Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.FÜNFTES BUCH. KAPITEL X. und Tod zu rächen ihm heilige Pflicht war. Vielleicht nie hat eseine Armee gegeben, die so vollkommen war, was die Armee sein soll: eine für ihre Zwecke fähige und für ihre Zwecke willige Maschine in der Hand eines Meisters, der auf sie seine eigene Spannkraft überträgt. Caesars Soldaten waren und fühlten sich zehnfacher Uebermacht gewachsen; wobei nicht übersehen wer- den darf, dass bei der durchaus auf das Handgemenge und vor- nehmlich den Schwertkampf berechneten römischen Taktik der geübte römische Soldat dem Neuling noch in weit höherem Grade überlegen war, als dies unter den heutigen Verhältnissen der Fall ist*. Aber noch mehr als durch die überlegene Tapferkeit fühlten die Gegner sich gedemüthigt durch die unwandelbare und rüh- rende Treue, mit der Caesars Soldaten an ihrem Feldherrn hin- gen. Es ist wohl ohne Beispiel in der Geschichte, dass als der Feldherr seine Soldaten aufrief ihm in den Bürgerkrieg zu folgen, mit der einzigen schon erwähnten Ausnahme des Labienns kein römischer Offizier und kein römischer Soldat ihn im Stich liess. Die Hoffnungen der Gegner auf eine ausgedehnte Desertion schei- terten ebenso schmählich wie der frühere Versuch sein Heer wie das des Lucullus auseinander zu sprengen (S. 333); selbst Labie- nus erschien in Pompeius Lager wohl mit einem Haufen keltischer und deutscher Reiter, aber ohne einen einzigen Legionar. Ja die Soldaten, als wollten sie zeigen, dass der Krieg ganz ebenso ihre Sache sei wie die des Feldherrn, machten unter sich aus, dass sie den Sold, den ihnen Caesar beim Ausbruch des Bürgerkrieges zu verdoppeln versprochen hatte, bis zu dessen Beendigung dem Feldherrn creditiren, und inzwischen die ärmeren Kameraden aus allgemeinen Mitteln unterstützen wollten; überdies rüstete und besoldete jeder Unteroffizier einen Reiter aus seiner Tasche. -- Wenn also Caesar das Eine hatte, was Noth that: unbeschränkte politische und militärische Gewalt und eine schlagfertige zuver- lässige Armee, so war extensiv seine Macht verhältnissmässig be- * Ein gefangener Centurio von der zehnten Legion Caesars erklärte
dem feindlichen Oberfeldherrn, dass er bereit sei es mit zehn von seinen Leuten gegen die beste feindliche Cohorte (500 Mann) aufzunehmen (bell. Afric. 45). ,In der Fechtweise der Alten', urtheilt Napoleon, ,bestand die Schlacht aus lauter Zweikämpfen; in dem Munde des heutigen Soldaten würde es Prahlerei sein, was in dem jenes Centurio nur richtig war'. Von dem Soldatengeist, der Caesars Armee durchdrang, legen die Berichte über den africanischen und den zweiten spanischen Krieg, von denen jener einen Offizier zweiten Ranges zum Verfasser zu haben scheint, dieser ein in je- der Beziehung subalternes Lagerjournal ist, lebendigen Beweis ab. FÜNFTES BUCH. KAPITEL X. und Tod zu rächen ihm heilige Pflicht war. Vielleicht nie hat eseine Armee gegeben, die so vollkommen war, was die Armee sein soll: eine für ihre Zwecke fähige und für ihre Zwecke willige Maschine in der Hand eines Meisters, der auf sie seine eigene Spannkraft überträgt. Caesars Soldaten waren und fühlten sich zehnfacher Uebermacht gewachsen; wobei nicht übersehen wer- den darf, daſs bei der durchaus auf das Handgemenge und vor- nehmlich den Schwertkampf berechneten römischen Taktik der geübte römische Soldat dem Neuling noch in weit höherem Grade überlegen war, als dies unter den heutigen Verhältnissen der Fall ist*. Aber noch mehr als durch die überlegene Tapferkeit fühlten die Gegner sich gedemüthigt durch die unwandelbare und rüh- rende Treue, mit der Caesars Soldaten an ihrem Feldherrn hin- gen. Es ist wohl ohne Beispiel in der Geschichte, daſs als der Feldherr seine Soldaten aufrief ihm in den Bürgerkrieg zu folgen, mit der einzigen schon erwähnten Ausnahme des Labienns kein römischer Offizier und kein römischer Soldat ihn im Stich lieſs. Die Hoffnungen der Gegner auf eine ausgedehnte Desertion schei- terten ebenso schmählich wie der frühere Versuch sein Heer wie das des Lucullus auseinander zu sprengen (S. 333); selbst Labie- nus erschien in Pompeius Lager wohl mit einem Haufen keltischer und deutscher Reiter, aber ohne einen einzigen Legionar. Ja die Soldaten, als wollten sie zeigen, daſs der Krieg ganz ebenso ihre Sache sei wie die des Feldherrn, machten unter sich aus, daſs sie den Sold, den ihnen Caesar beim Ausbruch des Bürgerkrieges zu verdoppeln versprochen hatte, bis zu dessen Beendigung dem Feldherrn creditiren, und inzwischen die ärmeren Kameraden aus allgemeinen Mitteln unterstützen wollten; überdies rüstete und besoldete jeder Unteroffizier einen Reiter aus seiner Tasche. — Wenn also Caesar das Eine hatte, was Noth that: unbeschränkte politische und militärische Gewalt und eine schlagfertige zuver- lässige Armee, so war extensiv seine Macht verhältniſsmäſsig be- * Ein gefangener Centurio von der zehnten Legion Caesars erklärte
dem feindlichen Oberfeldherrn, daſs er bereit sei es mit zehn von seinen Leuten gegen die beste feindliche Cohorte (500 Mann) aufzunehmen (bell. Afric. 45). ‚In der Fechtweise der Alten‘, urtheilt Napoleon, ‚bestand die Schlacht aus lauter Zweikämpfen; in dem Munde des heutigen Soldaten würde es Prahlerei sein, was in dem jenes Centurio nur richtig war‘. Von dem Soldatengeist, der Caesars Armee durchdrang, legen die Berichte über den africanischen und den zweiten spanischen Krieg, von denen jener einen Offizier zweiten Ranges zum Verfasser zu haben scheint, dieser ein in je- der Beziehung subalternes Lagerjournal ist, lebendigen Beweis ab. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0356" n="346"/><fw place="top" type="header">FÜNFTES BUCH. KAPITEL X.</fw><lb/> und Tod zu rächen ihm heilige Pflicht war. Vielleicht nie hat es<lb/> eine Armee gegeben, die so vollkommen war, was die Armee<lb/> sein soll: eine für ihre Zwecke fähige und für ihre Zwecke willige<lb/> Maschine in der Hand eines Meisters, der auf sie seine eigene<lb/> Spannkraft überträgt. Caesars Soldaten waren und fühlten sich<lb/> zehnfacher Uebermacht gewachsen; wobei nicht übersehen wer-<lb/> den darf, daſs bei der durchaus auf das Handgemenge und vor-<lb/> nehmlich den Schwertkampf berechneten römischen Taktik der<lb/> geübte römische Soldat dem Neuling noch in weit höherem Grade<lb/> überlegen war, als dies unter den heutigen Verhältnissen der Fall<lb/> ist<note place="foot" n="*">Ein gefangener Centurio von der zehnten Legion Caesars erklärte<lb/> dem feindlichen Oberfeldherrn, daſs er bereit sei es mit zehn von seinen<lb/> Leuten gegen die beste feindliche Cohorte (500 Mann) aufzunehmen (<hi rendition="#i">bell.<lb/> Afric.</hi> 45). ‚In der Fechtweise der Alten‘, urtheilt Napoleon, ‚bestand die<lb/> Schlacht aus lauter Zweikämpfen; in dem Munde des heutigen Soldaten<lb/> würde es Prahlerei sein, was in dem jenes Centurio nur richtig war‘. Von<lb/> dem Soldatengeist, der Caesars Armee durchdrang, legen die Berichte über<lb/> den africanischen und den zweiten spanischen Krieg, von denen jener einen<lb/> Offizier zweiten Ranges zum Verfasser zu haben scheint, dieser ein in je-<lb/> der Beziehung subalternes Lagerjournal ist, lebendigen Beweis ab.</note>. Aber noch mehr als durch die überlegene Tapferkeit fühlten<lb/> die Gegner sich gedemüthigt durch die unwandelbare und rüh-<lb/> rende Treue, mit der Caesars Soldaten an ihrem Feldherrn hin-<lb/> gen. Es ist wohl ohne Beispiel in der Geschichte, daſs als der<lb/> Feldherr seine Soldaten aufrief ihm in den Bürgerkrieg zu folgen,<lb/> mit der einzigen schon erwähnten Ausnahme des Labienns kein<lb/> römischer Offizier und kein römischer Soldat ihn im Stich lieſs.<lb/> Die Hoffnungen der Gegner auf eine ausgedehnte Desertion schei-<lb/> terten ebenso schmählich wie der frühere Versuch sein Heer wie<lb/> das des Lucullus auseinander zu sprengen (S. 333); selbst Labie-<lb/> nus erschien in Pompeius Lager wohl mit einem Haufen keltischer<lb/> und deutscher Reiter, aber ohne einen einzigen Legionar. Ja die<lb/> Soldaten, als wollten sie zeigen, daſs der Krieg ganz ebenso ihre<lb/> Sache sei wie die des Feldherrn, machten unter sich aus, daſs sie<lb/> den Sold, den ihnen Caesar beim Ausbruch des Bürgerkrieges<lb/> zu verdoppeln versprochen hatte, bis zu dessen Beendigung dem<lb/> Feldherrn creditiren, und inzwischen die ärmeren Kameraden aus<lb/> allgemeinen Mitteln unterstützen wollten; überdies rüstete und<lb/> besoldete jeder Unteroffizier einen Reiter aus seiner Tasche. —<lb/> Wenn also Caesar das Eine hatte, was Noth that: unbeschränkte<lb/> politische und militärische Gewalt und eine schlagfertige zuver-<lb/> lässige Armee, so war extensiv seine Macht verhältniſsmäſsig be-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [346/0356]
FÜNFTES BUCH. KAPITEL X.
und Tod zu rächen ihm heilige Pflicht war. Vielleicht nie hat es
eine Armee gegeben, die so vollkommen war, was die Armee
sein soll: eine für ihre Zwecke fähige und für ihre Zwecke willige
Maschine in der Hand eines Meisters, der auf sie seine eigene
Spannkraft überträgt. Caesars Soldaten waren und fühlten sich
zehnfacher Uebermacht gewachsen; wobei nicht übersehen wer-
den darf, daſs bei der durchaus auf das Handgemenge und vor-
nehmlich den Schwertkampf berechneten römischen Taktik der
geübte römische Soldat dem Neuling noch in weit höherem Grade
überlegen war, als dies unter den heutigen Verhältnissen der Fall
ist *. Aber noch mehr als durch die überlegene Tapferkeit fühlten
die Gegner sich gedemüthigt durch die unwandelbare und rüh-
rende Treue, mit der Caesars Soldaten an ihrem Feldherrn hin-
gen. Es ist wohl ohne Beispiel in der Geschichte, daſs als der
Feldherr seine Soldaten aufrief ihm in den Bürgerkrieg zu folgen,
mit der einzigen schon erwähnten Ausnahme des Labienns kein
römischer Offizier und kein römischer Soldat ihn im Stich lieſs.
Die Hoffnungen der Gegner auf eine ausgedehnte Desertion schei-
terten ebenso schmählich wie der frühere Versuch sein Heer wie
das des Lucullus auseinander zu sprengen (S. 333); selbst Labie-
nus erschien in Pompeius Lager wohl mit einem Haufen keltischer
und deutscher Reiter, aber ohne einen einzigen Legionar. Ja die
Soldaten, als wollten sie zeigen, daſs der Krieg ganz ebenso ihre
Sache sei wie die des Feldherrn, machten unter sich aus, daſs sie
den Sold, den ihnen Caesar beim Ausbruch des Bürgerkrieges
zu verdoppeln versprochen hatte, bis zu dessen Beendigung dem
Feldherrn creditiren, und inzwischen die ärmeren Kameraden aus
allgemeinen Mitteln unterstützen wollten; überdies rüstete und
besoldete jeder Unteroffizier einen Reiter aus seiner Tasche. —
Wenn also Caesar das Eine hatte, was Noth that: unbeschränkte
politische und militärische Gewalt und eine schlagfertige zuver-
lässige Armee, so war extensiv seine Macht verhältniſsmäſsig be-
* Ein gefangener Centurio von der zehnten Legion Caesars erklärte
dem feindlichen Oberfeldherrn, daſs er bereit sei es mit zehn von seinen
Leuten gegen die beste feindliche Cohorte (500 Mann) aufzunehmen (bell.
Afric. 45). ‚In der Fechtweise der Alten‘, urtheilt Napoleon, ‚bestand die
Schlacht aus lauter Zweikämpfen; in dem Munde des heutigen Soldaten
würde es Prahlerei sein, was in dem jenes Centurio nur richtig war‘. Von
dem Soldatengeist, der Caesars Armee durchdrang, legen die Berichte über
den africanischen und den zweiten spanischen Krieg, von denen jener einen
Offizier zweiten Ranges zum Verfasser zu haben scheint, dieser ein in je-
der Beziehung subalternes Lagerjournal ist, lebendigen Beweis ab.
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