Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.FÜNFTES BUCH. KAPITEL X. hin, dass Pompeius das Commando der bei Luceria stehendenTruppen, auf denen trotz ihrer Unzuverlässigkeit doch alle Hoff- nung beruhte, übernehmen, mit diesen in seine und Labienus Heimath, in Picenum einrücken, dort wie einst vor fünfunddreissig Jahren (II, 308) den Landsturm persönlich zu den Waffen rufen und an der Spitze der treuen picentischen und der krieggewohn- ten ehemals caesarischen Cohorten versuchen solle dem Vordrin- gen des Feindes eine Schranke zu setzen. Es kam nur darauf an, ob die picenische Landschaft sich so lange hielt, bis Pom- peius zu ihrer Vertheidigung herankam. Bereits war Caesar mit seiner wieder vereinigten Armee auf der Küstenstrasse über An- con in Picenum eingedrungen. Auch hier waren die Rüstungen in vollem Gange; gleich in der nördlichsten picenischen Stadt Auximum stand ein ansehnlicher Haufe von Rekruten unter Pu- blius Attius Varus beisammen; allein auf Ersuchen der Municipa- lität räumte Varus die Stadt noch ehe Caesar erschien und eine Handvoll von dessen Soldaten, die den Trupp unweit Auximum einholten, zerstreuten ihn vollständig nach kurzem Gefecht -- es war das erste in diesem Kriege. Ebenso räumten bald darauf Gaius Lucilius Hirrus mit 3000 Mann Camerinum, Publius Len- tulus Spinther mit 5000 Asculum. Die Pompeius ganz ergebenen Mannschaften liessen zum grössten Theil Haus und Hof willig im Stich und folgten den Führern über die Grenze; die Landschaft selbst aber war schon nicht mehr zu retten, als der zur vorläu- figen Leitung der Vertheidigung von Pompeius gesandte Offizier Lucius Vibullius Rufus, kein vornehmer Senator, aber ein kriegs- kundiger Militär, daselbst eintraf: er musste sich begnügen die geretteten etwa 6--7000 Rekruten den unfähigen Werbeoffizie- ren abzunehmen und sie vorläufig nach dem nächsten Sammel- platz zu führen. Dies war Corfinium, der Mittelpunct der Aushe- bungen im albensischen, marsischen und paelignischen Gebiet; die hier versammelte Rekrutenmasse von beiläufig 15000 Mann war das Contingent der streitbarsten und zuverlässigsten Landschaften Italiens und der Kern des in der Bildung begriffenen Heeres der Verfassungspartei. Als Vibullius hier eintraf, war Caesar noch mehrere Tagemärsche zurück; es war nichts im Wege Pompeius Befehlen gemäss sofort aufzubrechen und die geretteten picenti- schen nebst den in Corfinium gesammelten Rekruten dem Haupt- heer in Apulien zuzuführen. Allein in Corfinium commandirte der designirte Nachfolger Caesars Lucius Domitius, einer der bornir- testen Starrköpfe der römischen Aristokratie; und dieser weigerte sich nicht bloss Pompeius Befehlen Folge zu leisten, sondern ver- FÜNFTES BUCH. KAPITEL X. hin, daſs Pompeius das Commando der bei Luceria stehendenTruppen, auf denen trotz ihrer Unzuverlässigkeit doch alle Hoff- nung beruhte, übernehmen, mit diesen in seine und Labienus Heimath, in Picenum einrücken, dort wie einst vor fünfunddreiſsig Jahren (II, 308) den Landsturm persönlich zu den Waffen rufen und an der Spitze der treuen picentischen und der krieggewohn- ten ehemals caesarischen Cohorten versuchen solle dem Vordrin- gen des Feindes eine Schranke zu setzen. Es kam nur darauf an, ob die picenische Landschaft sich so lange hielt, bis Pom- peius zu ihrer Vertheidigung herankam. Bereits war Caesar mit seiner wieder vereinigten Armee auf der Küstenstraſse über An- con in Picenum eingedrungen. Auch hier waren die Rüstungen in vollem Gange; gleich in der nördlichsten picenischen Stadt Auximum stand ein ansehnlicher Haufe von Rekruten unter Pu- blius Attius Varus beisammen; allein auf Ersuchen der Municipa- lität räumte Varus die Stadt noch ehe Caesar erschien und eine Handvoll von dessen Soldaten, die den Trupp unweit Auximum einholten, zerstreuten ihn vollständig nach kurzem Gefecht — es war das erste in diesem Kriege. Ebenso räumten bald darauf Gaius Lucilius Hirrus mit 3000 Mann Camerinum, Publius Len- tulus Spinther mit 5000 Asculum. Die Pompeius ganz ergebenen Mannschaften lieſsen zum gröſsten Theil Haus und Hof willig im Stich und folgten den Führern über die Grenze; die Landschaft selbst aber war schon nicht mehr zu retten, als der zur vorläu- figen Leitung der Vertheidigung von Pompeius gesandte Offizier Lucius Vibullius Rufus, kein vornehmer Senator, aber ein kriegs- kundiger Militär, daselbst eintraf: er muſste sich begnügen die geretteten etwa 6—7000 Rekruten den unfähigen Werbeoffizie- ren abzunehmen und sie vorläufig nach dem nächsten Sammel- platz zu führen. Dies war Corfinium, der Mittelpunct der Aushe- bungen im albensischen, marsischen und paelignischen Gebiet; die hier versammelte Rekrutenmasse von beiläufig 15000 Mann war das Contingent der streitbarsten und zuverlässigsten Landschaften Italiens und der Kern des in der Bildung begriffenen Heeres der Verfassungspartei. Als Vibullius hier eintraf, war Caesar noch mehrere Tagemärsche zurück; es war nichts im Wege Pompeius Befehlen gemäſs sofort aufzubrechen und die geretteten picenti- schen nebst den in Corfinium gesammelten Rekruten dem Haupt- heer in Apulien zuzuführen. Allein in Corfinium commandirte der designirte Nachfolger Caesars Lucius Domitius, einer der bornir- testen Starrköpfe der römischen Aristokratie; und dieser weigerte sich nicht bloſs Pompeius Befehlen Folge zu leisten, sondern ver- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0364" n="354"/><fw place="top" type="header">FÜNFTES BUCH. 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FÜNFTES BUCH. KAPITEL X.
hin, daſs Pompeius das Commando der bei Luceria stehenden
Truppen, auf denen trotz ihrer Unzuverlässigkeit doch alle Hoff-
nung beruhte, übernehmen, mit diesen in seine und Labienus
Heimath, in Picenum einrücken, dort wie einst vor fünfunddreiſsig
Jahren (II, 308) den Landsturm persönlich zu den Waffen rufen
und an der Spitze der treuen picentischen und der krieggewohn-
ten ehemals caesarischen Cohorten versuchen solle dem Vordrin-
gen des Feindes eine Schranke zu setzen. Es kam nur darauf
an, ob die picenische Landschaft sich so lange hielt, bis Pom-
peius zu ihrer Vertheidigung herankam. Bereits war Caesar mit
seiner wieder vereinigten Armee auf der Küstenstraſse über An-
con in Picenum eingedrungen. Auch hier waren die Rüstungen
in vollem Gange; gleich in der nördlichsten picenischen Stadt
Auximum stand ein ansehnlicher Haufe von Rekruten unter Pu-
blius Attius Varus beisammen; allein auf Ersuchen der Municipa-
lität räumte Varus die Stadt noch ehe Caesar erschien und eine
Handvoll von dessen Soldaten, die den Trupp unweit Auximum
einholten, zerstreuten ihn vollständig nach kurzem Gefecht —
es war das erste in diesem Kriege. Ebenso räumten bald darauf
Gaius Lucilius Hirrus mit 3000 Mann Camerinum, Publius Len-
tulus Spinther mit 5000 Asculum. Die Pompeius ganz ergebenen
Mannschaften lieſsen zum gröſsten Theil Haus und Hof willig im
Stich und folgten den Führern über die Grenze; die Landschaft
selbst aber war schon nicht mehr zu retten, als der zur vorläu-
figen Leitung der Vertheidigung von Pompeius gesandte Offizier
Lucius Vibullius Rufus, kein vornehmer Senator, aber ein kriegs-
kundiger Militär, daselbst eintraf: er muſste sich begnügen die
geretteten etwa 6—7000 Rekruten den unfähigen Werbeoffizie-
ren abzunehmen und sie vorläufig nach dem nächsten Sammel-
platz zu führen. Dies war Corfinium, der Mittelpunct der Aushe-
bungen im albensischen, marsischen und paelignischen Gebiet; die
hier versammelte Rekrutenmasse von beiläufig 15000 Mann war
das Contingent der streitbarsten und zuverlässigsten Landschaften
Italiens und der Kern des in der Bildung begriffenen Heeres der
Verfassungspartei. Als Vibullius hier eintraf, war Caesar noch
mehrere Tagemärsche zurück; es war nichts im Wege Pompeius
Befehlen gemäſs sofort aufzubrechen und die geretteten picenti-
schen nebst den in Corfinium gesammelten Rekruten dem Haupt-
heer in Apulien zuzuführen. Allein in Corfinium commandirte der
designirte Nachfolger Caesars Lucius Domitius, einer der bornir-
testen Starrköpfe der römischen Aristokratie; und dieser weigerte
sich nicht bloſs Pompeius Befehlen Folge zu leisten, sondern ver-
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