in der narbonensischen Provinz hatte die Verfassungspartei zahl- reiche Anhänger und nun gar die neueroberten Landschaften wa- ren für Caesar in dem bevorstehenden Bürgerkrieg weit mehr eine Last als ein Vortheil, wie er denn aus guten Gründen in demselben von dem keltischen Fussvolk gar keinen, von der Rei- terei nur sparsamen Gebrauch machte. In den übrigen Provin- zen und den benachbarten halb oder ganz unabhängigen Staaten hatte Caesar wohl auch versucht sich Rückhalt zu verschaffen, hatte den Fürsten reiche Geschenke gespendet, in manchen Städ- ten grosse Bauten ausführen lassen und in Nothfällen ihnen finan- ziellen und militärischen Beistand gewährt; allein im Ganzen war natürlich damit nicht viel erreicht worden und die Verbindungen mit den deutschen und keltischen Fürsten in den Rhein- und Donaulandschaften, namentlich das der Reiterwerbung wegen wichtige Verhältniss zu dem norischen König Voctio waren wohl die einzigen, die für ihn etwas bedeuten mochten.
Wenn Caesar also in den Kampf eintrat nur als Comman- dant von Gallien, ohne andere wesentliche Hülfsmittel als brauch- bare Adjutanten und ein treues Heer, so begann ihn Pompeius als thatsächliches Oberhaupt des römischen Gemeinwesens und im Vollbesitz aller der legitimen Regierung des grossen römischen Reiches zur Verfügung stehenden Hülfsquellen. Allein wenn seine Stellung politisch und militärisch weit ansehnlicher war, so war sie dagegen auch weit minder klar und fest. Wenn die Einheit der Oberleitung aus Caesars Stellung sich von selbst und mit Nothwendigkeit ergab, so war sie dagegen der Natur der Coali- tion zuwider. Pompeius täuschte darüber sich nicht, dass unum- schränkte Gewalt die erste Bedingung des Erfolges ist; er ver- suchte sie der Coalition aufzuzwingen und liess sich vom Senat zum alleinigen und ununschränkten Oberfeldherrn zu Lande und zur See ernennen. Allein der Senat selbst liess sich doch nicht beseitigen und ein überwiegender Einfluss auf die politische, ein gelegentliches und darum doppelt schädliches Eingreifen in die militärische Oberleitung konnte ihm nicht verwehrt werden. Die Erinnerung an den zwanzigjährigen auf beiden Seiten mit vergifteten Waffen geführten Krieg zwischen Pompeius und der Verfassungspartei, das auf beiden Seiten lebhaft vorhandene und mühsam verhehlte Bewusstsein, dass die nächste Folge des er- fochtenen Sieges der Bruch zwischen den Siegern sein werde, die Verachtung, die man gegenseitig und von beiden Seiten mit nur zu gutem Grund sich zollte, die unbequeme Anzahl angesehener und einflussreicher Männer in den Reihen der Aristokratie und
FÜNFTES BUCH. KAPITEL X.
in der narbonensischen Provinz hatte die Verfassungspartei zahl- reiche Anhänger und nun gar die neueroberten Landschaften wa- ren für Caesar in dem bevorstehenden Bürgerkrieg weit mehr eine Last als ein Vortheil, wie er denn aus guten Gründen in demselben von dem keltischen Fuſsvolk gar keinen, von der Rei- terei nur sparsamen Gebrauch machte. In den übrigen Provin- zen und den benachbarten halb oder ganz unabhängigen Staaten hatte Caesar wohl auch versucht sich Rückhalt zu verschaffen, hatte den Fürsten reiche Geschenke gespendet, in manchen Städ- ten groſse Bauten ausführen lassen und in Nothfällen ihnen finan- ziellen und militärischen Beistand gewährt; allein im Ganzen war natürlich damit nicht viel erreicht worden und die Verbindungen mit den deutschen und keltischen Fürsten in den Rhein- und Donaulandschaften, namentlich das der Reiterwerbung wegen wichtige Verhältniſs zu dem norischen König Voctio waren wohl die einzigen, die für ihn etwas bedeuten mochten.
Wenn Caesar also in den Kampf eintrat nur als Comman- dant von Gallien, ohne andere wesentliche Hülfsmittel als brauch- bare Adjutanten und ein treues Heer, so begann ihn Pompeius als thatsächliches Oberhaupt des römischen Gemeinwesens und im Vollbesitz aller der legitimen Regierung des groſsen römischen Reiches zur Verfügung stehenden Hülfsquellen. Allein wenn seine Stellung politisch und militärisch weit ansehnlicher war, so war sie dagegen auch weit minder klar und fest. Wenn die Einheit der Oberleitung aus Caesars Stellung sich von selbst und mit Nothwendigkeit ergab, so war sie dagegen der Natur der Coali- tion zuwider. Pompeius täuschte darüber sich nicht, daſs unum- schränkte Gewalt die erste Bedingung des Erfolges ist; er ver- suchte sie der Coalition aufzuzwingen und lieſs sich vom Senat zum alleinigen und ununschränkten Oberfeldherrn zu Lande und zur See ernennen. Allein der Senat selbst lieſs sich doch nicht beseitigen und ein überwiegender Einfluſs auf die politische, ein gelegentliches und darum doppelt schädliches Eingreifen in die militärische Oberleitung konnte ihm nicht verwehrt werden. Die Erinnerung an den zwanzigjährigen auf beiden Seiten mit vergifteten Waffen geführten Krieg zwischen Pompeius und der Verfassungspartei, das auf beiden Seiten lebhaft vorhandene und mühsam verhehlte Bewuſstsein, daſs die nächste Folge des er- fochtenen Sieges der Bruch zwischen den Siegern sein werde, die Verachtung, die man gegenseitig und von beiden Seiten mit nur zu gutem Grund sich zollte, die unbequeme Anzahl angesehener und einfluſsreicher Männer in den Reihen der Aristokratie und
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FÜNFTES BUCH. KAPITEL X.
in der narbonensischen Provinz hatte die Verfassungspartei zahl-
reiche Anhänger und nun gar die neueroberten Landschaften wa-
ren für Caesar in dem bevorstehenden Bürgerkrieg weit mehr
eine Last als ein Vortheil, wie er denn aus guten Gründen in
demselben von dem keltischen Fuſsvolk gar keinen, von der Rei-
terei nur sparsamen Gebrauch machte. In den übrigen Provin-
zen und den benachbarten halb oder ganz unabhängigen Staaten
hatte Caesar wohl auch versucht sich Rückhalt zu verschaffen,
hatte den Fürsten reiche Geschenke gespendet, in manchen Städ-
ten groſse Bauten ausführen lassen und in Nothfällen ihnen finan-
ziellen und militärischen Beistand gewährt; allein im Ganzen war
natürlich damit nicht viel erreicht worden und die Verbindungen
mit den deutschen und keltischen Fürsten in den Rhein- und
Donaulandschaften, namentlich das der Reiterwerbung wegen
wichtige Verhältniſs zu dem norischen König Voctio waren wohl
die einzigen, die für ihn etwas bedeuten mochten.
Wenn Caesar also in den Kampf eintrat nur als Comman-
dant von Gallien, ohne andere wesentliche Hülfsmittel als brauch-
bare Adjutanten und ein treues Heer, so begann ihn Pompeius
als thatsächliches Oberhaupt des römischen Gemeinwesens und
im Vollbesitz aller der legitimen Regierung des groſsen römischen
Reiches zur Verfügung stehenden Hülfsquellen. Allein wenn seine
Stellung politisch und militärisch weit ansehnlicher war, so war
sie dagegen auch weit minder klar und fest. Wenn die Einheit
der Oberleitung aus Caesars Stellung sich von selbst und mit
Nothwendigkeit ergab, so war sie dagegen der Natur der Coali-
tion zuwider. Pompeius täuschte darüber sich nicht, daſs unum-
schränkte Gewalt die erste Bedingung des Erfolges ist; er ver-
suchte sie der Coalition aufzuzwingen und lieſs sich vom Senat
zum alleinigen und ununschränkten Oberfeldherrn zu Lande und
zur See ernennen. Allein der Senat selbst lieſs sich doch nicht
beseitigen und ein überwiegender Einfluſs auf die politische,
ein gelegentliches und darum doppelt schädliches Eingreifen in
die militärische Oberleitung konnte ihm nicht verwehrt werden.
Die Erinnerung an den zwanzigjährigen auf beiden Seiten mit
vergifteten Waffen geführten Krieg zwischen Pompeius und der
Verfassungspartei, das auf beiden Seiten lebhaft vorhandene und
mühsam verhehlte Bewuſstsein, daſs die nächste Folge des er-
fochtenen Sieges der Bruch zwischen den Siegern sein werde, die
Verachtung, die man gegenseitig und von beiden Seiten mit nur
zu gutem Grund sich zollte, die unbequeme Anzahl angesehener
und einfluſsreicher Männer in den Reihen der Aristokratie und
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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 348. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/358>, abgerufen am 08.07.2024.
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