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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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terie, um durch sie die Niederlage zu vollenden. Bald erblickte
man das Corps des Saburra, das auf den letzten Abhängen der
gegen den Bagradas sich senkenden Anhöhen mit den römischen
Reitern sich herumschlug; die heranrückenden Legionen halfen
dasselbe völlig in die Ebene hinabdrängen. Allein hier wendete
sich das Gefecht. Saburra stand nicht, wie man meinte, ohne
Rückhalt, sondern nicht viel mehr als eine deutsche Meile entfernt
von der numidischen Hauptmacht. Bereits trafen der Kern des
numidischen Fussvolks und 2000 gallische und spanische Reiter
auf dem Kampfplatz ein, um Saburra zu unterstützen und der
König selbst mit dem Gros der Armee und sechzehn Elephanten
war im Anmarsch. Nach dem Nachtmarsch und dem hitzigen
Gefecht waren von den römischen Reitern augenblicklich nicht
viel über 200 beisammen; diese so wie die Infanterie waren von
den Strapazen und dem Fechten aufs Aeusserste erschöpft, und
alle in der weiten Ebene, in die man sich hatte verlocken lassen,
rings eingeschlossen von den beständig sich mehrenden feindli-
chen Schaaren. Vergeblich versuchte Curio handgemein zu wer-
den; die libyschen Reiter wichen, wie sie pflegten, sowie eine rö-
mische Abtheilung vorging, und wenn diese umkehrte, fand sie
von denselben Reiterhaufen sich verfolgt. Vergeblich versuchte er
die Höhen wieder zu gewinnen; sie wurden von den feindlichen
Reitern besetzt und versperrt. Es war alles verloren. Das Fuss-
volk ward niedergehauen bis auf den letzten Mann. Von der Rei-
terei gelang es Einzelnen sich durchzuschlagen; auch Curio hätte
wahrscheinlich sich zu retten vermocht, aber er ertrug es nicht
ohne das ihm anvertraute Heer allein vor seinem Herrn zu er-
scheinen und starb mit dem Degen in der Hand. Selbst die Mann-
schaft, die im Lager vor Utica sich zusammenfand und die Flot-
tenbesatzung, die sich so leicht nach Sicilien hätten retten kön-
nen, ergaben sich unter dem Eindruck der fürchterlich raschen
Katastrophe den Tag darauf an Varus (Aug. oder Sept. 705). --
So endigte die von Caesar angeordnete sicilisch-africanische Ex-
pedition. Sie erreichte insofern ihren Zweck, als durch die Be-
setzung Siciliens in Verbindung mit der von Sardinien wenig-
stens dem dringendsten Bedürfniss der Hauptstadt abgeholfen
ward; die vereitelte Eroberung Africas, aus welcher die siegende
Partei keinen weiteren wesentlichen Gewinn zog, und der Ver-
lust zweier unzuverlässiger Legionen liessen sich verschmerzen.
Aber ein unersetzlicher Verlust für Caesar, ja für Rom war Cu-
rios früher Tod. Nicht ohne Ursache hatte Caesar dem mili-
tärisch unerfahrenen und wegen seines Lotterlebens berufenen

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terie, um durch sie die Niederlage zu vollenden. Bald erblickte
man das Corps des Saburra, das auf den letzten Abhängen der
gegen den Bagradas sich senkenden Anhöhen mit den römischen
Reitern sich herumschlug; die heranrückenden Legionen halfen
dasselbe völlig in die Ebene hinabdrängen. Allein hier wendete
sich das Gefecht. Saburra stand nicht, wie man meinte, ohne
Rückhalt, sondern nicht viel mehr als eine deutsche Meile entfernt
von der numidischen Hauptmacht. Bereits trafen der Kern des
numidischen Fuſsvolks und 2000 gallische und spanische Reiter
auf dem Kampfplatz ein, um Saburra zu unterstützen und der
König selbst mit dem Gros der Armee und sechzehn Elephanten
war im Anmarsch. Nach dem Nachtmarsch und dem hitzigen
Gefecht waren von den römischen Reitern augenblicklich nicht
viel über 200 beisammen; diese so wie die Infanterie waren von
den Strapazen und dem Fechten aufs Aeuſserste erschöpft, und
alle in der weiten Ebene, in die man sich hatte verlocken lassen,
rings eingeschlossen von den beständig sich mehrenden feindli-
chen Schaaren. Vergeblich versuchte Curio handgemein zu wer-
den; die libyschen Reiter wichen, wie sie pflegten, sowie eine rö-
mische Abtheilung vorging, und wenn diese umkehrte, fand sie
von denselben Reiterhaufen sich verfolgt. Vergeblich versuchte er
die Höhen wieder zu gewinnen; sie wurden von den feindlichen
Reitern besetzt und versperrt. Es war alles verloren. Das Fuſs-
volk ward niedergehauen bis auf den letzten Mann. Von der Rei-
terei gelang es Einzelnen sich durchzuschlagen; auch Curio hätte
wahrscheinlich sich zu retten vermocht, aber er ertrug es nicht
ohne das ihm anvertraute Heer allein vor seinem Herrn zu er-
scheinen und starb mit dem Degen in der Hand. Selbst die Mann-
schaft, die im Lager vor Utica sich zusammenfand und die Flot-
tenbesatzung, die sich so leicht nach Sicilien hätten retten kön-
nen, ergaben sich unter dem Eindruck der fürchterlich raschen
Katastrophe den Tag darauf an Varus (Aug. oder Sept. 705). —
So endigte die von Caesar angeordnete sicilisch-africanische Ex-
pedition. Sie erreichte insofern ihren Zweck, als durch die Be-
setzung Siciliens in Verbindung mit der von Sardinien wenig-
stens dem dringendsten Bedürfniſs der Hauptstadt abgeholfen
ward; die vereitelte Eroberung Africas, aus welcher die siegende
Partei keinen weiteren wesentlichen Gewinn zog, und der Ver-
lust zweier unzuverlässiger Legionen lieſsen sich verschmerzen.
Aber ein unersetzlicher Verlust für Caesar, ja für Rom war Cu-
rios früher Tod. Nicht ohne Ursache hatte Caesar dem mili-
tärisch unerfahrenen und wegen seines Lotterlebens berufenen

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[372/0382] FÜNFTES BUCH. KAPITEL X. terie, um durch sie die Niederlage zu vollenden. Bald erblickte man das Corps des Saburra, das auf den letzten Abhängen der gegen den Bagradas sich senkenden Anhöhen mit den römischen Reitern sich herumschlug; die heranrückenden Legionen halfen dasselbe völlig in die Ebene hinabdrängen. Allein hier wendete sich das Gefecht. Saburra stand nicht, wie man meinte, ohne Rückhalt, sondern nicht viel mehr als eine deutsche Meile entfernt von der numidischen Hauptmacht. Bereits trafen der Kern des numidischen Fuſsvolks und 2000 gallische und spanische Reiter auf dem Kampfplatz ein, um Saburra zu unterstützen und der König selbst mit dem Gros der Armee und sechzehn Elephanten war im Anmarsch. Nach dem Nachtmarsch und dem hitzigen Gefecht waren von den römischen Reitern augenblicklich nicht viel über 200 beisammen; diese so wie die Infanterie waren von den Strapazen und dem Fechten aufs Aeuſserste erschöpft, und alle in der weiten Ebene, in die man sich hatte verlocken lassen, rings eingeschlossen von den beständig sich mehrenden feindli- chen Schaaren. Vergeblich versuchte Curio handgemein zu wer- den; die libyschen Reiter wichen, wie sie pflegten, sowie eine rö- mische Abtheilung vorging, und wenn diese umkehrte, fand sie von denselben Reiterhaufen sich verfolgt. Vergeblich versuchte er die Höhen wieder zu gewinnen; sie wurden von den feindlichen Reitern besetzt und versperrt. Es war alles verloren. Das Fuſs- volk ward niedergehauen bis auf den letzten Mann. Von der Rei- terei gelang es Einzelnen sich durchzuschlagen; auch Curio hätte wahrscheinlich sich zu retten vermocht, aber er ertrug es nicht ohne das ihm anvertraute Heer allein vor seinem Herrn zu er- scheinen und starb mit dem Degen in der Hand. Selbst die Mann- schaft, die im Lager vor Utica sich zusammenfand und die Flot- tenbesatzung, die sich so leicht nach Sicilien hätten retten kön- nen, ergaben sich unter dem Eindruck der fürchterlich raschen Katastrophe den Tag darauf an Varus (Aug. oder Sept. 705). — So endigte die von Caesar angeordnete sicilisch-africanische Ex- pedition. Sie erreichte insofern ihren Zweck, als durch die Be- setzung Siciliens in Verbindung mit der von Sardinien wenig- stens dem dringendsten Bedürfniſs der Hauptstadt abgeholfen ward; die vereitelte Eroberung Africas, aus welcher die siegende Partei keinen weiteren wesentlichen Gewinn zog, und der Ver- lust zweier unzuverlässiger Legionen lieſsen sich verschmerzen. Aber ein unersetzlicher Verlust für Caesar, ja für Rom war Cu- rios früher Tod. Nicht ohne Ursache hatte Caesar dem mili- tärisch unerfahrenen und wegen seines Lotterlebens berufenen

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 372. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/382>, abgerufen am 16.07.2024.