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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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FÜNFTES BUCH. KAPITEL X.
peius in dem menschenleeren Apulien an Rekruten in der Eile
hatte zusammenraffen können, so wie die von den Consuln und
den sonstigen Beauftragten in Campanien ausgehobenen und
eiligst nach Brundisium beorderten Mannschaften sich ein; eben
dahin begab sich eine Menge politischer Flüchtlinge, unter ihnen
die angesehensten Senatoren in Begleitungn ihrer Familien. Die
Einschiffung begann; allein die vorräthigen Schiffe genügten
nicht, um die ganze Masse, die sich doch noch auf 25000 Köpfe
belief, auf einmal zu transportiren. Es blieb nichts übrig als das
Heer zu theilen. Die grössere Hälfte ging vorauf (4. März); mit
der kleineren von etwa 10000 Mann erwartete Pompeius in
Brundisium die Rückkehr der Flotte, denn wie wünschenswerth
für einen etwaigen Versuch Italien wieder einzunehmen auch der
Besitz von Brundisium war, so getraute man sich doch nicht
den Platz auf die Dauer gegen Caesar zu halten. Inzwischen traf
Caesar vor Brundisium ein; die Belagerung begann. Caesar ver-
suchte vor allem die Hafenmündung durch Dämme und schwim-
mende Brücken zu schliessen, um die rückkehrende Flotte aus-
zusperren; allein Pompeius liess die im Hafen liegenden Han-
delsfahrzeuge armiren und wusste die völlige Schliessung des
Hafens so lange zu verhindern, bis die Flotte erschien und die
von Pompeius trotz der Wachsamkeit der Belagerer und der
feindlichen Gesinnung der Stadtbewohner mit grosser Geschick-
lichkeit bis auf den letzten Mann unbeschädigt aus der Stadt her-
ausgezogenen Truppen aus Caesars Bereich nach Griechenland
entführte (17. März). An dem Mangel einer Flotte scheiterte wie
die Belagerung selbst so auch die weitere Verfolgung. -- In einem
zweimonatlichen Feldzug, ohne ein einziges ernstliches Gefecht,
hatte Caesar eine Armee von zehn Legionen so aufgelöst, dass mit
genauer Noth die kleinere Hälfte derselben in verwirrter Flucht
über das Meer entkommen und die ganze italische Halbinsel mit
Einschluss der Hauptstadt nebst der Staatskasse und allen da-
selbst aufgehäuften Vorräthen in der Gewalt des Siegers geblieben
war. Nicht ohne Grund klagte die geschlagene Partei über die
schauerliche Raschheit, Einsicht und Energie des ,Ungeheuers'.

Indess es liess sich fragen, ob Caesar durch die Eroberung
Italiens mehr gewann oder mehr verlor. In militärischer Hinsicht
wurden zwar jetzt sehr ansehnliche Hülfsquellen nicht bloss den
Gegnern entzogen, sondern auch für Caesar flüssig gemacht;
schon im Frühjahr 705 zählte seine Armee in Folge der überall
angeordneten massenhaften Aushebungen statt der ursprünglichen
neun zwischen dreissig und fünfunddreissig Legionen. Andrer-

FÜNFTES BUCH. KAPITEL X.
peius in dem menschenleeren Apulien an Rekruten in der Eile
hatte zusammenraffen können, so wie die von den Consuln und
den sonstigen Beauftragten in Campanien ausgehobenen und
eiligst nach Brundisium beorderten Mannschaften sich ein; eben
dahin begab sich eine Menge politischer Flüchtlinge, unter ihnen
die angesehensten Senatoren in Begleitungn ihrer Familien. Die
Einschiffung begann; allein die vorräthigen Schiffe genügten
nicht, um die ganze Masse, die sich doch noch auf 25000 Köpfe
belief, auf einmal zu transportiren. Es blieb nichts übrig als das
Heer zu theilen. Die gröſsere Hälfte ging vorauf (4. März); mit
der kleineren von etwa 10000 Mann erwartete Pompeius in
Brundisium die Rückkehr der Flotte, denn wie wünschenswerth
für einen etwaigen Versuch Italien wieder einzunehmen auch der
Besitz von Brundisium war, so getraute man sich doch nicht
den Platz auf die Dauer gegen Caesar zu halten. Inzwischen traf
Caesar vor Brundisium ein; die Belagerung begann. Caesar ver-
suchte vor allem die Hafenmündung durch Dämme und schwim-
mende Brücken zu schlieſsen, um die rückkehrende Flotte aus-
zusperren; allein Pompeius lieſs die im Hafen liegenden Han-
delsfahrzeuge armiren und wuſste die völlige Schlieſsung des
Hafens so lange zu verhindern, bis die Flotte erschien und die
von Pompeius trotz der Wachsamkeit der Belagerer und der
feindlichen Gesinnung der Stadtbewohner mit groſser Geschick-
lichkeit bis auf den letzten Mann unbeschädigt aus der Stadt her-
ausgezogenen Truppen aus Caesars Bereich nach Griechenland
entführte (17. März). An dem Mangel einer Flotte scheiterte wie
die Belagerung selbst so auch die weitere Verfolgung. — In einem
zweimonatlichen Feldzug, ohne ein einziges ernstliches Gefecht,
hatte Caesar eine Armee von zehn Legionen so aufgelöst, daſs mit
genauer Noth die kleinere Hälfte derselben in verwirrter Flucht
über das Meer entkommen und die ganze italische Halbinsel mit
Einschluſs der Hauptstadt nebst der Staatskasse und allen da-
selbst aufgehäuften Vorräthen in der Gewalt des Siegers geblieben
war. Nicht ohne Grund klagte die geschlagene Partei über die
schauerliche Raschheit, Einsicht und Energie des ‚Ungeheuers‘.

Indeſs es lieſs sich fragen, ob Caesar durch die Eroberung
Italiens mehr gewann oder mehr verlor. In militärischer Hinsicht
wurden zwar jetzt sehr ansehnliche Hülfsquellen nicht bloſs den
Gegnern entzogen, sondern auch für Caesar flüssig gemacht;
schon im Frühjahr 705 zählte seine Armee in Folge der überall
angeordneten massenhaften Aushebungen statt der ursprünglichen
neun zwischen dreiſsig und fünfunddreiſsig Legionen. Andrer-

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[356/0366] FÜNFTES BUCH. KAPITEL X. peius in dem menschenleeren Apulien an Rekruten in der Eile hatte zusammenraffen können, so wie die von den Consuln und den sonstigen Beauftragten in Campanien ausgehobenen und eiligst nach Brundisium beorderten Mannschaften sich ein; eben dahin begab sich eine Menge politischer Flüchtlinge, unter ihnen die angesehensten Senatoren in Begleitungn ihrer Familien. Die Einschiffung begann; allein die vorräthigen Schiffe genügten nicht, um die ganze Masse, die sich doch noch auf 25000 Köpfe belief, auf einmal zu transportiren. Es blieb nichts übrig als das Heer zu theilen. Die gröſsere Hälfte ging vorauf (4. März); mit der kleineren von etwa 10000 Mann erwartete Pompeius in Brundisium die Rückkehr der Flotte, denn wie wünschenswerth für einen etwaigen Versuch Italien wieder einzunehmen auch der Besitz von Brundisium war, so getraute man sich doch nicht den Platz auf die Dauer gegen Caesar zu halten. Inzwischen traf Caesar vor Brundisium ein; die Belagerung begann. Caesar ver- suchte vor allem die Hafenmündung durch Dämme und schwim- mende Brücken zu schlieſsen, um die rückkehrende Flotte aus- zusperren; allein Pompeius lieſs die im Hafen liegenden Han- delsfahrzeuge armiren und wuſste die völlige Schlieſsung des Hafens so lange zu verhindern, bis die Flotte erschien und die von Pompeius trotz der Wachsamkeit der Belagerer und der feindlichen Gesinnung der Stadtbewohner mit groſser Geschick- lichkeit bis auf den letzten Mann unbeschädigt aus der Stadt her- ausgezogenen Truppen aus Caesars Bereich nach Griechenland entführte (17. März). An dem Mangel einer Flotte scheiterte wie die Belagerung selbst so auch die weitere Verfolgung. — In einem zweimonatlichen Feldzug, ohne ein einziges ernstliches Gefecht, hatte Caesar eine Armee von zehn Legionen so aufgelöst, daſs mit genauer Noth die kleinere Hälfte derselben in verwirrter Flucht über das Meer entkommen und die ganze italische Halbinsel mit Einschluſs der Hauptstadt nebst der Staatskasse und allen da- selbst aufgehäuften Vorräthen in der Gewalt des Siegers geblieben war. Nicht ohne Grund klagte die geschlagene Partei über die schauerliche Raschheit, Einsicht und Energie des ‚Ungeheuers‘. Indeſs es lieſs sich fragen, ob Caesar durch die Eroberung Italiens mehr gewann oder mehr verlor. In militärischer Hinsicht wurden zwar jetzt sehr ansehnliche Hülfsquellen nicht bloſs den Gegnern entzogen, sondern auch für Caesar flüssig gemacht; schon im Frühjahr 705 zählte seine Armee in Folge der überall angeordneten massenhaften Aushebungen statt der ursprünglichen neun zwischen dreiſsig und fünfunddreiſsig Legionen. Andrer-

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 356. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/366>, abgerufen am 18.12.2024.