Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.BRUNDISIUM. schränkt. Sie ruhte wesentlich auf der oberitalischen Provinz.Diese Landschaft war nicht bloss die am besten bevölkerte unter allen italischen, sondern auch unbedingt der Sache der Demo- kratie ergeben. Von der daselbst herrschenden Stimmung zeugt das Verhalten einer Abtheilung Rekruten von Opitergium (Oderzo in der Delegation Treviso), die nicht lange nach dem Ausbruch des Krieges in den illyrischen Gewässern auf einem elenden Floss von den feindlichen Kriegsschiffen umzingelt wurden, aber statt sich zu ergeben, lieber sich den ganzen Tag bis zur sinkenden Sonne zusammenschiessen liessen und in der folgenden Nacht, so weit sie den Geschossen entgangen waren, mit eigener Hand sich den Tod gaben. Man begreift, was einer solchen Bevölke- rung zugemuthet werden konnte. Wie sie Caesar bereits die Mit- tel gewährt hatte seine ursprüngliche Armee mehr als zu ver- doppeln, so stellten auch nach Ausbruch des Bürgerkrieges zu den sofort angeordneten umfassenden Aushebungen die Rekruten zahlreich sich ein. In dem eigentlichen Italien dagegen war Cae- sars Einfluss dem der Gegner nicht entfernt zu vergleichen. Wenn er auch durch geschickte Manöver die catonische Partei ins Un- recht zu setzen gewusst und alle, die einen Vorwand wünschten um mit gutem Gewissen entweder dem Krieg zu entgehen, wie die Senatsmajorität, oder seine Partei zu ergreifen, wie seine Soldaten und die Transpadaner, von seinem guten Recht hin- reichend überzeugt hatte, so liess sich doch die Masse der Bür- gerschaft natürlich dadurch nicht irren und sah, als der Com- mandant von Gallien seine Legionen gegen Rom in Bewegung setzte, allen formalen Rechtserörterungen zum Trotz, in Cato und Pompeius die Vertheidiger der legitimen Republik, in Caesar den demokratischen Usurpator. Allgemein erwartete man von dem Neffen des Marius, dem Verbündeten Catilinas die Wiederholung der marianisch-cinnanischen Greuel, die Realisirung der von Ca- tilina entworfenen Saturnalien der Anarchie; und wenn auch Caesar hierdurch allerdings Verbündete gewann, die politischen Flüchtlinge sofort in Masse sich ihm zur Verfügung stellten, die verlorenen Leute ihren Erlöser in ihm sahen, die niedrigsten Schichten des haupt- und landstädtischen Pöbels durch die Kunde von seinem Anmarsch in Gährung geriethen, so waren dies doch von den Freunden, die gefährlicher als die Feinde sind. Noch weniger als in Italien hatte Caesar in den Provinzen und den Clientelstaaten Einfluss. Das transalpinische Gallien gehorchte ihm zwar und die Colonisten von Narbo so wie die sonst daselbst ansässigen römischen Bürger waren ihm ergeben; allein selbst BRUNDISIUM. schränkt. Sie ruhte wesentlich auf der oberitalischen Provinz.Diese Landschaft war nicht bloſs die am besten bevölkerte unter allen italischen, sondern auch unbedingt der Sache der Demo- kratie ergeben. Von der daselbst herrschenden Stimmung zeugt das Verhalten einer Abtheilung Rekruten von Opitergium (Oderzo in der Delegation Treviso), die nicht lange nach dem Ausbruch des Krieges in den illyrischen Gewässern auf einem elenden Floſs von den feindlichen Kriegsschiffen umzingelt wurden, aber statt sich zu ergeben, lieber sich den ganzen Tag bis zur sinkenden Sonne zusammenschieſsen lieſsen und in der folgenden Nacht, so weit sie den Geschossen entgangen waren, mit eigener Hand sich den Tod gaben. Man begreift, was einer solchen Bevölke- rung zugemuthet werden konnte. Wie sie Caesar bereits die Mit- tel gewährt hatte seine ursprüngliche Armee mehr als zu ver- doppeln, so stellten auch nach Ausbruch des Bürgerkrieges zu den sofort angeordneten umfassenden Aushebungen die Rekruten zahlreich sich ein. In dem eigentlichen Italien dagegen war Cae- sars Einfluſs dem der Gegner nicht entfernt zu vergleichen. Wenn er auch durch geschickte Manöver die catonische Partei ins Un- recht zu setzen gewuſst und alle, die einen Vorwand wünschten um mit gutem Gewissen entweder dem Krieg zu entgehen, wie die Senatsmajorität, oder seine Partei zu ergreifen, wie seine Soldaten und die Transpadaner, von seinem guten Recht hin- reichend überzeugt hatte, so lieſs sich doch die Masse der Bür- gerschaft natürlich dadurch nicht irren und sah, als der Com- mandant von Gallien seine Legionen gegen Rom in Bewegung setzte, allen formalen Rechtserörterungen zum Trotz, in Cato und Pompeius die Vertheidiger der legitimen Republik, in Caesar den demokratischen Usurpator. Allgemein erwartete man von dem Neffen des Marius, dem Verbündeten Catilinas die Wiederholung der marianisch-cinnanischen Greuel, die Realisirung der von Ca- tilina entworfenen Saturnalien der Anarchie; und wenn auch Caesar hierdurch allerdings Verbündete gewann, die politischen Flüchtlinge sofort in Masse sich ihm zur Verfügung stellten, die verlorenen Leute ihren Erlöser in ihm sahen, die niedrigsten Schichten des haupt- und landstädtischen Pöbels durch die Kunde von seinem Anmarsch in Gährung geriethen, so waren dies doch von den Freunden, die gefährlicher als die Feinde sind. Noch weniger als in Italien hatte Caesar in den Provinzen und den Clientelstaaten Einfluſs. Das transalpinische Gallien gehorchte ihm zwar und die Colonisten von Narbo so wie die sonst daselbst ansässigen römischen Bürger waren ihm ergeben; allein selbst <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0357" n="347"/><fw place="top" type="header">BRUNDISIUM.</fw><lb/> schränkt. 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BRUNDISIUM.
schränkt. Sie ruhte wesentlich auf der oberitalischen Provinz.
Diese Landschaft war nicht bloſs die am besten bevölkerte unter
allen italischen, sondern auch unbedingt der Sache der Demo-
kratie ergeben. Von der daselbst herrschenden Stimmung zeugt
das Verhalten einer Abtheilung Rekruten von Opitergium (Oderzo
in der Delegation Treviso), die nicht lange nach dem Ausbruch
des Krieges in den illyrischen Gewässern auf einem elenden Floſs
von den feindlichen Kriegsschiffen umzingelt wurden, aber statt
sich zu ergeben, lieber sich den ganzen Tag bis zur sinkenden
Sonne zusammenschieſsen lieſsen und in der folgenden Nacht,
so weit sie den Geschossen entgangen waren, mit eigener Hand
sich den Tod gaben. Man begreift, was einer solchen Bevölke-
rung zugemuthet werden konnte. Wie sie Caesar bereits die Mit-
tel gewährt hatte seine ursprüngliche Armee mehr als zu ver-
doppeln, so stellten auch nach Ausbruch des Bürgerkrieges zu
den sofort angeordneten umfassenden Aushebungen die Rekruten
zahlreich sich ein. In dem eigentlichen Italien dagegen war Cae-
sars Einfluſs dem der Gegner nicht entfernt zu vergleichen. Wenn
er auch durch geschickte Manöver die catonische Partei ins Un-
recht zu setzen gewuſst und alle, die einen Vorwand wünschten
um mit gutem Gewissen entweder dem Krieg zu entgehen, wie
die Senatsmajorität, oder seine Partei zu ergreifen, wie seine
Soldaten und die Transpadaner, von seinem guten Recht hin-
reichend überzeugt hatte, so lieſs sich doch die Masse der Bür-
gerschaft natürlich dadurch nicht irren und sah, als der Com-
mandant von Gallien seine Legionen gegen Rom in Bewegung
setzte, allen formalen Rechtserörterungen zum Trotz, in Cato und
Pompeius die Vertheidiger der legitimen Republik, in Caesar den
demokratischen Usurpator. Allgemein erwartete man von dem
Neffen des Marius, dem Verbündeten Catilinas die Wiederholung
der marianisch-cinnanischen Greuel, die Realisirung der von Ca-
tilina entworfenen Saturnalien der Anarchie; und wenn auch
Caesar hierdurch allerdings Verbündete gewann, die politischen
Flüchtlinge sofort in Masse sich ihm zur Verfügung stellten, die
verlorenen Leute ihren Erlöser in ihm sahen, die niedrigsten
Schichten des haupt- und landstädtischen Pöbels durch die Kunde
von seinem Anmarsch in Gährung geriethen, so waren dies doch
von den Freunden, die gefährlicher als die Feinde sind. Noch
weniger als in Italien hatte Caesar in den Provinzen und den
Clientelstaaten Einfluſs. Das transalpinische Gallien gehorchte
ihm zwar und die Colonisten von Narbo so wie die sonst daselbst
ansässigen römischen Bürger waren ihm ergeben; allein selbst
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