Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.BRUNDISIUM. mit 1500 Mann auf Iguvium anrückte, wo ein paar Tausend um-brischer Rekruten unter dem Praetor Quintus Minucius Thermus sich gesammelt hatten, suchten auf die blosse Meldung seines Anmarsches General und Soldaten das Weite; und ähnlich ging es im Kleinen überall. Caesar hatte die Wahl entweder gegen Rom, dem seine Reiter in Arretium bereits auf 28 deutsche Mei- len sich genähert hatten, oder gegen die bei Luceria lagernden. Legionen zu marschiren. Er wählte das Letztere. Die Conster- nation der Gegenpartei war grenzenlos. Pompeius erhielt die Mel- dung von Caesars Anmarsch in Rom; er schien anfangs die Haupt- stadt vertheidigen zu wollen, aber als die Nachricht von Caesars Einrücken in das Picenische und von seinen ersten Erfolgen da- selbst einlief, gab er sie auf und befahl die Räumung. Ein pani- scher Schreck, vermehrt durch das falsche Gerücht, dass Caesars Reiter vor den Thoren sich gezeigt hätten, kam über die vor- nehme Welt. Die Senatoren, denen angezeigt worden war, dass man jeden in der Hauptstadt zurückbleibenden als Mitschuldigen des Rebellen Caesar behandeln werde, strömten schaarenweise aus den Thoren. Die Consuln selbst hatten so vollständig den Kopf verloren, dass sie nicht einmal die Kassen in Sicherheit brachten, und als Pompeius sie aufforderte dafür nachträglich zu sorgen, wozu ausreichend Zeit war, liessen sie ihm zurücksagen, dass sie es für sicherer hielten, wenn er zuvor Picenum besetze! Man war rathlos; also ward grosser Kriegsrath in Teanum Sidicinum ge- halten (23. Jan.), dem Pompeius, Labienus und beide Consuln beiwohnten. Auch hier hatte man zunächst wieder Vergleichs- vorschläge zu berathen, die Caesar selbst jetzt noch zu erneuern nicht unterliess: er erbot sich sein Heer sofort zu entlassen, seine Provinzen den ernannten Nachfolgern zu übergeben und sich in regelrechter Weise um das Consulat zu bewerben, wofern Pom- peius nach Spanien abgehe und in Italien entwaffnet werde. Die Antwort war, dass man, wenn Caesar sogleich in seine Provinz zurückkehre, sich anheischig mache die Entwaffnung Italiens und die Abreise des Pompeius durch einen ordnungsmässig in der Hauptstadt zu fassenden Senatsbeschluss herbeizuführen; was, wenn es mehr war als eine plumpe Prellerei, wohl eine Annahme des Vergleichsvorschlags sein sollte, jedenfalls aber der Sache nach eine Ablehnung war. Die von Caesar gewünschte persön- liche Zusammenkunft mit Pompeius lehnte dieser ab und musste sie ablehnen, um nicht durch den Anschein einer neuen Coalition mit Caesar das schon rege Misstrauen der Verfassungspartei noch mehr zu reizen. Der in Teanum festgestellte Kriegsplan ging da- Röm. Gesch. III. 23
BRUNDISIUM. mit 1500 Mann auf Iguvium anrückte, wo ein paar Tausend um-brischer Rekruten unter dem Praetor Quintus Minucius Thermus sich gesammelt hatten, suchten auf die bloſse Meldung seines Anmarsches General und Soldaten das Weite; und ähnlich ging es im Kleinen überall. Caesar hatte die Wahl entweder gegen Rom, dem seine Reiter in Arretium bereits auf 28 deutsche Mei- len sich genähert hatten, oder gegen die bei Luceria lagernden. Legionen zu marschiren. Er wählte das Letztere. Die Conster- nation der Gegenpartei war grenzenlos. Pompeius erhielt die Mel- dung von Caesars Anmarsch in Rom; er schien anfangs die Haupt- stadt vertheidigen zu wollen, aber als die Nachricht von Caesars Einrücken in das Picenische und von seinen ersten Erfolgen da- selbst einlief, gab er sie auf und befahl die Räumung. Ein pani- scher Schreck, vermehrt durch das falsche Gerücht, daſs Caesars Reiter vor den Thoren sich gezeigt hätten, kam über die vor- nehme Welt. Die Senatoren, denen angezeigt worden war, daſs man jeden in der Hauptstadt zurückbleibenden als Mitschuldigen des Rebellen Caesar behandeln werde, strömten schaarenweise aus den Thoren. Die Consuln selbst hatten so vollständig den Kopf verloren, daſs sie nicht einmal die Kassen in Sicherheit brachten, und als Pompeius sie aufforderte dafür nachträglich zu sorgen, wozu ausreichend Zeit war, lieſsen sie ihm zurücksagen, daſs sie es für sicherer hielten, wenn er zuvor Picenum besetze! Man war rathlos; also ward groſser Kriegsrath in Teanum Sidicinum ge- halten (23. Jan.), dem Pompeius, Labienus und beide Consuln beiwohnten. Auch hier hatte man zunächst wieder Vergleichs- vorschläge zu berathen, die Caesar selbst jetzt noch zu erneuern nicht unterlieſs: er erbot sich sein Heer sofort zu entlassen, seine Provinzen den ernannten Nachfolgern zu übergeben und sich in regelrechter Weise um das Consulat zu bewerben, wofern Pom- peius nach Spanien abgehe und in Italien entwaffnet werde. Die Antwort war, daſs man, wenn Caesar sogleich in seine Provinz zurückkehre, sich anheischig mache die Entwaffnung Italiens und die Abreise des Pompeius durch einen ordnungsmäſsig in der Hauptstadt zu fassenden Senatsbeschluſs herbeizuführen; was, wenn es mehr war als eine plumpe Prellerei, wohl eine Annahme des Vergleichsvorschlags sein sollte, jedenfalls aber der Sache nach eine Ablehnung war. Die von Caesar gewünschte persön- liche Zusammenkunft mit Pompeius lehnte dieser ab und muſste sie ablehnen, um nicht durch den Anschein einer neuen Coalition mit Caesar das schon rege Miſstrauen der Verfassungspartei noch mehr zu reizen. Der in Teanum festgestellte Kriegsplan ging da- Röm. Gesch. III. 23
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BRUNDISIUM.
mit 1500 Mann auf Iguvium anrückte, wo ein paar Tausend um-
brischer Rekruten unter dem Praetor Quintus Minucius Thermus
sich gesammelt hatten, suchten auf die bloſse Meldung seines
Anmarsches General und Soldaten das Weite; und ähnlich ging
es im Kleinen überall. Caesar hatte die Wahl entweder gegen
Rom, dem seine Reiter in Arretium bereits auf 28 deutsche Mei-
len sich genähert hatten, oder gegen die bei Luceria lagernden.
Legionen zu marschiren. Er wählte das Letztere. Die Conster-
nation der Gegenpartei war grenzenlos. Pompeius erhielt die Mel-
dung von Caesars Anmarsch in Rom; er schien anfangs die Haupt-
stadt vertheidigen zu wollen, aber als die Nachricht von Caesars
Einrücken in das Picenische und von seinen ersten Erfolgen da-
selbst einlief, gab er sie auf und befahl die Räumung. Ein pani-
scher Schreck, vermehrt durch das falsche Gerücht, daſs Caesars
Reiter vor den Thoren sich gezeigt hätten, kam über die vor-
nehme Welt. Die Senatoren, denen angezeigt worden war, daſs
man jeden in der Hauptstadt zurückbleibenden als Mitschuldigen
des Rebellen Caesar behandeln werde, strömten schaarenweise aus
den Thoren. Die Consuln selbst hatten so vollständig den Kopf
verloren, daſs sie nicht einmal die Kassen in Sicherheit brachten,
und als Pompeius sie aufforderte dafür nachträglich zu sorgen,
wozu ausreichend Zeit war, lieſsen sie ihm zurücksagen, daſs sie
es für sicherer hielten, wenn er zuvor Picenum besetze! Man war
rathlos; also ward groſser Kriegsrath in Teanum Sidicinum ge-
halten (23. Jan.), dem Pompeius, Labienus und beide Consuln
beiwohnten. Auch hier hatte man zunächst wieder Vergleichs-
vorschläge zu berathen, die Caesar selbst jetzt noch zu erneuern
nicht unterlieſs: er erbot sich sein Heer sofort zu entlassen, seine
Provinzen den ernannten Nachfolgern zu übergeben und sich in
regelrechter Weise um das Consulat zu bewerben, wofern Pom-
peius nach Spanien abgehe und in Italien entwaffnet werde. Die
Antwort war, daſs man, wenn Caesar sogleich in seine Provinz
zurückkehre, sich anheischig mache die Entwaffnung Italiens und
die Abreise des Pompeius durch einen ordnungsmäſsig in der
Hauptstadt zu fassenden Senatsbeschluſs herbeizuführen; was,
wenn es mehr war als eine plumpe Prellerei, wohl eine Annahme
des Vergleichsvorschlags sein sollte, jedenfalls aber der Sache
nach eine Ablehnung war. Die von Caesar gewünschte persön-
liche Zusammenkunft mit Pompeius lehnte dieser ab und muſste
sie ablehnen, um nicht durch den Anschein einer neuen Coalition
mit Caesar das schon rege Miſstrauen der Verfassungspartei noch
mehr zu reizen. Der in Teanum festgestellte Kriegsplan ging da-
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