Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.FÜNFTES BUCH. KAPITEL IX. brechen. Zwar ernstlich und auf die Dauer konnte er die Herr-schergewalt mit keinem Collegen theilen wollen, am wenigsten mit einem so untergeordneter Art wie Pompeius war, und ohne Zweifel war er längst entschlossen nach Beendigung der galli- schen Eroberung die Alleinherrschaft für sich zu nehmen und nöthigenfalls mit den Waffen zu erzwingen. Allein eine Natur wie die seinige, in der der Offizier durchaus dem Staatsmann unter- geordnet war, konnte nicht verkennen, dass die Regulirung des staatlichen Organismus durch Waffengewalt denselben in ihren Folgen tief und oft für immer zerrüttet; Caesar wünschte wenn irgend möglich die Verwickelung durch friedliche Mittel oder wenigstens ohne offenbaren Bürgerkrieg zu lösen. Sollte aber nun einmal der Bürgerkrieg geführt werden, so konnte er für Caesar in keinem ungelegeneren Momente beginnen als in die- sem, wo er, von jedem unmittelbaren Eingreifen in Italien aus- geschlossen, die Coalition seines neuen Gegners und der grund- sätzlich ihm feindlichen Verfassungspartei nicht wohl im Stande war zu verhindern. Darum wünschte er das Verhältniss mit Pompeius und damit den Frieden wenn irgend möglich aufrecht zu halten und in friedlicher Weise zu dem bereits in Luca ihm zugesicherten Consulat für 706 zu gelangen. Ward er alsdann nach abschliessender Erledigung der keltischen Angelegenheiten in ordnungsmässiger Weise an die Spitze des Staats gestellt, so konnte er, der dem Staatsmann Pompeius noch weit entschie- dener überlegen war als dem Feldherrn, ohne Schwierigkeit die- sen in der Curie und auf dem Forum ausmanövriren und zur thatsächlichen Alleinherrschaft gelangen. Vielleicht war es mög- lich für seinen schwerfälligen, unklaren und hoffärtigen Neben- buhler irgend eine ehrenvolle und einflusslose Stellung zu er- mitteln, in der dieser sich zu annulliren zufrieden war; ähnlich wie Napoleon die Grosswählerschaft für Cambaceres erfand. Die wiederholten Versuche Caesars, sich mit Pompeius verschwägert zu halten, mochten eine solche Lösung anbahnen und in der Succession der aus beider Blut herstammenden Sprösslinge die letzte Schlichtung des alten Haders herbeiführen sollen. Die re- publikanische Opposition blieb dann führerlos, also wahrschein- lich ebenfalls ruhig und der Friede ward erhalten. Aber wenn es auch auf diese oder jene Weise zum Bürgerkrieg kam -- und die Wahrscheinlichkeit war allerdings dafür --, so konnte doch Caesar dann als Consul von Rom aus den Krieg schicklicher und vortheilhafter führen als wenn er jetzt genöthigt ward als Proconsul von Gallien gegen den Senat und dessen Feldherrn zu FÜNFTES BUCH. KAPITEL IX. brechen. Zwar ernstlich und auf die Dauer konnte er die Herr-schergewalt mit keinem Collegen theilen wollen, am wenigsten mit einem so untergeordneter Art wie Pompeius war, und ohne Zweifel war er längst entschlossen nach Beendigung der galli- schen Eroberung die Alleinherrschaft für sich zu nehmen und nöthigenfalls mit den Waffen zu erzwingen. Allein eine Natur wie die seinige, in der der Offizier durchaus dem Staatsmann unter- geordnet war, konnte nicht verkennen, daſs die Regulirung des staatlichen Organismus durch Waffengewalt denselben in ihren Folgen tief und oft für immer zerrüttet; Caesar wünschte wenn irgend möglich die Verwickelung durch friedliche Mittel oder wenigstens ohne offenbaren Bürgerkrieg zu lösen. Sollte aber nun einmal der Bürgerkrieg geführt werden, so konnte er für Caesar in keinem ungelegeneren Momente beginnen als in die- sem, wo er, von jedem unmittelbaren Eingreifen in Italien aus- geschlossen, die Coalition seines neuen Gegners und der grund- sätzlich ihm feindlichen Verfassungspartei nicht wohl im Stande war zu verhindern. Darum wünschte er das Verhältniſs mit Pompeius und damit den Frieden wenn irgend möglich aufrecht zu halten und in friedlicher Weise zu dem bereits in Luca ihm zugesicherten Consulat für 706 zu gelangen. Ward er alsdann nach abschlieſsender Erledigung der keltischen Angelegenheiten in ordnungsmäſsiger Weise an die Spitze des Staats gestellt, so konnte er, der dem Staatsmann Pompeius noch weit entschie- dener überlegen war als dem Feldherrn, ohne Schwierigkeit die- sen in der Curie und auf dem Forum ausmanövriren und zur thatsächlichen Alleinherrschaft gelangen. Vielleicht war es mög- lich für seinen schwerfälligen, unklaren und hoffärtigen Neben- buhler irgend eine ehrenvolle und einfluſslose Stellung zu er- mitteln, in der dieser sich zu annulliren zufrieden war; ähnlich wie Napoleon die Groſswählerschaft für Cambaceres erfand. Die wiederholten Versuche Caesars, sich mit Pompeius verschwägert zu halten, mochten eine solche Lösung anbahnen und in der Succession der aus beider Blut herstammenden Spröſslinge die letzte Schlichtung des alten Haders herbeiführen sollen. Die re- publikanische Opposition blieb dann führerlos, also wahrschein- lich ebenfalls ruhig und der Friede ward erhalten. Aber wenn es auch auf diese oder jene Weise zum Bürgerkrieg kam — und die Wahrscheinlichkeit war allerdings dafür —, so konnte doch Caesar dann als Consul von Rom aus den Krieg schicklicher und vortheilhafter führen als wenn er jetzt genöthigt ward als Proconsul von Gallien gegen den Senat und dessen Feldherrn zu <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0340" n="330"/><fw place="top" type="header">FÜNFTES BUCH. KAPITEL IX.</fw><lb/> brechen. Zwar ernstlich und auf die Dauer konnte er die Herr-<lb/> schergewalt mit keinem Collegen theilen wollen, am wenigsten<lb/> mit einem so untergeordneter Art wie Pompeius war, und ohne<lb/> Zweifel war er längst entschlossen nach Beendigung der galli-<lb/> schen Eroberung die Alleinherrschaft für sich zu nehmen und<lb/> nöthigenfalls mit den Waffen zu erzwingen. 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FÜNFTES BUCH. KAPITEL IX.
brechen. Zwar ernstlich und auf die Dauer konnte er die Herr-
schergewalt mit keinem Collegen theilen wollen, am wenigsten
mit einem so untergeordneter Art wie Pompeius war, und ohne
Zweifel war er längst entschlossen nach Beendigung der galli-
schen Eroberung die Alleinherrschaft für sich zu nehmen und
nöthigenfalls mit den Waffen zu erzwingen. Allein eine Natur wie
die seinige, in der der Offizier durchaus dem Staatsmann unter-
geordnet war, konnte nicht verkennen, daſs die Regulirung des
staatlichen Organismus durch Waffengewalt denselben in ihren
Folgen tief und oft für immer zerrüttet; Caesar wünschte wenn
irgend möglich die Verwickelung durch friedliche Mittel oder
wenigstens ohne offenbaren Bürgerkrieg zu lösen. Sollte aber
nun einmal der Bürgerkrieg geführt werden, so konnte er für
Caesar in keinem ungelegeneren Momente beginnen als in die-
sem, wo er, von jedem unmittelbaren Eingreifen in Italien aus-
geschlossen, die Coalition seines neuen Gegners und der grund-
sätzlich ihm feindlichen Verfassungspartei nicht wohl im Stande
war zu verhindern. Darum wünschte er das Verhältniſs mit
Pompeius und damit den Frieden wenn irgend möglich aufrecht
zu halten und in friedlicher Weise zu dem bereits in Luca ihm
zugesicherten Consulat für 706 zu gelangen. Ward er alsdann
nach abschlieſsender Erledigung der keltischen Angelegenheiten
in ordnungsmäſsiger Weise an die Spitze des Staats gestellt, so
konnte er, der dem Staatsmann Pompeius noch weit entschie-
dener überlegen war als dem Feldherrn, ohne Schwierigkeit die-
sen in der Curie und auf dem Forum ausmanövriren und zur
thatsächlichen Alleinherrschaft gelangen. Vielleicht war es mög-
lich für seinen schwerfälligen, unklaren und hoffärtigen Neben-
buhler irgend eine ehrenvolle und einfluſslose Stellung zu er-
mitteln, in der dieser sich zu annulliren zufrieden war; ähnlich
wie Napoleon die Groſswählerschaft für Cambaceres erfand. Die
wiederholten Versuche Caesars, sich mit Pompeius verschwägert
zu halten, mochten eine solche Lösung anbahnen und in der
Succession der aus beider Blut herstammenden Spröſslinge die
letzte Schlichtung des alten Haders herbeiführen sollen. Die re-
publikanische Opposition blieb dann führerlos, also wahrschein-
lich ebenfalls ruhig und der Friede ward erhalten. Aber wenn
es auch auf diese oder jene Weise zum Bürgerkrieg kam —
und die Wahrscheinlichkeit war allerdings dafür —, so konnte
doch Caesar dann als Consul von Rom aus den Krieg schicklicher
und vortheilhafter führen als wenn er jetzt genöthigt ward als
Proconsul von Gallien gegen den Senat und dessen Feldherrn zu
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