-
neios darbot, schwanden allmählich die Spuren und die Erinne-
rungen der überstandenen unheilvollen Tage. — Pompeius störte
hierin nicht. Er hatte gesiegt; aber was waren die Ergebnisse des
Sieges? Sowohl Caesar wie Calvinus hatten der Verfolgung sich
entzogen; dem beweglichen Feinde konnte Pompeius mit seiner
schwerfälligen Armee und seiner zahlreichen Reiterei nicht auf den
Gebirgsmärschen folgen. Nach Calvinus eiligem Rückzug wäre es
möglich gewesen, da Scipio jetzt ohne Gefährde Dyrrhachion er-
reichen konnte, die Hauptmacht nach Italien einzuschiffen; indeſs
vorläufig wurde nur eine Abtheilung der Flotte nach Sicilien und
Italien gesendet. Der Erfolg von Dyrrhachion hatte die Zuversicht
im pompeianischen Lager so sehr gesteigert, daſs man beschloſs
zu bleiben und auf der griechischen Halbinsel die Sache mit Caesar
zum Austrag zu bringen. Man konnte alsdann entweder von Caesar
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Zitationshilfe: | Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 391. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/401>, abgerufen am 16.07.2024. |